Der Pressesekretär des russischen Präsidenten, Dmitrij Peskow, hat in einem Gespräch mit Journalisten erklärt, dass es „zum gegenwärtigen Moment“ keinerlei Voraussetzungen für Friedensgespräche mit der Ukraine gebe. Er teilte gleichfalls mit, dass Indiens Premierminister Narendra Modi Moskau keinerlei Pläne für eine Regulierung des Konflikts vorgeschlagen hätte. Modi weilte im Juli in Moskau, und Ende vergangener Woche – in Kiew, wonach er es geschafft hat, wie gemeldet wird, mit Wladimir Putin zu telefonieren. Der indische Kabinettschef sprach während der Reisen davon, dass der Ausgang des Konflikts nicht auf dem Schlachtfeld gelöst werde, und er deklarierte ein Festhalten Delhis an einer friedlichen Lösung und dessen Bereitschaft, an der Aussöhnung der Seiten teilzunehmen. Doch von Modi hatte wohl auch keiner irgendeinen konkreten Plan erwartet.
Bei der Begegnung mit dem indischen Premier hatte sich der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij kritisch über den chinesischen Friedensplan geäußert. Er erklärte, dass dies überhaupt kein Plan sei, sondern ein politisches Statement und der Versuch zu zeigen, dass Peking den Konflikt nicht vergesse. Nach Aussagen Selenskijs sei die Ukraine an „konkrete und ehrliche Vorschläge“ interessiert. Kiew selbst hat bereits im Sommer bei einem Sondergipfel in der Schweiz seine Vorschläge vorgelegt. Zu einem zweiten Summit schicken sich die ukrainischen Offiziellen an, Vertreter Russlands einzuladen. Dmitrij Peskow antwortete diesbezüglich, dass die Russische Föderation für eine Teilnahme an solch einer Veranstaltung eine konkrete Agenda brauche, die ihr recht sei. Sie sei aber vorerst nirgends formuliert worden.
Im Großen und Ganzen verwandelt sich das ganze Gerede über eine friedliche Lösung des Konflikts in einen Wettlauf in einem Kreis. Alles steht und fällt mit der Tagesordnung, sowohl für Moskau als auch für Kiew, der sie nicht zustimmen wollen. Was aber einen theoretischen Friedensplan angeht, so kann jegliche Deklaration nicht als ein solcher angesehen werden. Ein Plan bedeutet eine Abfolge von Handlungen. Und derjenige, der solch eine Abfolge vorschlägt, übernimmt definitiv die Verantwortung auch für die Erfüllung von Bedingungen, für ein Überzeugen der Konfliktseiten, für ein Monitoring ihrer Handlungen.
Diese Rolle passt eher einem Staat, der sich auf der geopolitischen Landkarte gern markanter bzw. auffälliger machen möchte und seine Ambitionen durchsetzen will. So etwas kann man wohl kaum über China oder Indien sagen. Sie sind vollwertige und bedeutsame Akteure in der Weltwirtschaft und internationalen Politik. Sie sind in globale Prozesse involviert. Und es versteht sich, dass der russisch-ukrainische Konflikt ihre Interessen tangiert. Aber Peking und Delhi haben ganz bestimmt Zeit, um ihre Rolle abzuschätzen und das Format für eine Teilnahme an dem Prozess für eine Konfliktregelung zu bewerten. Sie sind nicht direkt in den Konflikt involviert. Sie unterstützen niemanden deklarativ, liefern keine Waffen und brechen keine Verbindungen ab. Können sie die Rolle eines Garanten für gewisse Vereinigungen spielen? Vielleicht. Aber nur dann, wenn dies feste und ausgewogene Vereinbarungen sind.
Alle Friedensstifter und Autoren von Plänen für eine Konfliktregelung gehen vorerst von theoretischen Vorstellungen und Abstraktionen aus. Wahrscheinlich ist dies wirklich eine Methode, um konkreten Aussagen auszuweichen, seine Beteiligung zu markieren, aber keine unnötige Verantwortung zu übernehmen. Die Konfliktseiten haben sich in den Monaten der Kämpfe in keiner Weise hinsichtlich der Hauptfrage – der territorialen – angenähert. Sie haben unterschiedliche und dabei gesetzgeberisch fixierte Vorstellungen darüber, wo entsprechend einer Gerechtigkeit die Staatsgrenze verlaufen sollte.
Der Begriff „Realitäten am Boden“ wurde zu einem entscheidenden. Wenn er angesprochen wird, rückt ein Kompromiss in den Hintergrund. Beide Seiten versuchen bei jeder beliebigen Möglichkeit, diese Realitäten zu verbessern, damit sie dann hypothetische Verhandlungen als eine neue Gegebenheit festhalten können. Gerade deshalb marschierten Einheiten der ukrainischen Streitkräfte in das Verwaltungsgebiet Kursk ein. Und daher geht die Sonderoperation der russischen Streitkräfte weiter. Es gibt nicht einmal ein theoretisches Datum für einen Beginn von Verhandlungen. Jeder Schritt des Gegners führt zu Deklarationen über eine Unzulässigkeit von Friedenskontakten. Daher kann man die Bedingungen, mit denen sich die Seiten an den Verhandlungstisch setzen wollen, endlos lang ändern. Unter solchen sich ändernden „Realitäten“ ist ein konkreter Friedensplan wohl kaum möglich.