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Wie Wladimir Putin versuchte, beim Gazprom-Chef die Höhe des Durchschnittsverdienstes der direkt vor Ort in Kovykta tätigen Mitarbeiter zu erfahren


Am 21. Dezember hat „Gazprom“ das Gaskondensat-Feld Kovykta und den Abschnitt Kovykta-Chayanda der Gaspipeline „Power of Siberia“ offiziell in Betrieb genommen. Den Startschuss gar der russische Präsident Wladimir Putin per Videokonferenzschaltung.

Dieses Feld ist das größte im Osten Russlands. Seine Gasvorräte belaufen sich auf 1,8 Billionen Kubikmeter. Von ihm werden Äthan, Propan, Helium und andere Warenpositionen kommen, die in der chemischen Industrie, im kommunalen Sektor und anderen Bereichen notwendig sind.

„Gazprom“ hat die Gasförderung auf dem Kovykta-Feld in Ostsibirien aufgenommen, um die Lieferungen nach China zu erweitern. Das Gas vom Kovykta-Feld wird auch in die Pipeline „Power of Siberia“ eingespeist, um bis zum Jahr 2025 dessen Leistung bis auf 38 Milliarden Kubikmeter im Jahr zu steigern.

Das Feld Kovykta im Verwaltungsgebiet Irkutsk bildet zusammen vom dem Chayanda-Feld in Jakutien die Grundlage für zwei neue leistungsstarke Zentren der Gasförderung im Osten des Landes. Und eben dies ist die Ressourcenbasis für die Gaspipeline „Power of Siberia“, deren Länge jetzt 3.000 Kilometer erreicht. Erdgas gelangt über sie sowohl zu den russischen Verbrauchern als auch zu chinesischen. „Gazprom“ hat auf Bitten von Peking in diesem Monat mehrmals einen Tagesrekord für die Gaslieferungen in die Volksrepublik China aufgestellt.

Das Gas an sich ist eins aus mehreren Komponenten. Dies ist sogenanntes Fettgas (anzutreffen ist auch die Bezeichnung Ölgas – Anmerkung der Redaktion). In ihm sind Propan, Butan, Methan und Helium enthalten. Diese Fraktionen werden im Amur-Gasverarbeitungswerk getrennt.

Das Ereignis vom 21. Dezember ist unbedingt ein wichtiges sowohl für die Region als auch für das Land insgesamt. Daher wurde auch eine Liveübertragung vorgenommen, damit an der Freude kurz vor dem Jahreswechsel aufgrund der Arbeitserfolge das ganze Land teilhaben konnte.

Wladimir Putin hat bekanntlich stets im Fokus seiner Aufmerksamkeit den konkreten Menschen, den Arbeiter, den Spezialisten. Dies ist auch seine Verantwortung als Präsident. Dies ist aber auch seine innere Überzeugung und die Angewohnheit, sich dafür zu interessieren, wie geht es da den einfachen Menschen – im Kontext einer jeglichen Leistung einer Branche, eines Unternehmens oder einer Region. Und wie oft hat die unvoreingenommene Chronik von Begegnungen des Staatsoberhauptes mit Gouverneuren und Ministern vor laufenden Kameras die Unfähigkeit der Rapport erstattenden Beamten festgehalten, auf direkt vom Präsidenten gestellte Fragen zu antworten.

So geschah es auch dieses Mal im Rahmen der Videokonferenzschaltung.

Putin interessierte sich beim „Gazprom“-Chef Alexej Miller, wie viele Menschen an der Realisierung des Projekts teilgenommen haben. Miller fing an aufzuzählen, wobei er nicht vergaß: 20.000 auf dem Feld Kovykta, 600 Menschen befinden sich in Chayanda, weitere 16.000 am linearen Teil. Auf die direkte Frage des Präsidenten hatte Miller nicht geantwortet. Obgleich es für Putin nicht schwer ist, die Zahlen zusammenzurechnen. Der Präsident beruhigte sich nicht und beschloss, die Höhe des Durchschnittsverdienstes der am linearen Teil Beschäftigten zu erfahren. Und da begann ein Konzert des Stammelns und Herumeierns.

Miller: „Der Durchschnittsverdienst in „Gazprom“ beträgt natürlich in Abhängigkeit von den nördlichen (Zuschlägen), von den Arbeitsbedingungen mehr als in unseren gewöhnlichen Gastransportunternehmen…“.

Putin: „Das ist verständlich“.

Miller: „Ich kann aber sagen, Wladimir Wladimirowitsch, dass dies zehn-, zehntausende Rubel sind. Und unsere Beschäftigten fühlen sich als sozial abgesicherte und schauen absolut zuversichtlich in ihre Zukunft“.

