Unabhängige Zeitung

Private Tageszeitung

Wenn „grünes Erdöl“ auf die Weltmärkte kommt


Die Moskauer Management-Schule „Skolkovo“ hat am 25.-26. März die Konferenz „Kohlenstoffarmer Dialog“ veranstaltet, die vom Zentrum für Energetik der Business-Schule organisiert wurde. Zum Hauptthema der Veranstaltung wurde die Reduzierung der Emissionen von Treibhausgasen durch die Unternehmen des weltweiten Öl- und Gassektors. Vertreter führender russischer und internationaler Unternehmen, russische Regulatoren, aber auch Vertreter von analytischen Zentren und Experten aus Russland und anderen Ländern diskutierten Strategien für eine Dekarbonisierung, die durch die Branchen-Akteure realisiert werden, aber auch marktwirtschaftliche und regulierende Voraussetzungen, die für eine Beschleunigung der Entwicklung einer kohlenstoffneutralen Wirtschaft erforderlich sind.

Aufmerksamkeit verdient, dass die Konferenz Andrej Scharonow eröffnete, der Präsident der Moskauer Management-Schule „Skolkovo“ und einst stellvertretender Minister Russlands für Wirtschaftsentwicklung und Handel. Natürlich, die Wahl des Datums für die Durchführung dieser Veranstaltung war keine zufällige. Bald stehen in der Staatsduma (das Unterhaus des russischen Parlaments – Anmerkung der Redaktion) die Erörterung und Annahme eines Gesetzesentwurfs des Ministeriums für Wirtschaftsentwicklung über die Einschränkung der Treibhausgas-Emissionen an. Und es ist kein Geheimnis, dass es unter den Abgeordneten viele Gegner zu dem gibt, besonders unter jenen, die mit der Industrie und Energiewirtschaft liiert sind. Möglicherweise waren deshalb auch in erster Linie „Kapitäne des russischen und ausländischen Business“ und nicht Ökologen nach „Skolkovo“ eingeladen worden.

Die zweitägige Serie von Veranstaltungen, die online erfolgte, hatte über 1000 Teilnehmer zusammengeführt. Bei den fünf thematischen Sessionen ergriffen über 40 Redner das Wort, unter denen der Vorsitzende und CEO des französischen Ölkonzerns Total, Patrick Pouyanné, der Präsident und CEO der Gruppe sowie Exekutivdirektor von Petronas (Malaysia), Tengku Muhammad Taufik, das Mitglied des LUKOIL-Aufsichtsrates Leonid Fedun, der 1. Stellvertreter des Vorsitzenden des Staatsduma-Ausschusses für Energiefragen, Valerij Selesnjow, die Direktorin des Zentrums für Energiewirtschaft der Business-Schule „Skolkovo“, Irina Gaida, und andere waren.

Ökologischer Trend

Die Teilnehmer haben einen wichtigen Trend hervorgehoben: Immer mehr Öl- und Gaskonzerne übernehmen Verpflichtungen zur Reduzierung der Emissionen von Treibhausgasen bis zum Jahr 2050. Dabei ist ein wichtiger Teil der langfristigen Strategien eines jeden Branchen-Akteurs der Einsatz von Wasserstoff und CCUS (Carbon capture and storage systems – Systeme zur CO₂-Abscheidung und -Speicherung zwecks dessen Verringerung in der Atmosphäre).

„Die Verringerung der Emissionen von Treibhausgasen im Öl- und Gassektor ist eine Frage, die zum Bereich der Gestaltung einer stabilen Zukunft gehört. Wir freuen uns, dass für die Erörterung dieses perspektivreichen und vom Wesen her uns alle betreffenden Themas gerade der Standort unserer Business-Schule ausgewählt wurde. Und wir halten diese Auswahl für eine natürliche unter Berücksichtigung dessen, dass die Mission von „Skolkovo“ gerade auch darin besteht, Menschen auszubilden, die in der Lage sind, sich sowie das Land und die Welt zu entwickeln“, sagte der Präsident der Moskauer Management-Schule „Skolkovo“ Andrej Scharonow.

