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Wird der virtuelle Russland-USA-Summit zu einem realen Deal führen?


Einen zentralen Platz in den Gesprächen zwischen den Präsidenten Wladimir Putin und Joseph Biden, die im Online-Format erfolgten, hat das Problem eingenommen, das mit der ukrainischen Krise und dem Ausbleiben eines Fortschritts bei der Realisierung der Minsker Vereinbarungen zusammenhängt. Wie es in einer Mitteilung des Kremls heißt, habe das russische Staatsoberhaupt „an konkreten Beispielen die destruktive Linie Kiews illustriert, die auf eine vollkommene Demontage der Minsker Abkommen abzielt“ und „ernste Besorgnis hinsichtlich der provokanten Handlungen (Kiews – Anmerkung der Redaktion) bekundet“. Sein US-amerikanischer Amtskollege wies seinerseits darauf hin, dass Washington „der Charakter der russischen Truppenbewegungen unweit der ukrainischen Grenzen beunruhige und Sanktionsmaßnahmen skizzierte, die die USA und ihre Verbündeten bereit seien, im Falle einer weiteren Eskalation anzuwenden“. Dennoch ist der Kreml der Auffassung, dass man nicht die Verantwortung für die Situation auf ihn abwälzen dürfe. Nach seinen Einschätzungen „unternimmt gerade die NATO gefährliche Versuche für eine Erschließung des ukrainischen Territoriums“ und forciere das militärische Potenzial an den Grenzen.

Ungeachtet dessen, dass die ukrainische Seite formell nicht in den Nordatlantikpakt aufgrund des andauernden inneren Konfliktes aufgenommen werden kann, belegt der Inhalt der in Washington geführten Diskussionen die Bereitschaft der Politiker, Kiew mit einer Infrastruktur solch einer Qualität auszustatten, die es in einen Teil des Blocks entgegen den institutionellen Verboten für einen Beitritt „verwandelt“. Im Zusammenhang damit ist das Grundprinzip, das für Moskau wichtig war, seinen amerikanischen Vis-a-vis zu vermitteln, die Unannehmbarkeit einer Erweiterung selbst der militärischen Infrastruktur, denn sie schafft ein Potenzial für eine Stationierung von Waffen auf dem ukrainischen Territorium, das für die russische Seite gefährlich ist. Zweifellos hat Russland keine reale Möglichkeit, ein Veto gegen einen NATO-Beitritt der Ukraine einzulegen, worauf sofort nach den Video-Gesprächen auf höchster Ebene die stellvertretende US-Außenministerin für politische Fragen, Victoria Nuland, die Aufmerksamkeit lenkte, als sie bei Anhörungen im Senatsausschuss für internationale Angelegenheiten auftrat. Dies bedeutet aber nicht, dass die Befürchtungen des Kremls nicht berücksichtigt werden müssen.

Als ein Beispiel können in diesem Kontext die vermutlichen Vereinbarungen Russlands mit einem Land, das relativ gesehen zur westlichen Welt gehört, mit Israel, dienen. Als sich vor einigen Jahren der ukrainische Botschafter in Tel Aviv, Hennadii Nadolenko, in seinem offenen Brief an die Tageszeitung „Haaretz“ beklagte, dass der jüdische Staat seit 2014 keine Lieferungen starker Waffen an Kiew liefere und nicht einmal Gespräche über die Perspektiven eines Abschlusses derartiger Verträge geführt werden würden, berichtete Mitstreiter des früheren Premierministers Benjamin Netanjahu, dass es zwischen der Russischen Föderation und Isreal diesbezüglich inoffizielle Vereinbarungen geben würde. Entsprechend deren Bedingungen halte sich Moskau an die Forderungen der Israelis, bestimmte Waffenarten nicht an den Iran zu liefern. Als Antwort fordere die russische Seite laut diesen Angaben vom jüdischen Staat, dass er deren Interessen in den Ländern der früheren UdSSR achte und solche Akteure wie die Ukraine nicht mit starken letalen Waffen ausstatte. Dies bedeutet, dass das Format einer gegenseitigen Einhaltung „roter Linien“ zwischen der Russischen Föderation und dem Westen durchaus möglich ist.

Für Moskau ist es wichtig, die Notwendigkeit einer Wiederherstellung der Symmetrie in den Sicherheitsfragen zu demonstrieren. Freilich wird es gezwungen sein, ein entsprechendes Signal auch den nichtregionalen Akteuren zu vermitteln, die in der letzten Zeit aktiv versuchen, mit der Ukraine entgegen dem Grundgedanken der Konfliktregelung eine Verteidigungspartnerschaft zu entwickeln. Dies betrifft in erster Linie die Türkei, die, wie jüngste Meldungen der Nachrichtenagentur Bloomberg belegen, dem offiziellen Kiew weitaus mehr Bayraktar-TB2-Drohnen verkauft habe, als öffentlich deklariert worden war. Zu einer Herausforderung für die russische Diplomatie wird eine Artikulierung jener Prinzipien, von denen die Sicherheit im Grenzbereich abhängen wird. Aber auch die Suche nach maximal effektiven Mitteln für ein Überzeugen in den Gesprächen mit den Partnern.