Putin: „Gut. Wir werden sie jetzt auch fragen. Schalten Sie, bitte, Irkutsk zu, Aksjutin (Oleg Aksjutin ist stellvertretender „Gazprom“-Chef, zuständig für die perspektivische Entwicklung des Konzerns – Anmerkung der Redaktion) und den Gouverneur“.

Putin: „Hinter Ihrem Rücken stehen da Vertreter des Arbeitskollektivs. Bitte Sie bitte, dass irgendwer von ihnen ans Mikrofon kommt. Bitte, ohne Scheu“.

Millers Vize Aksjutin und der Gouverneur des Irkutsker Verwaltungsgebietes, Igor Kobsew, gingen los, einen einfachen Beschäftigten des linearen Teils zu suchen, der auf die einfache Frage des Präsidenten über den Verdienst antworten wird. Und da begann Verwirrung in den Reihen (die offensichtlich aus handverlesenen Mitarbeitern bestand – Anmerkung der Redaktion). Keiner wollte hervortreten. Da schubste das Team einen „Mutigen“ mit den Worten „Du, und erzähle alles!“ vor.

Putin: „Stellen Sie sich bitte vor!“.

Jerjomin: „Vor Ihnen ist unser aus vielen tausenden Beschäftigten bestehendes Kollektiv, das heute würdig das Objekt mit einem guten Ergebnis in Betrieb nimmt. Es berichtet der 1. Stellvertreter des Generaldirektors vom Baukomplex „Gazstroiprom“, Jerjomin Michail Alexandrowitsch. In unserem Kollektiv arbeiten Vertreter vieler Berufe. Dies sind Bauarbeiter unterschiedlicher Berufe, Technologie-Schweißer, Montage-Schweißer, Betonarbeiter, Schlosser, Kraftfahrer, Baggerfahrer, Bulldozer-Fahrer…“

Putin: „Die Bedingungen sind für Sie dort extreme. Natürlich gibt es einen erhöhten Verdienst. Dennoch aber, was für einer ist er, der durchschnittliche (Verdienst – „NG“)?“

Jerjomin: „Wladimir Wladimirowitsch, im Durchschnitt – in Abhängigkeit von den Arbeitsbedingungen – von 90.000 bis 150.000 (Rubel). Das heißt, wenn sich ein Schichtarbeiter die komplette Einsatzdauer vor Ort befindet, 30 Arbeitstage, so hat er für eine komplette Einsatzzeit, wobei er einen vollständig ausgelasteten Tag hat, dies sind 10,5 Arbeitsstunden am Tag… Sein Verdienst kann im Durchschnitt 110.000 bis 150.000 Rubel im Monat ausmachen. Unter Berücksichtigung der Einkommenssteuer“.

Putin, der nicht darauf eingeht, dass ein Topmanager und kein einfacher Arbeiter auf seine Fragen antwortet: „Sind Sie mit den Arbeitsergebnissen zufrieden?“

Jerjomin: „Ja, wir sind mit den Arbeitsergebnissen zufrieden. Das Unternehmen unternimmt heute große Anstrengungen zur Anhebung der sozialen und Lebensbedingungen. Geschaffen wurden komfortable Bedingungen für das Wohnen und die Arbeit“.

Diese Episode zeigte ein weiteres Mal, wie oft sehr große Chefs eine ungefähre Vorstellung von der Höhe der Löhne und Gehälter ihrer Mitarbeiter haben, ja und auch über die Anzahl dieser Mitarbeiter, wie losgelöst sie von der Alltäglichkeit sind, wie abstrakt ihre Vorstellungen vom realen Leben, der Arbeit und den Einkommen der einfachen Bürger sind. (Laut Informationen vom Jahr 2020 verdient „Gazprom“-Chef Alexej Miller in der Minute etwa 11.000 Rubel. – Anmerkung der Redaktion)

Es ist schwer, sich zumindest einen normalen Leiter vorzustellen, der auf die Frage nach dem Durchschnittsverdienst so romantisch-pathetisch antworten würde. „Zehn-, zehntausende Rubel!“. Und dies war eine direkte Frage des Präsidenten Russlands. Anders gesagt, dies ist eine Frage zum Wesen. Hinsichtlich eines absolut konkreten Anlasses. Die eine exakte Antwort erwartet.

Putins Dialog mit den Führungskräften von „Gazprom“ hat erneut die Besonderheit unseres Macht-Typs vorgeführt: Nur der erste Mann im Land interessiert sich wahrhaftig für die Höhe der Löhne und Gehälter der Bürger. Seine Beamte haben diese Sorge an ihn delegiert, wobei sie sich – allem nach zu urteilen – auf wichtigere und angenehmere Angelegenheiten konzentrieren. Hier aber verbergen sich die Risiken für die Stabilität des ganzen Systems.

Dass man aber Kovykta in Betrieb genommen, dies ist toll. Ja, und die Chinesen freuen sich…