Experten des Zentrums für Energiewirtschaft der Moskauer Management-Schule „Skolkovo2 haben im Verlauf des „Kohlenstoffarmen Dialogs“ auch zwei neue Untersuchungen vorgestellt. Die erste von ihnen – „Internationale Erfahrungen der Dekarbonisierung des Ölsektors“ – wurde durch das Zentrum mit Unterstützung der PAO „NOVATEK“ und der Assoziation „Erdöl-Beratungsform“ ausgearbeitet. In dem Dokument ist die Transformation des Brennstoff- und Energiekomplexes unter den Bedingungen des Trends zu einer Kohlenstoff-Neutralität analysiert worden. Die Autoren der Untersuchung betonen, dass es hinsichtlich der Frage nach einer Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen „keine Zaubertablette“ geben würde. Jedes Unternehmen setzt sein Set von Lösungen mit seinen einmaligen Vorzügen ein. Zur gleichen Zeit müssen die Unternehmen zwecks Beschleunigung der Dekarbonisierung in der Frage der wissenschaftlichen Forschungs- und Versuchs- sowie Konstruktionsarbeiten und der Venture-Investitionen kooperieren. Ein wichtiger Bestandteil der langfristigen Strategien zur Dekarbonisierung ist für alle Akteure der Öl- und Gasbranche der Einsatz von Wasserstoff und der CCUS-Technologien. „Die ist die Branche der Zukunft, die hinsichtlich der Maßstäbe mit dem Öl- und Gassektor heute vergleichbar ist“, meinen die Experten. Auf der Grundlage der Untersuchung wurden Empfehlungen für die Öl- und Gaskonzerne sowie die Regierung der Russischen Föderation ausgearbeitet.

Die zweite Untersuchung des Zentrums für Energiewirtschaft wurde mit dem Titel „Entwicklungsperspektiven der tertiären Methoden zur Erhöhung der Ölergiebigkeit (Erhöhung der Leistung von Ölbohrungen) in der Welt und in Russland“ überschrieben und betrifft den Einsatz moderner und technologisch komplizierter Verfahren zur Erhöhung der Ölausbeute, die unter anderem das Einpumpen von Kohlenwasserstoff in die höffige Schicht vorsehen. In dem Dokument wird betont, dass das Einpumpen dieses Gases in die höffige Schicht für eine Anhebung des Grades der Ölausbeute der ökologischen Tagesordnung entspricht. Und die Entwicklung dieser Technologie (die CO2-Methoden zur Erhöhung der Ölergiebigkeit) kann für die Öl- und Gas-Konzerne neue Gewinnquellen schaffen. Die Entwicklung dieser Technologie erfordert jedoch die Ausarbeitung fördernder regulierender Maßnahmen zur Unterstützung seitens des Staates.

„Der Öl- und Gassektor muss sich transformieren, um ein relevanter Teil des weltweiten Energiesystems zu bleiben. Dies erfordert aber eine Verstärkung der Zusammenarbeit in der Branche sowohl auf dem russischen als auch auf dem internationalen Markt. Der stattgefundene „Kohlenstoffarme Dialog“ ist ein großer und vereinigender Schritt für die Öl- und Gasindustrie“, betonte Irina Gaida, die Direktorin des Zentrums für Energiewirtschaft der Moskauer Management-Schule „Skolkovo“.

Als Co-Organisator des ersten Tages der Konferenz „Kohlenstoffarmer Dialog“ trat die Climate Governance Initiative Russia (ein Ableger des Weltwirtschaftsforums) auf, des zweiten Tages – das Petroleum Advisory Forum. Die Veranstaltung er sich fand mit Unterstützung der PAO „NOVATEK“ statt.

