Die Ausarbeitung eines Entwurfs für die Verfassung Weißrusslands hat eine neue Arbeitsgruppe in Angriff genommen, die aus Mitstreitern von Präsident Alexander Lukaschenko besteht. Es wurde der Auftrag erteilt, besonderes Augenmerk der Gesamtweißrussischen Volksversammlung zu schenken. Nach Meinung von Experten bestehe das Hauptproblem bei der Ausarbeitung des Entwurfs darin, dass das amtierende Staatsoberhaupt selbst in dem neuen System des Staatsaufbaus seinen Platz nicht finden könne.
„Das Wichtigste in der Tätigkeit der nunmehrigen Arbeitsgruppe ist, kein Ungleichgewicht des Systems der Machtorgane zuzulassen… Besonderes Augenmerk gilt der Gesamtweißrussischen Volksversammlung. Es müssen ihr Status, die Modalitäten für die Bildung und die Kompetenz bestimmt werden. Es muss so bewerkstelligt werden, dass die Stabilität des Staatsapparates nicht zerstört und keine Doppelherrschaft zugelassen werden“, formulierte Lukaschenko die Aufgabe für die neue Expertengruppe.
Lukaschenko ist absolut überzeugt: „Belarus muss eine Präsidialrepublik sein, wenn wir das Land bewahren wollen“. „Die Gesamtweißrussische Volksversammlung wird etabliert, nicht weil sich irgendwer von den Anwesenden oder der amtierende Präsident direkt um dieses Amt reißt, sondern um, wie Juristen sagen, ein Zügeln und ein Gegengewicht zu gewährleisten“, erläuterte er.
Die erste Sitzung der neuen Arbeitsgruppe erfolgte am 21. Oktober. Sie für die Überarbeitung des Verfassungsentwurfs zu bilden, hatte Alexander Lukaschenko am 28. September bei einer Sitzung der Verfassungskommission, der vorangegangenen Gruppe, die an dem Entwurf gearbeitet hatte, angewiesen. Während in der ersten Gruppe der Autoren Vertreter der Öffentlichkeit waren, so sind in der zweiten – Beamte, seine Mitstreiter: der Chef der Administration Igor Sergejenko, die Vorsitzende des Oberhauses des Parlaments Natalia Kotschanowa, der stellvertretende Staatssekretär des Sicherheitsrates Alexander Rachmanow, der Leiter des Apparats des Ministerrates Konstantin Burak, der Vorsitzende der Föderation der Gewerkschaften Michail Orda, der Alexander-Lukaschenko-Berater Alexander Kosinets sowie Alexander Radkow, der früher das Amt des Bildungsministers, des stellvertretenden Leiters der Präsidialadministration und der machttreuen gesellschaftlichen Vereinigung „Weiße Rus“ bekleidete. Juristen sind in der Gruppe durch die stellvertretende Vorsitzende des Verfassungsgerichts Natalia Karpowitsch und die Richterin Olga Sergejewa vertreten.
„Es ist unsere Sache, sich festzulegen und der Verfassungskommission und den Menschen Varianten für die künftige Verfassung zumindest hinsichtlich der Hauptmomente, die für die Leitung des Staates sehr wichtig sind, vorzuschlagen“, erläuterte Lukaschenko die Aufgaben der neuen Gruppe. Danach werde nach seinen Worten das Dokument die Verfassungskommission erneut behandeln. Und dann werde es zu einer „Volksaussprache“ gelangen, nach deren Abschluss eine Gruppe von Juristen „jede Zeile durchsieht und juristisch endgültig festschreiben wird“. In solch einer Gestalt werde es bereits zu einem Referendum vorgelegt, dass Ende Februar stattfinden soll.
Es sei daran erinnert, dass die Termine für die Ausarbeitung des endgültigen Entwurfs der Verfassung bereits mehrfach verschoben worden sind. Im Sommer war mitgeteilt worden, dass bereits zum 1. August ein Entwurf des Grundgesetzes auf den Tisch von Alexander Lukaschenko gelegt werde. Nach Verstreichen dieses Termins begann man, von Anfang September zu sprechen. Und schließlich fand die Tagung der Verfassungskommission, die zu einer abschließenden werden sollte, am 28. September statt. Jedoch ist keinerlei endgültiges Projekt aufgetaucht. Anstelle dessen erteilte Alexander Lukaschenko den Auftrag, eine neue Gruppe zu bilden, die das Dokument überarbeiten wird.
