Unabhängige Zeitung

Private Tageszeitung

Westliche Verbündete wollen sich mit der ukrainischen Gegenoffensive sputen


 

 

Natalia Prichodko

 

In Washington hat man die Absicht der USA signalisiert, die Lieferungen von Abrams-Panzern und Patriot-Luftabwehrsystemen für Kiew zu beschleunigen. Und in London deutete Großbritanniens Vizeverteidigungsministerin, Baroness Annabel Goldie, die Möglichkeit einer Übergabe panzerbrechender Munition mit abgereichertem Uran an. Die westlichen Partner würden sich beeilen, die Ukraine mit neuen Waffen vor der (möglichen) letzten entscheidenden Schlacht vor dem Hintergrund der Veränderung des Kräfteverhältnisses an der Front, aber auch in der internationalen Arena im Zusammenhang mit dem Umreißen von Chinas Position zur strategischen Partnerschaft mit der Russischen Föderation zu verstärken, erläuterten Experten. Wobei sie unter solchen Bedingungen von den ukrainischen Streitkräften verlangen könnten, sich auch mit den Terminen für die versprochene Gegenoffensive zu beeilen.

In den nächsten Wochen könnten die russischen Truppen den Versuch unternehmen, eine neue Offensive beginnen, wahrscheinlich gleich in mehreren Richtungen, erklärte John Kirby, Koordinator für strategische Kommunikation des Nationalen Sicherheitsrates im Weißen Haus, in einem CNN-Interview. Dies werde eine kritische Zeit im Militärkonflikt mit der Russischen Föderation sein. Und daher sei es für Washington wichtig, dass sich die Ukraine verteidigen könne, sagte Kirby.

Es sei daran erinnert: Den ganzen zu Ende gehenden Winter traten unterschiedliche Vertreter der Vereinigten Staaten regelmäßig mit Überlegungen über eine anstehende Offensive der russischen Militärs und darüber, ob ihnen dieses Mal der traditionelle Verbündete – „General Frost“ – helfen werde, auf. Und wie Alexej Leonkow, Chefredakteur der Zeitschrift „Arsenal des Vaterlandes“, der „NG“ erläuterte, hätten solche in Umlauf gebrachte Informationen darauf abgezielt, dass man in Moskau endlich antwortet, wann man plane, eine Offensive zu starten. „Wir werden aber nichts beantworten. Der Überraschungsfaktor ist einer der Unterpfände für den Erfolg, der die Möglichkeiten für die Absicherung der strategischen Initiative erweitert“, meinte Leonkow. Nach seinen Worten fördere die generelle Verbesserung der Situation ebenfalls die Veränderung des Kräfteverhältnisses an der Front und in der internationalen Arena als Folge des Deutlich-machens von Chinas Streben nach einer strategischen Partnerschaft mit der Russischen Föderation. Dies erfolgte im am Mittwochmorgen zu Ende gegangenen Moskau-Staatsbesuchs von Chinas Staatsoberhaupt Xi Jinping. In diesem Zusammenhang hatte sich auch ein Bericht über die Lage der Dinge in der Zone der Kampfhandlungen als bemerkenswert erwiesen, den Analytiker des amerikanischen Institutes für das Studium des Krieges (ISW) vorgelegt hatten. Wie in ihm betont wurde, hätten die russischen Militärs gewisse Erfolge im Raum der Stadt Bachmut (in der russischen Schreibweise „Artjomowsk“) in der Donezker Richtung und in ihrer Umgebung erzielt und zur gleichen Zeit das Tempo der Offensive im Gebiet von Awdejewka erhöht. Was möglicherweise ein fehlerhafter Versuch sei, ukrainische Einheiten von anderen Frontabschnitten abzuziehen, wie die ISW-Analytiker einräumten. Und sie resümierten: „Möglich bleibt, dass die russische Offensive die Ukraine veranlassen kann, aus Bachmut und/oder Awdejewka zu gehen, obgleich dies bisher nicht als wahrscheinlich erscheint“.

Unter derartigen Umständen gestand der Ex-Stellvertreter des Generalstabschefs der ukrainischen Streitkräfte, Generalleutnant Igor Romanenko, der die spektakuläre Erklärung von Tschechiens Präsidenten Petr Pavel kommentierte, wonach die Ukraine nur im laufenden Jahr eine Chance für eine erfolgreiche Gegenoffensive hätte, ein, dass es für solch eine Schlussfolgerung objektive Gründe gebe. „Es besteht eine generelle Müdigkeit durch diesen Krieg – bei allen“, präzisierte Romanenko in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview. Dennoch bekundete er die Gewissheit, dass die Gegenoffensive erfolgen werde. „Tatsächlich wird es möglicherweise schon nicht gelingen werden, sich später so großangelegt wie in diesem Jahr vorzubereiten. Daher muss man sich mit weniger Möglichkeiten vorbereiten und nur mit dem eigenen Militär-Industriekomplex usw. rechnen“, fügte der General hinzu.

