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Womit wird der Konflikt in der Ukraine enden?


Diese Woche bescherte einem weiteren NATO-Plan für eine „Friedensregelung“ in der Ukraine eine Pleite. Bereits am 19. Mai hatte Italiens Außenminister Luigi Di Maio UN-Generalsekretär António Guterres eines 4-Etappen-Plan für eine Friedensregelung übergeben. Am 24. Mai ist jedoch der stellvertretende Vorsitzende des russischen Sicherheitsrates und Russlands Ex-Präsident Dmitrij Medwedjew mit einer Kritik an dem Plan aufgetreten. Er wies darauf hin, dass der italienische Plan für eine Regelung der Situation in der Ukraine ohne ein Setzen auf die Realitäten des Konflikts zusammengestellt worden sei.

Aber jeglicher Militärkonflikt, darunter die derzeitigen Ereignisse in der Ukraine, enden früher oder später mit einem Frieden. Seine Bedingungen zu prognostizieren, ist bisher unmöglich. Sie werden von vielen Komponenten abhängen. Wichtig ist Anderes. Ein großer Militärkonflikt verändert (obgleich er nicht unbedingt zerstört) sowohl die Weltordnung als auch die Legitimität politischer Systeme. Sie verändert auch die militärische Sonderoperation in der Ukraine, die Russland am 24. Februar auf Befehl von Präsident Wladimir Putin begonnen hat.

Erstens hört der Zweite Weltkrieg auf, im Massenbewusstsein als letzter großer Krieg in der Geschichte aufgefasst zu werden. Zwischen ihm und unserer Welt wird es einen neuen großen Konflikt in Europa mit seiner Geschichte, mit seinen Helden, seinen Siegen und Niederlagen für alle Seiten geben. Militärische Kampfhandlungen hatte es auch früher mehr als genug gegeben. Es genügt, sich der Aktionen der USA und Großbritanniens im Persischen Golf, der Operation der NATO auf dem Balkan oder des russisch-georgischen Krieges von 2008 zu erinnern. Aber hinsichtlich der Dimensionen übertrifft der Konflikt in der Ukraine jeden von ihnen. Erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte Europa Kampfhandlungen relativ großer und vergleichbarer Armeen mit einem realen Eingreifen von Großmächten. Die Schüler und Studenten werden in den Lehrbüchern lesen, dass es nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa mindestens noch einen großen militärischen Konflikt gegeben hat, der ein anderes Denken vorgibt.

Zweitens fallen viele Klischees der liberalen Ideologie der Geschichte anheim. Im Verlauf der letzten vierzig Jahre haben nicht nur Publizisten, sondern auch viele Politikwissenschaftler geschrieben, dass brutale Gewalt durch eine sanfte abgelöst werde, dass Kriege einer wirtschaftlichen Konkurrenz Platz machen würden. Die ukrainischen Erfahrungen werfen diese Überlegungen über den Haufen, wobei sie diese zu einer intellektuellen Geschichte machen.

Drittens verändert sich das System der sozialen Beziehungen. Der Zweite Weltkrieg entfernt sich immer stärker von unserer Gesellschaft. Die Begriffe „Veteran“, „Kriegsheld“, „Gefechtsoffizier“, selbst „unbekannter Soldat“ und „Leutnantsprosa“ erlangen einen anderen Klang. Über den neuen Konflikt, der sich übrigens beginnend ab dem Jahr 2014 dahinzieht, wird man Bücher schreiben, Filme drehen sowie Funk- und Fernsehsendungen produzieren und Museen einrichten, während die bereits wenigen Teilnehmer des vergangenen Krieges endgültig aus dem aktiven Leben scheiden werden. Die Haltung zum Zweiten Weltkrieg wird immer mehr an die Haltung zum Vaterländischen Krieg von 1812 erinnern – ein großer, ein ruhmreicher, aber er ist bereits Geschichte.

