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Zum Verbot des Propagierens von Kinderlosigkeit gibt es eine konstruktivere Alternative


Der Vorsitzende der Staatsduma (des Unterhauses des russischen Parlaments), Wjatscheslaw Wolodin (Kremlpartei „Einiges Russland“), hat dieser Tage die jüngsten Initiativen von Volksvertretern zu Fragen der Demografie und Familie kommentiert. Staatsduma-Chef (der laut Internetangaben selbst keine Kinder zu haben scheint – Anmerkung der Redaktion) ging vor allem auf den Gesetzentwurf über ordnungsrechtliche Strafen wegen Propagieren eines Verzichts auf das Kinderkriegen unter Minderjährigen ein. „Niemand schickt sich an, sich in das persönliche Leben einzumischen oder auf irgendeine Art und Weise Druck auf den Menschen auszuüben“, unterstrich er. Es gehe laut seinen Worten lediglich um Situationen, in denen die sozialen Netzwerke mit propagandistischen Bildern und Videos überflutet werden. „Man muss jene Strömungen aus dem Ausland bekämpfen, wenn man versucht, den Menschen einzutrichtern, dass ein kleines Haustier besser als ein Kind sei“, erläuterte der 60jährige Wolodin.
Zur gleichen Zeit rief der Staatsduma-Vorsitzende auf, nicht in extreme Situationen zu verfallen. „Es erklingen unterschiedliche Vorschläge, die der Gesellschaft Angst machen. Ich halte es für falsch, sie zu diskutieren. Und mehr noch, ich sage ständig den Abgeordnetenkollegen: „Denken Sie zuerst nach, bevor eine Initiative formuliert wird“. Wenn ein Abgeordneter anfängt, über die Einführung von Steuern auf Kinderlosigkeit zu sprechen, über andere Initiativen solcher Art… Wir werden sie bestimmt nicht behandeln, und man darf der Gesellschaft keine Angst machen“, erklärte Wolodin. Gemeint waren die jüngsten Worte des Abgeordneten Andrej Guruljow (Kremlpartei „Einiges Russland“), der für eine Steuer auf Kinderlosigkeit plädierte. (Der 57jährige Politiker hat drei Kinder, eine Tochter und zwei Söhne. – Anmerkung der Redaktion)
Folglich machen die Volksvertreter, die vorschlagen, das Popularisieren von Kinderlosigkeit zu bestrafen, der Gesellschaft keine Angst? Möglicherweise ist dem auch so. Ja, und Soziologen der Agentur „Weber“ sagen, dass die Hälfte der Bürger Russlands angeblich das Verbot eines Propagierens von Childfree unterstützen würden. Und mehr als 85 Prozent der Befragten sprechen sich gegen eine Steuer aufgrund von Kinderlosigkeit aus, wie aktuelle Umfragen belegen. Bemerkenswert ist aber, was für eine aktive Erläuterungsarbeit die Gesetzgeber begonnen haben. So als würden sie spüren, dass sie auf dünnes Eis getreten sind. In zahlreichen Kommentaren versicherten Parlamentarier: Keiner taste das Recht der Bürger an, keine Kinder zu haben. Man müsse nur gegen das Aufzwingen der destruktiven westlichen Childfree-Ideologie kämpfen.
Die Sache ist die, dass im gegenwärtigen Wortlaut des Gesetzentwurfs keinerlei „Childfree“ gibt. Es gibt aber den vagen Begriff „Verzicht auf ein Kinderkriegen“, unter den eine große Anzahl von Lebenssituationen fallen kann. Und das löst Befürchtungen aus.
Wenn von einem Verbot von LGBT-Propaganda die Rede ist (die angeblich nach Auffassung der russischen Justiz existierende Bewegung ist in der Russischen Föderation als eine extremistische eingestuft und verboten worden), haben die Herrschenden für die Gesellschaft ein markantes, verständliches und idiotensicheres Beispiel dafür, was man im Grunde genommen verbietet. Dies sind die Gay-Parade. Wenn wir aber von Kinderlosigkeit als eine Entscheidung sprechen, ergibt sich ein weitaus komplizierteres und widersprüchliches Bild, das keine eindeutige Ablehnung auslöst. Und dies sind keine Childfree-Verfechter, Kinderhasser und andere Freaks aus dem Bereich der statistischen Fehlerrate, von denen die meisten Bürger Russlands überhaupt nichts wissen und wissen wollen. Dies ist eher eine Frau, die danach strebt, eine Ausbildung zu erhalten, Karriere zu machen, Geld zu verdienen oder einfach auf die eigenen Beine zu kommen. Wobei die Entscheidung, „kein Kind zur Welt zu bringen“ meistens von ihr als eine zeitweilige angesehen wird. Es scheint, die eigene Entscheidung öffentlich zu begründen, wenn der Gesetzentwurf im Unterhaus und Oberhaus angenommen und von Präsident Wladimir Putin unterzeichnet wird, für sie gefährlich werden kann.
Nach der ersten Lesung werden die Abgeordneten Formulierungen präzisieren, sicherlich mindestens die Nonnen und Mönche, eine riesige Schicht der religiösen Kultur, aus dem Geltungsbereich der Verbotsnormen ausklammern. Weiter aber, wenn man das Gesetz bereits angenommen hat, kann man entsprechend dem analogen Fall mit den LGBT-Vertretern eine gewisse internationale Childfree-Bewegung als extremistisch labeln und verbieten. Und da wird den Gesetzesbrechern bereits eine strafrechtliche Verfolgung drohen.
Die Idee von einer Steuer auf Kinderlosigkeit ist natürlich nicht besser. Wenn man aber die Frage anders stellt, nicht die Kinderlosen zur Kasse zu bitten und nicht mit unbestimmten Verboten Angst zu machen, sondern den Eltern zu erleben, beispielsweise hinsichtlich der Steuern zu sparen, so klingt dies weitaus konstruktiver. Steuernachlässe aufgrund von Kindern gibt es auch schon heute, sie liegen bei 1400 bis 12.000 Rubel je Kind. Es scheint, dass man hier etwas erörtern kann, ohne irgendwen zu verunsichern. Das Verbot eines Propagierens von Kinderlosigkeit kann sich aber aufgrund seiner mangelnden Konkretheit und seines repressiven Potenzials als ein empfindliches erweisen.