Der Prozess der Finanzialisierung, der in den letzten Jahren die Weltmärkte erfasst hat, hat zu einer Transformation der Rohstoffmärkte zu Finanzmärkten geführt. An den Börsen wird immer häufiger ein Preis für Rohstoff-Aktive bestimmt. Die Umfänge der Operationen mit Erdöl-Futures übersteigen um ein Vielfaches den Handelsumsatz auf dem Spot-Markt für physisch vorhandenes Erdöl, wo die Öllieferungen aus Saudi-Arabien und Russland dominieren. Der Zustand des Marktes für reales Erdöl und der des Marktes der Öl-Futures beeinflussen sich vom Wesen her nicht einander. Das Öl auf dem Spotmarkt kann im Preis fallen, während dagegen das der Futures teurer wird. In den Future-Verträgen finden die Zukunftserwartungen der Handelsakteure ihren Niederschlag. Die Unterzeichnung von Future-Verträgen garantiert den Händlern eine Nachfrage hinsichtlich der Preise, die nicht von äußeren Faktoren abhängen.
Die Rolle der „Fed“ der USA bei der Bestimmung der Öl-Notierungen
Als Regulator der Operationen mit Erdöl auf dem Papier (Futures – Anmerkung der Redaktion) tritt das Federal Reserve System der USA (die Zentralbank der Vereinigten Staaten, die die Aufsicht über monetäre und finanzielle Stabilität hat – Anmerkung der Redaktion) auf. Von der Bewegung seines Leitzinses hängt die Dynamik der Öl-Notierungen ab. Bei einer Anhebung des Leitzinses durch die „Fed“ fallen die Ölpreise, bei einer Verringerung – steigen sie. Bei einer aufsteigenden Bewegung der Öl-Notierungen gewinnen die USA auf dem internationalen Markt der Öl-Futures. Die Preise für das tatsächlich gehandelte Öl und das auf dem Papier vorhandene werden in US-Dollar festgelegt, deren Emission das Federal Reserve System vornimmt. Die Zunahme des Umfangs der Geschäftsabschlüsse auf dem Papier auf dem Ölmarkt sind ein Ergebnis des Wachstums der Dollar-Liquidität, der Vergrößerung des Cash Flows der amerikanischen institutionalisierten Investoren. Von daher ist auch die Zunahme der Abhängigkeit des Ölmarktes von der Kursdynamik des US-Dollars verständlich. Bei einer Stärkung des Kurses des amerikanischen Dollars erfolgt eine Verringerung des realen Wertes das in ihm nominierten Erdöls und umgekehrt. Der US-Dollar nimmt dominierende Stellungen auf dem Öl-Markt als ein Instrument der globalen Handelszahlungen ein. Der Parameter für den Anteil des US-amerikanischen Dollars an den Öl-Geschäftsabschlüssen übersteigt alljährlich den Anteil aller übrigen Währungen.
Die Verwandlung des Erdöls aus einer gewöhnlichen physischen Ware in ein Börseninstrument hat den Charakter des Einflusses des US-Dollars auf die Öl-Notierungen verändert. Die Entwicklung des Börsen-Spot-Handels und das Starten von Futures für Rohöl haben die Positionen des US-Dollars gestärkt. Bei einer realen oder zu erwartenden Erhöhung seines Kurses angesichts der möglichen Änderung des Leitzinses der „Fed“ wird die Nachfrage nach Öl-Futures zunehmen, wobei dies zu einem Anstieg der Preise für real gehandeltes bzw. existierendes Erdöl führt.
Gegenwärtig büßen solche klassischen Faktoren wie die Nachfrage und das Angebot ihren Einfluss auf die Preisbildung auf dem internationalen Ölmarkt. Als Faktoren, die die Ausgestaltung der Trend-Bewegungen der Öl-Notierungen bestimmen, wirken immer häufiger die monetären Instrumente des Federal Reserve Systems der USA. Der Preis für Erdöl wird immer mehr zu einem von der physischen Ware losgelösten und an die Finanzinstrumente gekoppelter. Die Verstärkung des Wirkens der monetären Faktoren auf die Öl-Notierungen erfolgt vor dem Hintergrund eines Rückgangs der Ölförderung und des Vorhandenseins von Öl auf dem Markt der realen physischen Lieferungen. Russland und Saudi-Arabien sind bisher noch nicht imstande, in vollem Maße die Ölpreise auf dem Weltmarkt zu beeinflussen. Die Öl-Notierungen an den Börsen entsprechen nicht dem realen Wert der Ware und werden vorrangig durch spekulative subjektive Faktoren bestimmt. Für das Erdöl und die Erdölprodukte kann man in jeglicher beliebigen Währung zahlen, doch die Währung des Preises ist der US-Dollar. Von daher ist klar, warum es sowohl die Verkäufer als auch Käufer vorziehen, die Zahlungen in Dollar zwecks Vermeidung von Unkosten abzuwickeln. Solch ein Vorgehen erklärt in Vielem die stabile Lage des US-Dollars auf dem internationalen Ölmarkt.