Die Tatsache, dass die Verfassung nicht Juristen ausarbeiten werden, sondern „Staatsbeamte und Leitungskader mit langer Berufserfahrung“ erklärte Lukaschenko damit, dass sie „tiefgründiger den Sinn der Umgestaltungen des Grundgesetzes, ihre Begründetheit und den perspektivischen Charakter hinsichtlich der Entwicklung unserer Staatlichkeit und des Schutzes unserer nationalen Interessen verstehen“.
Die Verfassungsreform hatte Alexander Lukaschenko im Jahr 2020 angekündigt. Dies war seine Antwort auf die Proteste im Land und eine Form zur Lösung der entstandenen politischen Krise. „Sie wollen Veränderungen. Sie werden Veränderungen bekommen. Sie wollen, dass ich abtrete. Ich werde gehen. Zuerst aber werden wir die Verfassung verändern, die auf mich zugeschnitten worden war“, hatte Lukaschenko erklärt. Nach seiner Meinung dürfe man dem neuen Präsidenten nicht so viele Vollmachten geben, wie er habe, da er sie missbrauchen könne. Auf die Notwendigkeit der Durchführung einer Verfassungsreform, nach der ein Machttransit folgen wird, hatte auch das Lukaschenko während den Protesten unterstützende Russland bestanden. Experten hatten damals hervorgehoben, dass es für Moskau prinzipiell wichtig sei, dass der Machtwechsel in Weißrussland nicht durch die Straße erfolge.
Allmählich (im Zuge der Niederschlagung der Proteste) begann sich auch das Interesse von Alexander Lukaschenko für eine Verfassungsänderung zu verringern, was durch das Ausbleiben dieses Themas auf der offiziellen Tagesordnung deutlich wurde. Experten sind der Auffassung, dass, wenn es nicht die Zusagen geben würde, die der russischen Führung gegeben worden waren, so hätte er sich auch ganz und gar von dieser Idee losgesagt.
Nunmehr vermuten Analytiker, dass die Verfassungsreform in Weißrussland doch stattfinden werde. „Der Prozess läuft, und ich denke, dass das geplante Referendum im Februar stattfindet und es in Weißrussland eine neue Verfassung geben wird“, sagte der „NG“ der Politologe Valerij Karbalewitsch. Nach seiner Meinung sei der Prozess der Ausarbeitung des Entwurfs für das Grundgesetz aufgrund dessen ausgebremst worden, dass sich Alexander Lukaschenko selbst noch nicht damit festgelegt hätte, welche Rolle in der neuen Machtkonfiguration ihm eingeräumt werde. „Einerseits gibt es zusagen sicherlich gewisse Verpflichtungen gegenüber Russland, wonach der Machttransit erforderlich ist. Andererseits möchte er nicht abtreten. Von daher diese endlosen Schwankungen. Einerseits möchte man eine starke Präsidentenmacht belassen, andererseits aber sie durch die Gesamtweißrussische Volksversammlung begrenzen. Wie man diese zwei Dilemmas unter einen Hut bekommen und die Organe zur Staatsführung wirklich nicht aus dem Gleichgewicht bringen kann, vermag er in keiner Weise zu lösen“, nimmt Valerij Karbalewitsch an. „Geben Sie mir etwas, ich weiß nicht was… Legen Sie mir solch ein System auf den Tisch, in dem es eine Präsidialrepublik gibt, aber auch ein System von zügelnden Mechanismen und Gegengewichten“, legt der Experte die mögliche Logik von Lukaschenko dar. „Die Sache ist die, dass es im klassischen Schema der Gewaltenteilung nach exekutiver, legislativer und Gerichtsgewalt keinen Platz für Lukaschenko gibt. Ja, und deshalb hat er sich noch ein Institut ausgedacht, dass ein einflussreiches wäre und den Präsidenten kontrolliert“, präzisierte der Gesprächspartner der „NG“.
Solch einen Standpunkt teilt auch der Direktor des Instituts für politische