Die Regierung hat der Staatsduma einen Gesetzentwurf über die Schaffung einer spezialisierten Datenbank zu extremistischen Materialien zugeleitet. Im Interesse der Vertreter der Rechtsschutzorgane wird vorgeschlagen, das föderale Verzeichnis der verbotenen Informationen, das sich auf der Internetseite des Justizministeriums befindet, zu digitalisieren. In diesem Verzeichnis gibt es bereits über 5.000 Positionen. Doch die Suchfunktion ist eine archaische. Das neue staatliche System soll in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres seine Arbeit aufnehmen, wenn nach den Wahlen zur Staatsduma in diesem Jahr das Verzeichnis des Justizministeriums wahrscheinlich erheblich erweitert wird.
Die Änderung für den Artikel 13 des Gesetzes „Über die Bekämpfung von extremistischer Tätigkeit“ scheint auf den ersten Blick eine rein technische zu sein, doch dieser Rechtsakt an sich ist schon längst zu einem rein politischen Instrument geworden. Beispielsweise ist die Wahlgesetzgebung von direkten und sich überschneidenden Verweisen auf dieses Verzeichnis durchdrungen.
Die Regierung schlägt vor, beim Justizministerium die Vollmachten zur Führung des gegenwärtigen föderalen Verzeichnisses der extremistischen Materialien zu belassen und es auch mit der Schaffung einer spezialisierten Datenbank für durch Gerichte verbotene Publikationen zu beauftragen. Sie werden hauptsächlich im Internet entdeckt. Und unter ihnen gibt es eine Vielzahl von Videoclips und Audio-Aufnahmen. Im geltenden Verzeichnis, das auf der Internetseite des Ministeriums offen zugänglich ist, gibt es jedoch gleichfalls Bücher, Broschüren und Flugblätter. Die letzte Aktualisierung des föderalen Verzeichnisses erfolgte am 9. März. In ihm gibt es zum gegenwärtigen Zeitpunkt 5158 Einträge.
„Die Schaffung der Datenbank hat die Absicherung operativer und Fahndungs- sowie von Untersuchungsmaßnahmen, die im Rahmen einer Bekämpfung von extremistischer Tätigkeit durchgeführt werden, und die Organisierung prophylaktischer Maßnahmen, die auf ihre Verhinderung ausgerichtet sind, zum Ziel“, wird direkt im Erläuterungsschreiben zu dem Gesetzentwurf der Regierung betont. Dort sind keinerlei Gründe dafür ausgewiesen worden, warum die Vertreter der bewaffneten und Rechtsschutzorgane nicht schon das existierende föderale Verzeichnis nutzen können. Allerdings ist alles auch ohne zusätzliche Erläuterungen klar. Dies sind der große Datenumfang und die primitive Suchfunktion.
Die „NG“ stellte beispielsweise eine Auswahl entsprechend dem Wort „Kolovrat“ (achtspeichiges Hakenkreuz – Anmerkung der Redaktion), das oft durch unterschiedliche nationalistische Bewegungen verwendet wird, zusammen. Herausgekommen ist ein Katalog aus über einhundert Materialien, die vor Gericht ab 2008 bis Anfang dieses Jahres als extremistische anerkannt worden waren, aber natürlich aufgrund unterschiedlicher Anlässe. Dabei ist das Wort an sich verständlicherweise kein verbotenes. Wenn man also im Zusammenhang damit irgendein Verfahren einleiten will, brauchen die Rechtsschützer doch Expertengutachten, wenn dies natürlich nicht die Realisierung eines politischen Auftrags ist.
Folglich haben die Ergebnisse der experimentellen Suche anschaulich gezeigt, dass, erstens, die Anerkennung des einen oder anderen Begriffs und der einen oder anderen Erscheinung als eine verbotene deren weitere Verwendung nicht aufhält. Nicht weniger wichtig ist auch eine zweite Erwägung: Das föderale Verzeichnis an sich sieht in seiner Gesamtheit als ein nicht weniger extremistisches Material als jene aus, die in ihm im Einzelnen enthalten sind. Das heißt: Indem man dieses Dokument in der Freizeit durchliest, kann man je nach Wahl entweder zu einem Jihadisten oder zu einem Nazi, zu einem Linksextremisten oder zu irgendeinem Rodismus-Anhänger werden und sich dann mit Hilfe von Mitteln für ein Umgehen von Internet-Blockierungen bereits vollkommen mit dem Verbotenen vertraut machen, das Gefallen auslöste. Obgleich es im eigentlichen Verzeichnis solch eine ausführliche Beschreibung gewisser Bildchen gibt, nach deren Studium man bereits nichts mehr suchen muss.
Allem nach zu urteilen hat dieses zweifelhafte Verboten-Sein, bei dem zumindest kurz beschrieben werden muss, worin denn der Extremismus besteht, auch das Justizministerium auf die Idee einer Datenbank gebracht. Dem Ministerium steht noch bevor, die Modalitäten ihrer Organisation und Verwaltung auszuarbeiten. Man kann aber schon jetzt vermuten, dass in dem föderalen Verzeichnis der extremistischen Materialien augenscheinlich nur die Verweise auf die eigentlichen Gerichtsentscheide bleiben werden. Und eventuell eine gewisse allgemeine Erläuterung, in welchem Zusammenhang sie gefällt wurden. Was aber die spezialisierte Datenbank angeht, so ist offensichtlich, da sie im Gesetzentwurf der Regierung als ein staatliches Informationssystem beschrieben worden ist, dass dies eine Ressource rein für die Vertreter der bewaffneten und Rechtsschutzorgane sein wird, die ihnen eine multikontextuelle Suche und Ermittlung einer Relevanz in den Daten-Massiven gewährleisten wird. Möglicherweise wird aber dort auch ganz und gar die berüchtigte künstliche Intelligenz zum Einsatz kommen, die auch fertige Materialien der Nachforschungen zu liefern beginnen wird.