Am ersten Konferenztag verdiente die erste Podiumsdiskussion Beachtung, in deren Verlauf Probleme der Öl- und Gaskonzerne in der sich verändernden Welt diskutiert wurden. Einer der Hauptredner war Leonid Fedun. Er erkannte die Aktualität des aufgeworfenen Themas an und betonte, dass es noch vor drei Jahren in Russland praktisch ein unbekanntes und unpopuläres gewesen wäre. Jetzt verändere sich seiner Meinung nach direkt vor aller Augen die Haltung der Wirtschaft zu diesem Problem. Wie Fedun meint, wären in Russland Versuche zur Reduzierung der Emissionen von Treibhausgasen auch unternommen worden, bevor dieses Problem dank des Pariser Abkommens von 2015 zu einem der hauptsächlichsten wurde. So sei es in seinem Unternehmen innerhalb von zehn Jahren gelungen, durch eine Verwertung der anfallenden Ölgase von 75 bis auf 95 Prozent die Emissionen um 200 Millionen Tonnen Kohlendioxid zu verringern.

Die Leser seien daran erinnert, dass das anfallende Ölgas ein Gas ist, das in der Ölflüssigkeit aufgelöst ist. Es besteht unter anderem aus Methan. In der Vergangenheit wurde es bei der Ausbeutung der Ölfelder abgefackelt. Und da muss natürlich betont werden, dass seit der Zeit des Inkrafttretens des Regierungsbeschlusses „Über die Besonderheiten der Berechnung der Zahlungen für die Schadstoffemissionen“ im Jahr 2013, der durchschnittliche Prozentsatz der Verwertung des anfallenden Ölgases in Russland 95 Prozent ausmachte. Die Initiative der Weltbank für ein Null-Abfackeln des anfallenden Ölgases bis zum Jahr 2030 haben bereits rund 80 Öl- und Gaskonzerne der Welt unterstützt.

Was wichtig zu betonen sei, so Fedun, dass sein Unternehmen künftig beabsichtige Brennstoff mit einer gelöschten Karbon-Spur auf den Weltmarkt zu bringen. Anders gesagt: Es geht um „grünes Erdöl“ und „grüne Erdölprodukte“. Daher werde im Konzern, wie Fedun meint, Interesse an Programmen zur Kompensierung der Emissionen von Treibhausgasen bekundet.

Wie die weitere Diskussion zeigte, sind gerade die Programme zur Kompensierung der Emissionen von Treibhausgasen zum gegenwärtigen Zeitpunkt für den Öl- und Gas-Sektor ein entscheidendes Instrument zum Kampf gegen diese Emissionen. Wie versteht Fedun selbst die Kompensierung der Emissionen von Treibhausgasen? Aus seiner Sicht besitzt Russland einen erheblichen Waldbestand – etwa 80 Millionen Hektar. Dazu kommen 20 bis 30 Millionen Hektar aufgegebene Ackerflächen, auf denen man Karbon-Farmen entwickeln könne. Unter Karbon-Farmen wird etwas zwischen einem Forst- und einem Landwirtschaftsbetrieb verstanden. Anders gesagt, spezielle Wälder, deren Zweck in einer Aufnahme bzw. Absorbierung von Kohlendioxid besteht. Somit geht es darum, dass das durch die Erzeugnisse des Unternehmens erzeugte Kohlendioxid durch Wälder absorbiert wird.

Patrick Pouyanné ist der Meinung, dass die Menschheit vor zwei Imperativen stehe – der Reduzierung der Emissionen von Treibhausgasen und der Wahrung der Lebensqualität für Milliarden von Menschen auf unserem Planeten. Und letztes ist ohne ein Wirtschaftswachstum unmöglich. Laut Berechnungen von Spezialisten des Konzerns Total werde ein weiteres Wirtschaftswachstum zu einer Zunahme des Verbrauchs von primären Energieträgern führen. Und bis zum Jahr 2050 werde diese Zunahme 25 Prozent erreichen. Und Pouyanné erwartet dabei eine wesentliche Zunahme der Nachfrage nach Elektroenergie, deren Anteil in der Brennstoff- und Energiebilanz weiter zunehmen werde.

