Papst Franziskus hat in einem Interview für US-amerikanische katholische Journalisten einigen Völkern Russlands auf den Schlachtfeldern der militärischen Sonderoperation in der Ukraine eine besondere Brutalität vorgeworfen. Dabei hatte der Vatikan in der letzten Zeit die diplomatischen Anstrengungen aktiviert, um den Versuch zu unternehmen, zu einer Verhandlungsplattform zwischen Moskau und Kiew zu werden.
Papst Franziskus hat in einem Interview für fünf katholische Journalisten aus den USA, das am Montag im „America Magazine“ der US-Jesuiten veröffentlicht wurde, einen diplomatischen Flop zugelassen. Er hatte sich aber wahrscheinlich von besten Motiven leiten lassen. Als man ihn nach der Haltung dazu befragte, dass der Vatikan in der Ukraine-Frage eine neutrale Position bewahre und dies vielen nicht gefalle, versuchte der Pontifex sich zu rechtfertigen. Er begann, über sein Mitgefühl für das ukrainische Volk zu sprechen, und warf der russischen Armee Brutalität vor. Und dann fügte er den merkwürdigen Satz hinzu: „Im Allgemeinen sind die Grausamsten vielleicht jene, die zu Russland gehören, aber nicht der russischen Tradition angehören, wie die Tschetschenen, die Burjaten und so weiter“.
Damit zog er sich Russlands Kritik zu. Die ungeschickten Worte des Kirchenoberhauptes haben bereits in der russischen Bloggersphäre eine stürmische Reaktion ausgelöst (freilich auch Russlands Außenamtssprecherin Maria Sacharowa wetterte vehement gegen die Aussagen von Franziskus, der russische Botschafter beim Heiligen Stuhl, Alexander Awdejew, drückte die „Empörung“ der russischen Regierung wegen der Worte des Papstes aus – Anmerkung der Redaktion). Man warf ihm die Absicht vor, Russland entsprechend der nationalen Zugehörigkeit zu spalten. Auf dieser Grundlage stellte man den Papst als Wegbereiter der unfreundlichsten Strategie des Westens in Bezug auf die Russische Föderation dar. Gleichfalls wurden Fragen laut, ob sich der Papst nicht bei den Tschetschenen entschuldigen müsse? Dabei hat man aus irgendeinem Grunde die mögliche Kränkung der Burjaten nicht berücksichtigt.
Es scheint, dass Franziskus diese Worte – wie merkwürdig es sein mag – aus besten Motiven formuliert hatte. Im vergangenen Frühjahr, als durch die Länder des Westens eine Welle eines „Cancelns“ der russischen Kultur rollte, war der Pontifex für das künstlerische und geistige Erbe des russischen Volkes eingetreten. Mehrfach unterstrich er die Bedeutung des Schaffens von Dostojewskij und verwies auf dessen „Legende vom Großinquisitor“ (erstmals 1879 veröffentlicht – Anmerkung der Redaktion).
Wahrscheinlich wurden die sehr unangebrachten Worte über die Tschetschenen und Burjaten zu einem erneuten Versuch, das russische Volk zu verteidigen, das über eine große Kultur verfügt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass hier auch die Arroganz eines Mannes der europäischen Kultur mitspielt, der die christliche Solidarität zum Schaden der allgemein menschlichen Werte an die erste Stelle stellt. Schließlich erklangen die Worte über einige Völker Russlands neben einer Antwort auf die Fragen nach einer Segregation Dunkelhäutiger in der Katholischen Kirche. Schließlich musste sich der Papst auch da rechtfertigen.
Die Zukunft wird zeigen, wie diese intoleranten Worte die Perspektiven für eine Vermittlerrolle des Vatikans in der Ukraine-Frage beeinflussen. Im russischen Establishment gibt es nicht wenige Gegner solch einer friedensstiftenden Tätigkeit. Wahrscheinlich ist hier der Einfluss der Russischen orthodoxen Kirche zu spüren, für die ein möglicher Erfolg des Vatikans ein Schlag gegen das eigene Ansehen wäre.
Papst Franziskus hatte am 22. November mit den amerikanischen Katholiken gesprochen. Zwischen diesem Datum und dem Montag erklangen wohlwollende Worte von Dmitrij Peskow, dem Pressesekretär des russischen Präsidenten, wonach der Kreml die friedensstiftende Tätigkeit des Heiligen Stuhls schätze, obgleich er auch bisher keine Ergebnisse dieses Wirkens sehe. Allerdings ist bereits bekannt, dass auch dank dem Papst einen Gefangenenaustausch erfolgt. In dem erwähnten Interview bestätigte Franziskus, dass er selbst solche Listen an die russische Seite gesandt hätte. Dort sagte er auch ein weiteres Mal, dass er nicht nach Kiew fahren werde, bevor er nicht Moskau besucht habe, obgleich er sich schon mehrmals mit dem ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij telefonisch unterhalten hätte.