Das Bestreben der Vereinigten Staaten, eine dominierende Rolle bei der Festlegung der Preise auf dem Ölmarkt über die monetäre Politik zu spielen, birgt die die Länder, die Erdöl kaufen, Risiken in sich, da für den Erwerb von Erdöl in erster Linie US-Dollar zu beschaffen sind, dessen Wert auf dem Devisenmarkt durch die Handlungen der „Fed“ bestimmt wird, was sich auf die Unkosten des Erwerbs von Erdöl auswirkt.
Die aktuellste Frage ist heute die, inwieweit es real und zweckmäßig ist, auf den US-Dollar in den Zahlungen für Erdöl und Erdölprodukte unter Berücksichtigung dessen zu verzichten, dass der Hauptteil der internationalen Vertragsabschlüsse auf dem Ölmarkt in US-Dollar vorgenommen wird. Die Vertragszahlungen für das Erdöl erfolgen ausgehend von einer Dollar-Schätzung.
Der Öl-Dollar – die Grundlage der US-amerikanischen Wirtschaft
Der Öl-Dollar ist nicht nur ein Zahlungsmittel. Die Vereinigten Staaten betrachten den Öl-Dollar als Grundlagen der amerikanischen Wirtschaft, als ein wirksames monetäres Instrument für die Ausübung globalen Drucks auf andere Länder. Der US-Dollar ist ein Instrument zur Notierung der Bezahlungen für Erdöl. Da die Weltpreise in US-Dollar ausgewiesen werden, werden die Länder, die zu Zahlungen in einer zum Dollar alternativen Währung übergehen wollen, gezwungen sein, den Kurs der zu verwendenden Währung auszuweisen. Jeglicher Vertrag, selbst wenn er in einer anderen Währung abgeschlossen wird, wird an die Dollar-Notierungen der Öl-Märkte appellieren. Führende Finanzexperten stehen einer Ersetzung des US-Dollars als Verrechnungs- und Zahlungswährung im Öl-Handel skeptisch gegenüber. Überdies muss betont werden, dass der US-Dollar extrem aktiv durch die Öl-Verbraucherländer genutzt wird, unter anderem durch China. Und dies auch für eine Kreditversorgung des realen Sektors der nationalen Wirtschaften bei der Abwicklung von Inlands- und internationalen Transaktionen.
Die internationalen Operationen in Dollar vergrößern künstlich die Nachfrage nach der US-amerikanischen Währung, was erlaubt, den US-Dollar über seinen realen Wert zu bewerten. Die zunehmenden Mengen an Dollar, die durch die internationalen Handelsoperationen in Dollar hervorgebracht werden, werden faktisch für eine Kreditversorgung der Wirtschaft der Vereinigten Staaten und für eine Bedienung der ständig zunehmenden Staatsschulden eingesetzt.
Die Prozesse eines Verzichts auf den Dollar bei den Zahlungen im internationalen Erdöl-Handel
Verfechter eines Verzichts auf den Öl-Dollar sind Russland und China. Dabei ist Russlands Haltung mit den zunehmenden Wirtschaftssanktionen seitens des Westens zu erklären, mit den Appellen der Führung der Europäischen Union an die EU-Länder nach den USA, Großbritannien, Australien und Kanada, ein Embargo für die Lieferungen russischen Öls und russischer Ölprodukte zu verhängen. Bis Mitte Mai ist es den EU-Ländern nicht gelungen, einen Konsens hinsichtlich der Frage eines völligen Embargos für den Import russischen Erdöls zu erreichen. Dies betrifft auch die alternativen Lösungen, solcher wie die Verhängung von Strafzöllen für Öl-Lieferungen. Das neue, das sechste Paket der EU-Wirtschaftssanktionen soll Ende Mai dieses Jahres auf höchster Ebene erörtert werden. Schon heute ist klar, dass es den EU-Ländern wohl kaum gelingen wird, eine Einigung zu erzielen. Unter Berücksichtigung der schwierigen Beziehungen zwischen den europäischen Ländern werden Vorschläge für einen schrittweisen Verzicht auf Erdöl aus Russland oder für die Einführung von Tarifen für den Export, der eine bestimmte Preisgrenze überschreitet, zwecks Verdrängung des russischen Erdöls vom europäischen Markt ausgearbeitet. Dabei soll die Preisgrenze nur auf die Öl-Lieferungen aus Russland angewandt werden. Ob es der EU gelingen wird, die konzipierten Pläne umzusetzen, ist bisher schwer zu sagen. Die am härtesten gegen Russland eingestellten Kräfte in Europa setzen auf die Haltung Frankreichs. Und all dies erfolgt vor dem Hintergrund der sich auf dem Ölmarkt vollziehenden überraschenden Prozesse. Es kommen neue Sorten von Ölprodukten auf, die als „turkmenisches Gemisch“ und als „lettisches Gemisch“ bezeichnet werden und einen erheblichen Anteil an russischem Erdöl aufweisen. Es erfolgt ein Vermisch russischen Erdöls mit anderen Arten und Marken, um dessen Herkunft zu verbergen.