Der Total-Chef erwartet jedoch bis zum Jahr 2050 keine vollständige Ersetzung von Erdöl und Erdgas in der Brennstoff- und Energiebilanz. Daher hatte bereits im Mai vergangenen Jahres die Konzernführung beschlossen, Null-Emissionen von Treibhausgasen im ersten und zweiten Erfassungsbereich zu erreichen. Um diese Terminologie zu verstehen, muss man im Blick haben, dass die Wissenschaftler die Emissionen der Unternehmen in drei Erfassungsbereiche unterteilen.

Der erste Bereich sind die direkten Emissionen der Unternehmen bei der Produktion. Zum zweiten Bereich gehört der Energieverbrauch. Im letzten Fall ist es wichtig zu verstehen, aus welchen Quellen ein Unternehmen Energie erhält – von Kohlekraftwerken, von AKW, Wasserkraftwerken oder aus anderen Quellen. Der dritte Erfassungsbereich umfasst die gesamte Kette des Lebenszyklus einer Ware – angefangen beim Einkauf des Rohstoffs, der Zustellung, dem Verkauf, der Nutzung, der Verwertung usw. Anders gesagt: Dies sind Emissionen, die nicht direkt den Verursacher von Emissionen betreffen.

Es ist verständlich, dass sich das Unternehmen dabei nicht nur mit der Vervollkommnung der Förderung und des Transports solcher Energieträger wie Erdöl und Gas befassen wird, sondern auch mit der Entwicklung neuer Arten von Energieträgern, solcher wie Wasserstoff. Daher hat das Unternehmen Ende letzten Jahres den Namen geändert und nennt sich nun Total Energy, um seine Bereitschaft zu einer Diversifizierung zu unterstreichen.

Aus der Sicht des Moderators dieser Rundtischdiskussion – Mark Campanale aus der in London ansässigen Firma Carbon Tracker – müsse man für das Erreichen einer weltweiten Kohlenstoffneutralität die Förderung solcher primären Energieressourcen wie Erdöl und Gas um sechs Prozent im Jahr reduzieren. Die Vertreter der Öl- und Gaskonzerne würden dagegen aber planen, ihre Förderung um zwei Prozent im Jahr zu steigern. Es entstand der Eindruck, dass der britische Moderator wie im Übrigen auch viele Ökologen zu buchstäblich die Lösung des Problems einer Reduzierung der Emission verstehen.

Aus der Sicht des Exekutivmitglieds des LUKOIL-Direktorenrates Leonid Fedun sei es der Atmosphäre egal, welche Energie erzeugt werde – auf der Basis von Elektrizität, Solar- oder Windkraftwerken, Stromkraftwerken oder durch das Verbrennen von Erdöl und Gas, aber mit einer Kompensierung der Emissionen durch deren Erfassung und Verwertung oder durch die Entwicklung der Forstwirtschaft, die über Möglichkeiten für ein Absorbieren von CO2 verfügt. Aus seiner Sicht sei nicht eines der existierenden Szenarios für ein Erreichen der Ziele des Pariser Klima-Abkommens – der Zügelung des Ansteigens der globalen Durchschnittstemperatur um weniger als zwei Grad Celsius ohne Systeme für eine Erfassung von CO2 und dessen Absorption — realisierbar. Daher spricht Fedun davon, dass Russland, das das gleiche Ziel wie auch die ausländischen Öl- und Gaskonzerne hinsichtlich der Klima-Neutralität habe, dennoch dafür einen etwas anderen Weg beschreite.

In dieser Hinsicht unterstützte auf bestimmte Weise Vicki Hollub, Präsidentin und CEO von Occidental Petroleum (USA), Fedun. Sie stimmte zu, dass man dank dem Mechanismus zur Kompensierung durchaus „grünes Erdöl“ erzeugen könne.

