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Zwei Drittel der Bürger Russlands sind gegen Faulenzer


Die Unlust zu arbeiten hält lediglich weniger als ein Drittel der Bürger Russlands für ein gesellschaftlich akzeptables Verhalten. Die überwältigende Mehrheit der Einwohner der Russischen Föderation ist der Auffassung, dass die arbeitsfähigen Bürger unbedingt arbeiten sollten, zeigte eine jüngste Umfrage der Stiftung „Öffentliche Meinung“ (FOM). Die Russen sind nicht bereit, auf ihre Arbeit zu verzichten, selbst bei Auftauchen überschüssigen Geldes, das erlaubt, den ständigen Job aufzugeben. Die Neigung hinsichtlich einer ständigen Arbeit erklären die Experten mit dem Erbe der Sowjetzeit, als die Arbeit eine obligatorische war. 

Rund 64 Prozent der Bürger Russlands sind der Meinung, dass alle arbeitsfähigen Menschen arbeiten sollten. Und nur 31 Prozent der Befragten denken, dass es nichts Verwerfliches sei, wenn ein arbeitsfähiger Mensch nicht arbeitet. Solche Ergebnisse einer repräsentativen Befragung der Bevölkerung Russlands hat die FOM vorgestellt. 

Den Hang der russischen Bürger zu einem ständigen Job demonstrieren auch die Antworten auf die Frage „Wenn Sie ausreichend Geld hätten, um überhaupt nicht zu arbeiten, würden Sie die Arbeit aufgeben oder nicht?“. Lediglich 17 Prozent der Befragten antworteten, dass sie ihren Job an den Nagel hängen würden, wenn sich dafür die materiellen Möglichkeiten ergeben würden. 

Der Anteil der Bürger, denen ihre Arbeit gefällt, nimmt ständig zu und macht heute 48 Prozent aus. Der gegenwärtige Job gefällt nur 8 Prozent der Russen nicht. Im Jahr 2002 sah das Verhältnis der Antworten „gefällt“ – „gefällt nicht“ so aus: 33 Prozent – 13 Prozent.

Bei der Auswahl des Berufs und der künftigen Arbeit ziehen es 47 Prozent der Bürger Russlands vor, den Beruf auszuwählen, der ein würdiges Einkommen gewährleistet, selbst wenn er nicht sehr gefällt. Ungefähr genauso viele Russen (46 Prozent) vertreten eine entgegengesetzte Meinung. Das heißt, sie setzen die Attraktivität der Arbeit an die erste Stelle und nicht die Höhe des Verdienstes. 

Der Hang der Menschen zu einem ständigen Job ist mit den nationalen Besonderheiten zu erklären. Und im Falle Russlands – mit dessen sowjetischen Vergangenheit. „Zu Zeiten der UdSSR waren Faulenzen und Schmarotzertum per Gesetz unzulässig. Und diese Vorstellungen sind in Vielem heute auch in Russland erhalten geblieben. Dabei ist die Haltung zur Arbeit in einigen anderen Ländern eine völlig andere. Es gibt Länder, wo eine berufstätige Frau eine gewisse Schande für die Familie ist, in der der Mann nicht in der Lage ist, ihr Wohlergehen zu sichern. Es gibt auch recht entwickelte Länder, wo das Nichtvorhandensein eines Jobs bei den Frauen als gesellschaftlich akzeptabel angesehen wird“, erläutert Alexej Sacharow, Gründer des Internet-Services Superjob. 

„Eine ständige Arbeit ist ein traditionell sich herausgebildeter und sozial geförderter Wert, der für die Weltanschauung der meisten Russen ein gewohnter ist. Darin offenbart sich in Vielem auch das Erbe, eine Mentalität aus den Sowjetzeiten, als die Arbeit eine obligatorische war. Daher dominiert solch eine Haltung zur Arbeit unter der älteren Generation. Aber unter den jungen Menschen im Alter von 18 bis 30 Jahren sind bereits mehr als die Hälfte der Auffassung, dass es nichts Verwerfliches geben würde, wenn ein arbeitsfähiger Mensch nicht arbeitet“, betont Mark Goikhman, Chefanalytiker des Unternehmens „TeleTrade“. Der Expert lenkt das Augenmerk darauf, dass die Loyalität gegenüber Nichtarbeitenden zusammen mit dem Grad der Ausbildung und der Qualifikation der Bürger zunehme. 

„Der Großteil der arbeitsfähigen Bevölkerung kann sich ohne eine Berufstätigkeit nicht vorstellen. Und dies ist eine Tendenz nicht nur in Russland, sondern auch in den meisten Ländern der Welt“, sagt Ludmila Iwanowa-Schwez, Dozentin der Russischen G.-V.-Plechanow-Wirtschaftsuniversität. Die ältere Generation sei während der tagtäglichen Arbeit erzogen worden. Die jungen Menschen würden sich weniger an einen Arbeitsplatz binden. Sie seien mobiler und würden mehr Augenmerk der Balance von Job und persönlichem Leben schenken. „Die Ergebnisse mehrerer Untersuchungen demonstrieren einen Verlust des Interesses an der Entwicklung einer Karriere, während noch vor einem Jahrzehntdies das wichtigste Ziel der jungen Menschen war“, sagt Iwanowa-Schwez. Dabei erinnert sie daran, dass viele Menschen zu arbeiten bereit seien, weil sie sich nicht außerhalb eines Kollektivs vorstellen, wo das Kommunizieren, das Bewahren eines Beteiligtseins und des Status wichtig seien. 

„Der Wunsch nach einem ständigen Job ist ein richtiger. Denn ohne Arbeit degradiert der Mensch. Freilich, im Falle einer eintönigen Arbeit verliert der Mensch im Durchschnitt bis zu 2 Prozent der intellektuellen Fähigkeiten“, betont Alexander Sinerkin, der Gründer des Möbelunternehmens „Fort“. „Die Abhängigkeit von einer ständigen, aber möglicherweise ungeliebten Arbeit zeugt nur von einem schwachen Willen, dem Fehlen an Erfahrungen eines selbständigen Denkens und vom Streben zumindest nach irgendeiner Stabilität“, meint der Unternehmer. 

Den Hang der Bürger Russlands nach einem ständigen Job bestätigen auch Umfragen des Allrussischen Meinungsforschungszentrums. Rund 79 Prozent der Einwohner der Russischen Föderation erklärten, dass sie zu arbeiten bereit seien, selbst wenn sie ausreichend Geld für ein sorgloses Leben ohne einen ständigen Job hätten. Und nur rund 20 Prozent vertreten eine entgegengesetzte Meinung.