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Weißrusslands Kirche entledigte sich eines für die Offiziellen unbequemen Erzbischofs


Der Erzbischof von Grodno und Wolkowysk, Artemij (Kischtschenko), ist auf Beschluss des Synods der Weißrussischen orthodoxen Kirche von seinem bekleideten Amt entbunden worden. Am 9. Juni hat der Patriarch von Moskau und Ganz Russland, Kirill (Gundjajew), diese Entscheidung bestätigt, wozu in Moskau im Online-Regime operativ der Heilige Synod der Russischen orthodoxen Kirche einberufen worden war. Laut den am gleichen Tag veröffentlichten Aufzeichnungen und Protokollen der Tagung der weißrussischen Synodalen sei Artemij auf Grund des Gesundheitszustands gezwungen gewesen, sein Amt zu verlassen. Es ist jedoch bekannt, dass der Erzbischof von Grodno eine zu den Herrschenden des Landes oppositionelle politische Position eingenommen hatte.

Über die Absetzung von Artemij hatte als erster am 9. Juni der machttreue Telegram-Kanal „Grodno-Abflüsse“ berichtet. „Was zur Ursache solch einer Entscheidung geworden ist, der Gesundheitszustand des Erzbischofs oder seine Eskapaden, aber auch die stürmische Tätigkeit seiner Unterstellten, bleibt unklar. Es ist jedoch offensichtlich, dass sich in der Diözese von Grodno Veränderungen vollziehen werden“, heißt es in einem Post. Danach wurden in der zweiten Tageshälfte auf der offiziellen Internetseite der Russischen orthodoxen Kirche die Aufzeichnungen und Protokolle der Online-Tagung des Synods veröffentlicht. Die Bischöfe gaben der Bitte des Metropoliten von Minsk und Saslawl, Benjamin (Tupeko), des Patriarchen-Exarchen von Ganz Weißrussland, „bezüglich der bei der Tagung des Synods des Weißrussischen Exarchats vom 8. Juni 2021 angenommenen Entscheidung“ statt, „gegenüber dem Patriarchen von Moskau und Ganz Russland Kirill und dem Heiligen Synod um die Versetzung von Erzbischof Artemij in den Ruhestand aufgrund des Gesundheitszustands und um die Ernennung des Bischofs von Sluzk und Soligorsk, Antonij (Doronin), als Leiter der Diözese von Grodno mit einer Entbindung von der Leitung der Diözese von Sluzk zu ersuchen“. Es sei daran erinnert, dass im Februar das Oberhaupt der Russischen orthodoxen Kirche den Klerus aufgerufen hatte, „sich nicht in politische Kommentatoren zu verwandeln“.

Erzbischof Artemij ist 69 Jahre alt. Um in den Ruhestand aufgrund des Alters versetzt zu werden, ist für ihn noch verfrüht. Dem nach zu urteilen, dass er persönlich bei der Tagung der weißrussischen Synodalen am 8. Juni zugegen war, ist die Frage nach der Gesundheit ebenfalls nicht aktuell. Wahrscheinlich hat man ihn aus dem Amt des Erzbischofs gerade auf Verlangen von Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko aufgrund der oppositionellen politischen Anschauungen entfernt. Bereits ganz zum Anfang der Protestaktionen im August vergangenen Jahres war das Oberhaupt der Eparchie (Diözese) von Grodno der einzige orthodoxe Erzbischof, der hart die im Land herrschende Gewalt verurteilte. Am 25. August löste der Heilige Synod der Russischen orthodoxen Kirche den Patriarchen-Exarch in Weißrussland ab. Anstelle von Metropolit Pawel (Ponomarenko), der der Teilnahme von Geistlichen an nichtsanktionierten Aktionen nicht entgegengewirkt hatte, wurde Metropolit Benjamin ernannt. Der neue Exarch hatte nicht nur sofort dem Klerus verbot, in irgendeiner Weise an Protestmeetings teilzunehmen, sondern sich auch mit Lukaschenko angenähert, der zuvor von den religiösen Organisationen verlangt hatte, sich nicht in Fragen der Politik einzumischen.

Artemij hatte jedoch am 14. März eine Predigt gehalten, in der er erklärt hatte, dass „ein Beschreiten des Weges der Anpassung dies der Weg einer Selbstvernichtung ist“. „Die Kirche darf nicht gleichgültig gegenüber allem Geschehen sein. Die neuen Märtyrer und Männer Gottes unserer Zeit haben stets gesagt: „Durch Schweigen wird Gott verraten“. Ein Christ zu sein, bedeutet, ein Kreuzträger zu sein. Beginnend im Kampf gegen seine Laster, im Kampf gegen seine persönliche Sünde, im Kampf gegen die gesellschaftlichen Wirren, gegen die Kirchenprobleme, ist dies ein schweres Kreuz, das man tragen muss, wobei man sich mitunter opfert“, hatte der Erzbischof damals gesagt.

Gemäß der Entscheidung des Heiligen Synods wird der pensionierte Erzpriester gezwungen sein, in Minsk zu verbleiben, augenscheinlich unter der Kontrolle sowohl der kirchlichen als auch der weltlichen Behörden.