Der traditionelle Weg der EU

Aus der Sicht von Patrick Pouyanné beschreite derzeit der französische Konzern Total Energy den traditionellen Weg, der durch viele europäische Unternehmen gleichen Profils gewählt wurde. Anders gesagt: Das Unternehmen erhöht bei seiner Energieerzeugung den Anteil der erneuerbaren Energiequellen und verringert dadurch den Umfang an Emissionen. Das Erdöl werde in den nächsten zehn Jahren in der Unternehmensbilanz seinen Anteil von derzeit 65 Prozent bis auf 35 Prozent reduzieren. Hinsichtlich der Zukunft des Erdgases wird jedoch seine Meinung von der gestellten Aufgabe – einer Substituierung der Stromerzeugung auf der Basis von Kohle – bestimmt. Er hält Erdgas für sauberer als die anderen Arten von fossilen Brennstoffen und für flexibler beim Einsatz. Damit erklärt er die Aktivität seines Unternehmens in Russland, insbesondere auf dem Gebiet der Erzeugung von verflüssigtem Erdgas (LNG). Auf der Jamal-Halbinsel gibt es gigantische Erdgasvorräte, meint Pouyanné. Und im Falle einer erfolgreichen Nutzung von Technologien zur CO2-Erfassung auf Jamal werde man dort im Weiteren auch ein Wasserstoff-Business entwickeln können.

Nach Meinung von Tengku Taufik sei für sein malaysisches Unternehmen Petronas eine Zukunft mit Null-Emissionen nicht das gleiche wie eine Zukunft ohne eine Energiewirtschaft auf der Basis fossiler Brennstoffe. Und sein Konzern, der sich mit der Lösung des Problems der Null-Emissionen befasse, beabsichtige nicht, auf fossile Brennstoffe zu verzichten. Dies hänge mit den Bedürfnissen der Menschheit zusammen. In den letzten 20 Jahren musste seinen Worten zufolge das Unternehmen 1,2 Milliarden Menschen mit Energieressourcen versorgen. Im Zuge der Urbanisierung der Welt werde dieser Bedarf an Energieressourcen zunehmen. Die Welt der Zukunft werde keine Welt ohne fossile Brennstoffe sein. Er ist der Auffassung, dass die Kohle aus der Brennstoff- und Energiebilanz verschwinden werde. Aber bis zum Jahr 2040 würden dennoch über 50 Prozent des Verbrauchs an Energieressourcen auf Erdöl und Gas entfallen. Und es gebe keinerlei Szenario für die Zukunft, das einen einzigen Weg zu einer Welt mit Null-Emissionen vorsehen würde. Auf dem Weg zu dieser Welt werde das Erdgas eine sehr wichtige Quelle der Stabilität für die Systeme der Energieversorgung sein, in denen die erneuerbaren Energiequellen mit der für sie charakteristischen Diskontinuität der Energieversorgung eine wichtigere Rolle als die Kraftwerke auf der Basis anderer Energieträger spielen werden. Natürlich würden sich nach seiner Meinung die preisbedingten Beziehungen zwischen den unterschiedlichen Brennstoffarten verändern.

Die letzte durch den Moderator aufgeworfene Frage war eine Frage, die das Problem „Task Force on Climate-related Financial Disclosures“ (TCFD) betraf. Dies ist eine globale von der Industrie geführte Initiative zur Unternehmensberichterstattung bzgl. klimabezogener finanzieller Chancen und Risiken, die durch den Finanzstabilitätsrat (Financial Stability Board, FSB) als ein internationales Gremium, das die Arbeiten zur Aufsicht und Regulierung der internationalen Finanzmärkte koordiniert und fördert, von der G20 etabliert wurde. Es ging um die finanziellen Risiko-Bewertungen, da gerade dies den Akteuren des Marktes – in diesem Fall den Öl- und Gas-Konzernen – erlaubt, ausgewogene Entscheidungen über eine Verteilung des Kapitals zu treffen.

Interessant ist in dieser Hinsicht die Antwort Feduns. Wie er betonte, interessiere sich die Investoren-Gemeinschaft für die realen Probleme und brauche daher reale Pläne. Was seiner Meinung nach aufhorchen lasse, sei dies, dass eine Reduzierung der CO2-Emissionen keine parallele Verringerung der Gewinnung fossiler Brennstoffarten bedeute. Diesbezüglich rief er zur Entwicklung von Kompensierungsmaßnahmen und zu einer Darstellung der Tätigkeit der Unternehmen – unter anderem der finanziellen – in dieser Richtung auf.

