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Wie müssen sich die Parteien nach dem Prigoschin-Aufstand verhalten?


Nach dem Prigoschin-Aufstand („Marsch der Gerechtigkeit“) hat sich für die russischen Parlamentsparteien die Frage ergeben: Was tun? Der Gründer der privaten Militärfirma „Wagner“ hatte sich rasant in eine Figur mit politischen Ambitionen verwandelt, das heißt: Er suchte, Einfluss auf die Herrschenden zu erlangen. Um die „Wagner“-Leute hatte sich ein Proto-Elektorat aus den sogenannten „erzürnten Patrioten“ herausgebildet. Ihr potenzielles politisches Programm hätte sich rund um die militärische Sonderoperation formiert: Die Sonderoperation (die am Samstag ihren 500. Tag erleben wird) müsse erfolgreich beendet werden. Und die Söldnerfirma „Wagner“ wisse, wie dies zu tun sei, wenn man absetzen und wen man ernennen müsse. Zusammen mit der Einfachheit der Losungen und dem konkreten Charakter der Symbolik (ein schwerer Vorschlaghammer) hatte dies ein Projekt hervorgebracht, dass die agierenden Parteien ins Kalkül ziehen mussten.

Jetzt müssen die legalen Beteiligten des politischen Spiels begreifen, wie sich die Situation entwickeln wird. Sie brauchen unter anderem eine progressive und kompetente Soziologie. Und es ist keine Tatsache, dass es in Russland gelingen wird, solche eine Untersuchung durchzuführen. Es ist wichtig, beispielsweise zu begreifen, inwieweit die angenommene elektorale Gruppe der „erzürnten Patrioten“ mit der Person von Jewgenij Prigoschin an sich verbunden ist. Kann sie existieren, nachdem man den Gründer der Söldnerfirma „Wagner“ von der politischen Bühne verdrängte? In welchem Maße ist sie durch ihn gestaltet worden?

Wenn Prigoschin einen gewissen gesellschaftlichen Trend erfasste und beschlossen hat, auf dieser Welle Oberwasser zu bekommen, so können die Parteien dies theoretisch auch selbst ausnutzen. Beispielsweise sind die Mitglieder der Partei „Gerechtes Russland – Für die Wahrheit“, deren Chef Sergej Mironow sich mit einem schweren Vorschlaghammer in den Händen fotografieren ließ, scheinbar bereit, auch weiterhin die einfachen „Wagner“-Kämpfer zu unterstützen (wie auch andere Veteranen der Kampfhandlungen), wobei sie sich von „zweifelhaften Persönlichkeiten“ distanzieren. In diesem sehen viele den Versuch, das Gesicht zu wahren. Schließlich hätte „Gerechtes Russland – Für die Wahrheit“ beinahe eine Allianz mit der Söldnerfirma abgeschlossen entschlossener als die anderen Akteure gehandelt. Wahrscheinlich liegt aber die Ursache gerade in der Unbestimmtheit des politischen Erbes von Prigoschin. Man kann die Auffassung vertreten, dass der Aufstand eine Radikalisierung gewesen sei, zu der die „erzürnten Patrioten“ überhaupt nicht bereit gewesen waren. Das heißt, man hatte sie betrogen. Und da sind die Spiele mit seinem Erbe für jegliche Duma-Partei sehr gefährlich.

Es macht Sinn hervorzuheben, dass laut Angaben des kremlnahen Allrussischen Meinungsforschungszentrums VTsIOM die Spiele mit den „Musikern“ den Vertretern von „Gerechtes Russland“ keine politischen Punkte eingebracht hatten. Sowohl im April als auch im Mai und im Juni waren sie auf etwas mehr als fünf Prozent gekommen, das heißt, sie hätten den Einzug in die Duma geschafft, aber ohne Sensationen, ohne eine Änderung der Mandate und des Status einer zweiten Partei. Es hätte so aussehen können, dass die Mironow-Partei eine ideologische Basis für ein Bündnis mit den „Wagner“-Vertretern hätte, und zwar die Anhänger von „Für die Wahrheit“ von Sachar Prilepin, mit dem die Vertreter von „Gerechtes Russland“ im Jahr 2021 in die Duma eingezogen waren. „Für die Wahrheit“ ist ein konservativ-postimperiales Projekt. „Gerechtes Russland“ hätte aber zu einem Aggregator ultrapatriotischer Bewegungen werden können. Dafür war aber Zeit erforderlich gewesen.

Für die Kommunisten und die LDPR ist es einfacher. Sie hatten sich nicht Prigoschin angenähert. Die Partei von Leonid Sluzkij hatte sich auch eher ganz und gar von ihm distanziert. Für sie ist es leichter, jetzt Loyalität gegenüber den Herrschenden zu demonstrieren, Schritte zu durchdenken und das elektorale Feld zu analysieren. Laut VTsIOM-Umfrage war das Rating dieser Parteien auch nicht spürbar ins Wanken geraten.

Bemerkenswert ist der Fall der „Neuen Leute. Als eine Partei scheinen sie überhaupt nicht zu versuchen, mit dem patriotischen Narrativ der Konkurrenten zu wetteifern und sich in einer neuen Realität zu suchen. Der polittechnologische Plan, von dem ihr Einzug in die Duma ein Teil gewesen war, wie es den Anschein erwecken konnte, wurde zu einem sinnlosen nach Beginn der militärischen Sonderoperation. Verändert haben sich die Realitäten. Die Herrschenden hatten schon keine Zeit mehr für eine Umgestaltung des Parlaments. Heutzutage bemühen sich die „Neuen Leute“ einfach, sich auf kein politisches Risiko einzulassen. Das Thema der militärischen Sonderoperation ist ein riskantes. Die Mängel in Gestalt des Putschversuches sind ersichtlich. Wahrscheinlich geht die Partei davon aus, dass bei jeglichen der kommenden Wahlen der Ausgang erneut von Polittechnologien und dem Willen der Herrschenden bestimmt wird. Dies bedeutet, dass es jetzt wichtig ist, sich nicht zu diskreditieren, sondern – im Gegenteil – zu demonstrieren, dass du gemäß den Regeln spielst und das bisherige Paradigma befolgst.