In anderen Ländern wird dieses Verhältnis weniger markant als in Russland zu spüren sein. In der Ukraine (wenn sie in irgendeiner Qualität erhalten bleibt) werden die Ereignisse von 2022 wahrscheinlich zu einem nationalen Mythos, auf dessen Grundlage Generationen heranwachsen werden, die Russland hassen und von einem Revanche-Krieg träumen (die russische Staatspropaganda leistet zur Ausprägung dieses Hasses gern ihren schlimmen Beitrag – Anmerkung der Redaktion). In den Ländern der Europäischen Union erfolgt unter dem Vorwand einer antirussischen Kampagne eine Liquidierung von Denkmälern des Zweiten Weltkrieges. Deutschland nutzt schrittweise die sich ihm eröffneten Möglichkeiten aus, um auf maximale Weise die eigene Schuld für jenen Krieg vergessen zu lassen, die eigene Geschichte zu rehabilitieren und dabei die eigenen Streitkräfte wiederherzustellen (meint man in Moskau in Verkennung der deutschen Realitäten – Anmerkung der Redaktion). Aber entsprechend der Logik: Man wird sich doch nicht nach jedem Wort „Napoleon“ an Frankreich erinnern“. Dies ist nicht einfach ein Schritt gegen Russland: Dies ist der Wunsch der westlichen Gesellschaften, den Beweis zu erbringen, dass die Ergebnisse jenes Krieges der Geschichte anheimgefallen sind und das Feld für eine Neugestaltung der Weg erneut frei bzw. offen ist.

Viertens, es ändern sich unsere Vorstellungen über die Theorie einer nuklearen Zügelung, einer der Grundlagen des heutigen Friedens. Sie gründete sich wiederum auf zwei Prinzipien. Erstens: Zwischen Kernwaffenmächten kann es keine Kriege geben. Zweitens, jeglicher Krieg auf der Grundlage konventioneller Waffen artet unbedingt zu einem nuklearen aus. Die Ukraine hat uns ein anderes Beispiel vermittelt. Die Seiten können indirekte Kampfhandlungen führen, indem sie diplomatische und militärische Unterstützung einer der Seiten gewähren. Folglich wird die neue Militärtheorie von der großen Wahrscheinlichkeit eines nichtnuklearen Krieges zwischen den Großmächten ausgehen, wobei sie die Militär- und Wirtschaftssysteme unterschiedlicher Länder auf ihn orientieren. In irgendeiner Weise werden wir uns in der Welt des ausgehenden 19. Jahrhunderts wiederfinden. Der einfache Bürger lebt ein friedliches Leben, die Generalstäbe planen aber Schlachten zwischen den Großmächten, und die Gymnasiasten werden erlernen, ihre Unausweichlichkeit zu akzeptieren.

Fünften, das heutige völkerrechtliche System basiert auf den Ergebnissen des Zweiten Weltkrieges. Es legitimiert all seine Institute – angefangen bei der Charta und der Struktur der UNO (inklusive der Sonderrechte der Ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates als Siegermächte) bis zu den internationalen Wirtschaftsorganisationen – IWF, Weltbank und WTO. Zur gleichen Zeit bestimmt der Zweite Weltkrieg nach wie vor unsere moralisch-ethischen Werte und Vorstellungen. Der Konflikt in der Ukraine, der bereits den vierten Monat andauert, wird natürlich die alles nicht zerstören. Aber in einer Welt, wo es nach dem Zweiten Weltkrieg noch einen großen Militärkonflikt unter Beteiligung Russlands und der NATO gegeben hat, werden dies alles bei weitem keine axiomatischen Dinge sein.

Etwas Ähnliches hatte es in der Geschichte gegeben. Nach den Napoleonischen Kriegen hatte es in Europa 38 Jahre lang keine Schlachten zwischen den Großmächten gegeben. Und ohne jegliche Kernwaffen. Der Krim-Krieg hatte diese Seite des langen Friedens zugeschlagen, wobei er eine Serie von Konflikten hervorbrachte. Die Wiener Ordnung, die durch die Ergebnisse der Napoleonischen Kriege geweiht wurde, war bewahrt worden. Aber nach den Napoleonischen gab es bereits einen anderen Krieg, der dem „Wiener Frieden“ die Empfindung einer Unvollständigkeit bzw. eines fehlenden Abschlusses und Zweifel an all seinen Grundlagen verlieh.

Die heutige und international umstrittene Sonderoperation ähnelt in keiner Weise dem Krim-Krieg hinsichtlich der Kampfhandlungen und der Ergebnisse. Aber auf der System-Ebene kann die Wirkung durch den Konflikt in der Ukraine eine ähnliche sein. Wir werden uns erneut in einer Welt wiederfinden, wo „alles möglich ist“. Und die Jalta-Ordnung, die entsprechend den Ergebnissen des Zweiten Weltkrieges geschaffen wurde, wird als eine genau solche Übergangsordnung wie die Westfalen- oder die Wiener Ordnung empfunden werden.