Irina Gaida unterstrich eine generelle Tendenz, die mit dem Interesse einer Offenlegung der Angaben der Finanztätigkeit der Unternehmen auf dem Gebiet des Klimas nicht nur seitens der Aufsichtsgremien-Regulatoren, wie dies früher der Fall war, sondern auch seitens der Investoren-Gemeinschaft im Zusammenhang steht. Anders gesagt: Die Investoren beginne die Tätigkeit der Öl- und Gaskonzerne zum Klimaschutz zu interessieren.

Systeme zur CO₂-Abscheidung und -Speicherung und die Kosten einer Tonne Kohlendioxid

Bekanntlich besitzt die Frage nach dem Preis einer Tonne Kohlendioxid eine erhebliche Anzahl von Varianten. Mit Stand vom 1. Mai des Jahres 2019 galten in der Welt 25 Schemas zur Besteuerung der Emissionen von Treibhausgaben und 26 Schemas für einen Handel mit ihnen. Bei der nunmehrigen Rundtischdiskussion in „Skolkovo“ wurde vorgeschlagen, sich das Problem einer derartigen Preisbildung aus der Sicht der Systeme zur CO₂-Abscheidung und -Speicherung (CCSS-Technologien) anzuschauen. Dabei ergibt sich aber die Frage: Wie attraktiv ist für die privaten Öl- und Gaskonzerne die Schaffung von Systemen zur Erfassung bzw. Abscheidung von Kohlendioxid und dessen Speicherung?

Alles hängt vom Verbraucher ab. Patrick Pouyanné ist der Annahme: Es sei nicht richtig, die Auffassung zu vertreten, dass sich die Energie-Welt nach dem Jahr 2050 vollkommen nur auf erneuerbaren Energiequellen und Erdgas stützen werde. Und alle Klima-Szenarios des Jahres 2050 – sei es die bezüglich der Verringerung der globalen Temperatur um 1,5 oder 2 °C – würden ein Vorhandensein von 40 bis 50 Millionen Barrel Erdöl am Tag vorsehen. Dies sei die Hälfte dessen, was heute gewonnen bzw. gefördert wird. Aber dies seien nicht null Barrel. Daher werde es in der Energie-Welt nach dem Jahr 2050 auch Systeme zur CO₂-Abscheidung und -Speicherung geben.

Er ist der Auffassung, dass der Erzeuger von Energieressourcen die Stimme des Verbrauchers erhören müsse. Und wenn der Verbraucher ein kohlenstoffneutrales Erdöl brauche, so werde er augenscheinlich auch bereit sein, dafür zu zahlen. Schon lange laufen die politischen Debatten zu dem Thema, dass die Transformation ein bemerkenswertes Ding sei. Aber sie würde nicht von allein geschehen. Irgendwer müsse dafür zahlen.

Stabilität ohne eine kommerzielle Preisbildung gibt es nicht (wobei in diesem Kontext eine stabile und nachhaltige Entwicklung als ein Prozess wirtschaftlicher und sozialer Veränderungen verstanden wird, bei dem die Naturressourcen, der Einsatz von Investitionen, die Ausrichtung der wissenschaftlich-technischen Entwicklung, die Entwicklung der Persönlichkeit und der institutionellen Veränderungen miteinander abgestimmt sind). Und die Öl- und Gaskonzerne sind keine karitativen Organisationen. Und da muss irgendein System zur Preisbildung für den Kohlenstoff, genauer gesagt: das Kohledioxid, entstehen, dass mit dessen Abscheidung/Auffangen und Speicherung zusammenhängt. Es kann wie Steuern oder irgendwie anders aussehen. Für den Erhalt eines kohlenstoffneutralen Planeten muss man Mittel dazu finden. Schließlich wird die Frage danach, wieviel wird eine Tonne Kohlendioxid kosten, vom Verbraucher abhängen, von der Dimension der Nachfrage nach kohlenstoffaufwendigen Erzeugnissen. Derzeit bezahlt man in Europa 55 Dollar für eine Tonne Kohlendioxid mit einer Tendenz zur weiteren Erhöhung.