Russland prüft die Möglichkeit der Einführung von Zahlungen für das Erdöl in der nationalen Währung in den Beziehungen mit den Ländern der Eurasischen Wirtschaftsunion, mit der Türkei und dem Iran. Die ausländischen Handelspartner sind in ihrer Mehrheit nicht bereit, auf den US-Dollar zu verzichten und zu Zahlungen in anderen Währungen inkl. des russischen Rubels überzugehen. Die Zahlungen für Erdöl in russischen Rubeln mit China sind unbedeutend, was mit dem zunehmenden Bestreben der Volksrepublik China zu erklären ist, die Nutzung des chinesischen Yuans auszudehnen und Chinas Pläne zur Umstellung der Weltwirtschaft auf den Yuan vor dem Hintergrund der Zuspitzung des Wirtschaftskrieges des Westens gegen Russland zu verwirklichen. Überdies werden die US-Dollar zu einer recht gefährlichen Währung unter Berücksichtigung ihrer Abhängigkeit von den instabilen Stimmungen der amerikanischen Politiker.
China motiviert sein Bestreben, auf den US-Dollar in den Zahlungen für Erdöl zu verzichten, mit seiner Position eines der größten Ölverbraucher in der Welt. Im März 2018 wurde an der Börse von Shanghai im Rahmen des chinesischen Integrationsprogramms „Ein Gürtel – eine Straße“ das Projekt eines Handels mit Öl-Futures in chinesischen Yuans gestartet. Das Projekt war in erster Linie für Handelspartner aus den Ländern der asiatisch-pazifischen Region konzipiert worden. Im März dieses Jahres begann China als größter Käufer von saudischem Erdöl, auf das 25 Prozent aller Ölexporte des Landes entfallen, einen Verhandlungsprozess mit den Saudis über Öl-Lieferungen gegen Yuan-Zahlungen sowie über eine Erweiterung des Wirkungsbereichs der nicht in Dollar, sondern in Yuan nominierten Öl-Futures. Dies hatte sich bereits im Handel mit dem Iran unter Umgehung der US-amerikanischen Sanktionen bewährt. China zahlt für Erdöllieferungen in Yuan nicht nur an den Iran, sondern auch an Russland, Nigeria und Venezuela. Einen Übergang Saudi-Arabiens zu Öllieferungen nach China für Yuans anstelle von US-Dollars kann man als den Beginn einer Schwächung des auf dem Öl-Dollar basierenden Systems sowie als Beendigung des faktischen Wirkens des Öl-Dollar-Abkommens zwischen den USA und Saudi-Arabien ansehen. Dieser Schritt kann zu einer beispiellosen Situation auf dem Weltmarkt der Kohlenwasserstoffe führen. Anzeichen für eine Schwächung des US-Dollars sind die Verhandlungen zwischen Russland und Indien über gegenseitige Zahlungen entsprechend dem Rubel-Rupie-Schema. Russland plädiert für einen Übergang zu Zahlungen für das Erdöl in der Währung des Ausfuhr- oder des Einfuhr-Landes.
Die gegenwärtige Situation mit dem Verzicht auf den Dollar im Zahlungsverkehr ist nicht einmalig. China verwendet den US-Dollar nicht im gegenseitigen Warenaustausch mit Australien, Japan und Indien. Japan nutzt den amerikanischen Dollar nicht im Handel mit Brasilien. Der Warenaustausch Chinas und der USA ist jedoch in Dollar ausgewiesen worden. China kauft für Dollar US-Erdölprodukte. Solange dieser Trend anhält, kann von einem Abgehen vom Öl-Dollar keine Rede sein.
Der Einfluss der Geopolitik
Entsprechend der Entwicklung einer multipolaren Welt ist ein schrittweises, wenn auch langwieriges Abgehen vom Dominieren des US-Dollars auf dem internationalen Ölmarkt möglich. Geschehen kann dies nur im Falle einer Schwächung des Interesses der Länder, ihre Vermögen in amerikanischen Dollars zu behalten. In Vielem wird dies von der Entwicklung des Zahlungssystems für den Handel zwischen den BRICS-Ländern abhängen, besonders im Rahmen der BRICS-Bank. Außerdem hängt der Prozess des Abgehens vom Dollar im internationalen Erdölhandel in nicht geringem Maße mit dem Dominieren der Geopolitik in der Weltwirtschaft, insbesondere in der weltweiten Energiewirtschaft inkl. ihres Ölsektors zusammen. Nach unserer Ansicht erlaubt vorerst gerade das Dominieren der Geopolitik bei einer führenden Rolle der USA dem Federal Reserve System der Vereinigten Staaten, die Welt mit Dollars vollzupumpen. Insgesamt sind über 150 Billionen Dollar emittiert worden, von denen rund zehn Billionen Bargeld sind. Dabei sind für ein Bedienen der Inlandsbedürfnisse der amerikanischen Wirtschaft in den vergangenen Jahren alljährlich laut unterschiedlichen Schätzungen rund zehn Billionen Dollar zum Einsatz gekommen. Die übrigen Dollar sind für einen Export ohne reale Vermögen in den USA als Bürgschaften.