Übrigens, mit der Notwendigkeit, die Architektur einer spezialisierten Datenbank zu entwickeln und letztere zu starten, wird das Datum des Inkrafttretens des Gesetzes erklärt. Es wird nicht früher als nach einem Jahr ab dem Zeitpunkt seiner Verabschiedung wirksam werden. Laut vorläufigen Berechnungen kann dies erst in der zweiten Jahreshälfte passieren. Zuerst aber löst solch ein langer Zeitraum für die Lösung der recht einfachen Aufgaben Unverständnis aus. Doch dieses verschwindet nach einer Analyse der Theorie und Praxis der Anwendung des Gesetzes „Über die Bekämpfung von extremistischer Tätigkeit“.
Es ist in der Tat für die Wahlkampagnen ein bestimmendes, denn auf seiner Grundlage kann man sowohl Kandidaten für eine Registrierung nicht zulassen als auch diese annullieren. Im Gesetz über die Grundgarantien für die Wahlrechte der Bürger gibt es nicht nur den strengen Kriminalitätsfilter, sondern auch ein flexibles antiextremistisches Netz. Beispielsweise lässt man keine wegen einer Verbreitung verbotener Informationen Bestrafte zu den Wahlen zu. Und von denen werden jene Anwärter ausgeschlossen, die sich im Verlauf der Kampagne öffentliche Aufrufe erlaubten, die dem antiextremistischen Gesetz widersprechen. Die kurze Zusammenfassung seines ersten – aber bestimmenden – Artikels sieht so aus: Extremismus ist das, was den Herrschenden nicht gefällt.
Es ist klar, dass, wenn solch ein Instrument im Verlauf der Wahlen aktiv eingesetzt wird, so das föderale Verzeichnis der extremistischen Materialien nach ihnen wesentlich länger werden wird. Und da kommt gerade die im Voraus vorgenommenen Digitalisierung dieser Art von Rechtsschutztätigkeit zu pass.
Ja, und Autoren von russischen Telegram-Kanälen haben die Meldung, wonach Roskomnadzor (Russlands Aufsichtsbehörde für das Internet und Fernmeldewesen – Anmerkung der Redaktion) bereit sei, in einen Monat Twitter vollkommen zu blockieren, wenn das soziale Netzwerk nicht die ihm gestellten Bedingungen erfüllt, gleichfalls kommentiert:
„Am 10. März hat Roskomnadzor eine Verlangsamung des Traffics von Twitter im Zusammenhang damit bekanntgegeben, dass auf der Plattform keine Materialien mit im Land verbotenen Informationen entfernt wurden“, erinnert „Meister“ (https://t.me/maester). „Twitter hat diese Verlangsamung fast gar nicht bemerkt, wobei nur mit einem kurzen Kommuniqué reagiert wurde, in dem „Besorgnis über die sich gehäuften Versuche, die öffentliche Diskussion im Internet zu blockieren und zu beschränken“ geäußert wurde. Vielleicht erzielen die Androhung einer vollständigen Blockierung in Russland und der Wunsch, den russischen Markt nicht zu verlieren, eine größere Wirkung, wonach das Unternehmen beginnen wird, die russische Gesetzgebung einzuhalten. Allerdings ist das kyrillische Segment für das Geschäft von Twitter von so geringer Bedeutung, dass der Messenger vor zwei Jahren massenhaft Nutzer allein nur wegen der Nutzung der kyrillischen Schrift blockierte“.
„Sehr zeitgemäße Zahlen veröffentlichte VTsIOM (Allrussisches Meinungsforschungszentrum – Anmerkung der Redaktion). Die (Meinungs-) Forscher haben das Volk nach der Zensur im Internet befragt. 88 Prozent sind der Meinung, dass man die Verbreitung unzuverlässiger Informationen im Internet einschränken müsse. 51 Prozent sind der Auffassung, dass man jegliche unglaubwürdigen Informationen blockieren müsse. 23 Prozent – nur die unglaubwürdigen Informationen, die unmittelbar eine ernste Gefahr für den Menschen oder die Gesellschaft darstellen. 14 Prozent – die unzuverlässigen Informationen, die potenziell eine Gefahr für den Menschen oder die Gesellschaft darstellen können. 51 Prozent denken, dass es ohne eine Gerichtsentscheidung unzulässig sei, Accounts von Nutzern in den sozialen Netzwerken zu blockieren. 38 Prozent – dass es zulässig sei“, schreiben die Autoren des Kanals „Gedanken laut geäußert“ (https://t.me/mysly). „Wie wir sehen, ist das Volk für einen Zensur in jeder Hinsicht – sowohl für eine staatliche als auch eine private. Dabei aber billigt die Mehrheit vorab die Maßnahmen für den Kampf des Staates gegen eine private Zensur seitens Facebook und Twitter. Allerdings ist es keine Neuigkeit, dass die Mehrheit der Bürger Russlands stets für Einschränkungen und Verbote sind, worum es auch nur gehen mag“.