Es sei betont, dass die Ukraine nur einen Versuch für die Durchführung einer großen Gegenoffensive hat, da es, wenn sie nicht gelingt, „außerordentlich schwierig werden wird, Mittel für die nächste zu finden“ erklärte Präsident Pavel am 20. März gegenüber Journalisten. Dabei würden nach seinen Worten die ausgewiesenen Schwierigkeiten mit einem Erschöpfen der Menschenreserven und Reserven an Technik der ukrainischen Seite, aber auch mit der Vernichtung ihrer Infrastruktur durch die russischen Militärs und die Ermüdung der Staaten, die Kiew Hilfe gewähren, zusammenhängen. Freilich hatte bereits früher Jurij Knutow, ein russischer Militärexperte und Direktor der Luftabwehrtruppen Russlands, in einem Kommentar für die „NG“ gewarnt, dass die erklärte Gegenoffensive für die ukrainischen Streitkräfte zur letzten Generalschlacht werden könne. „Es kommt das Begreifen auf: Die ukrainischen Militärs haben noch eine Chance, den Versuch zu unternehmen, einen Schlag in der gegenwärtigen Kampagne zu führen, um die Grenzen vom 24. Februar des vergangenen Jahres oder gar von 1991 zu erreichen, wie sie versprochen hatten. Aber ihnen werden schon keine Kräfte für irgendwelche weiteren Kampfhandlungen bleiben“, argumentierte Knutow.

Für Kiew sei dies wirklich die letzte und entschiedene Schlacht, da sich die generelle Lage zu verändern begonnen habe, präzisierte seinerseits Alexej Leonkow. Und obgleich man annehmen könne, fügte er hinzu, dass in einer neuen Wahnsinnsattacke viele Ukrainer ums Leben kommen werden, würden ihre vorausgesagten Ziele nicht erreicht werden. Es sei aber gleichfalls nicht ausgeschlossen, dass die Ukraine weiter selbst alles auslöffeln müsse. Man müsse begreifen, dass, wenn man eben in jenen USA sagt, dass man Kiew unterstützen werde, wie erforderlich sei, dies alles zu jeglichem Zeitpunkt aufhören könne. Bisher aber würden die westlichen Verbündeten augenscheinlich beabsichtigen, alles Zugesagte zu investieren. Und mehr noch, sie hätten sogar sich zu sputen begonnen und würden sich jetzt beeilen, kurzfristig die neue Partie von militärischer Hilfe über eine Milliarde Dollar zu aktivieren, um kurzfristige Waffenlieferungen an Kiew vorzunehmen. Und während früher beispielsweise die Gegenoffensive im Mai oder am Sommeranfang angenommen worden war, so bemühe man sich augenscheinlich jetzt, sie so früh wie möglich zu beginnen, um den Moment auszunutzen, resümierte der Chefredakteur der Zeitschrift „Arsenal des Vaterlands“. Nach seiner Meinung seien zu einem Beleg für die zu Tage getretene Eile die Erklärungen Washingtons über eine Beschleunigung der Lieferung von Abrams-Panzern und Patriot-Luftabwehrsystemen für Kiew geworden.

Derweil würden die USA jetzt daran arbeiten, wie John Kirby im eingangs erwähnten CNN-Interview erklärte, schneller die Abrams-Panzer für die Ukraine zu liefern als erwartet wurde. Wobei er die Termine nicht konkretisierte. Zuvor hatte man in Washington deutlich gemacht, dass man die Panzer in etwa einem Jahr liefern könne. Bezeichnend ist, dass eine analoge Mitteilung bereits hinsichtlich der Patriot-Luftabwehrsysteme, die gleichfalls schneller auf dem ukrainischen Territorium disloziert werden sollen als ursprünglich geplant worden war, vom Pentagon verbreitet wurde. Wie man dort Journalisten erläuterte, würden die ukrainischen Militärs die Ausbildung hinsichtlich des Umgangs mit diesen Systemen bereits in den nächsten in den Vereinigten Staaten abschließen.

In Großbritannien erklärte inzwischen Vizeverteidigungsministerin Annabel Goldie, dass der Ukraine panzerbrechende Munition mit abgereichertem Uran geliefert werden könnte. Wie man im britischen Verteidigungsministerium berichtete, seien solche Geschosse für eine Vernichtung moderner Panzer und gepanzerter Technik hocheffektiv. Dabei hätten wissenschaftliche Untersuchungen gezeigt, dass die Einwirkung auf die Gesundheit der Menschen und auf die Umwelt durch ihren Einsatz „wahrscheinlich eine geringe ist“.

In Moskau läuft man derweil Sturm gegen den möglichen Einsatz solcher Munition. Russlands Außenminister Sergej Lawrow erklärte, dass die Verwendung solcher Geschosse zu einem Schritt „zu einer weiteren qualitativen und ernsthaften Forcierung der Eskalierung“ werde, worauf Moskau zu reagieren gezwungen sein werde, was Kremlchef Putin bereits am Dienstag nach den Gesprächen mit Xi Jinping angedeutet hatte. Unter anderem „wird die Verwendung von Munition mit abgereichertem Uran die Möglichkeiten der Ukraine, qualitätsgerechte und nichtverseuchte Lebensmittel zu produzieren, drastisch verringern“, erklärte Lawrow am Mittwoch.