In den Regionen fordern die Rechten und die Linken immer hartnäckiger eine Rückkehr direkter Bürgermeisterwahlen. Beispielsweise haben die Kommunisten in Jaroslawl bereits solch einen Gesetzentwurf durch den zuständigen Ausschuss des Regionalparlaments, der Gesetzgeberischen Versammlung, durchgeboxt. Am 30. März erfolgt die Abstimmung. Im Swerdlowsker Verwaltungsgebiet (mit der Hauptstadt Jekaterinburg – Anmerkung der Redaktion) schlagen Bürger-Aktivisten und die Partei „Jabloko“ vor, die Initiative zur Wiederherstellung dieser Prozedur bei einem Referendum zur Abstimmung zu bringen. Wahrscheinlich ist die Forderung, den Menschen die Wahlen zurückzugeben in Vielem ein Element der Wahlkampf-Rhetorik. Nicht umsonst hat sie – sagen wir einmal – die Partei „Neue Leute“, die man für eine kremlnahe hält, akzeptiert. Das heißt, im Land gibt es bestimmt dieses klar formulierte politische Bedürfnis von unten her. Es scheint, dass das föderale Zentrum den Bürgern entgegenkommen könnte. Dort aber fürchtet man scheinbar um die Stabilität des Fundaments der unter Wladimir Putin geschaffenen Machtvertikale.
Der Ausschuss für Gesetzgebung der Jaroslawler Gebietsduma hat das Einbringen der Frage nach direkten Wahlen von Bürgermeistern und Oberhäuptern der Verwaltungskreise bei einer Parlamentssitzung unterstützt. Das Dokument war durch Abgeordnete des Regionalparlaments von der Partei „Gerechtes Russland“ vorbereitet worden. Der Ausschussvorsitzende Elkhan Mardalijew (KPRF) erläuterte, dass sich auch seine Partei mehrfach diesem Thema zugewandt hätte. „Ich bin der Auffassung, dass das Wahlrecht ein nicht zu nehmendes ist. Mehr noch, dieses Recht ist für die Bürger in der Verfassung der Russischen Föderation verankert worden. Eine Wählbarkeit brauchen auch die Oberhäupter an sich, da ihnen die Menschen einen Vertrauenskredit gewähren und in einem bestimmten Maße die Verantwortung für die Entscheidungen ihres Vertreters teilen“, erklärte der Kommunist.
Im Übrigen sind die Linken bereit, das Vorbringen derartiger Gesetzesvorlagen fortzusetzen, wenn die gegenwärtige abgelehnt wird. Die KPRF schlägt über dies vor, im Gesetz auch das Recht der Bürger auf eine Abberufung der Leiter von Siedlungen und Dörfern festzuhalten. Und „dieser Mechanismus muss ein klarer, transparenter und umsetzbarer sein“, betonte er. Übrigens, da die Vertreter von „Gerechtes Russland“ für den 31. März, das heißt für den nächsten Tag nach der Abstimmung in der Gesetzgebenden Versammlung einen Antrag für ein Meeting für die Rückkehr zu Direktwahlen gestellt haben, hoffen sie wohl nicht, die Mehrheit aus der Kremlpartei „Einiges Russland“ umzustimmen.
Noch eine Methode, die Rückkehr direkter Bürgermeisterwahlen zu fordern, sind Initiativgruppen zur Organisierung entsprechender regionaler Referenden. Im Swerdlowsker Verwaltungsgebiet hat die Wahlkommission ein erneutes Mal den Antrag auf Registrierung solch einer Gruppe an die Gesetzgebende Versammlung, das Regionalparlament, überwiesen. Als Initiatoren ist eine Gruppe von Bürgeraktivisten aufgetreten, die bis dahin rund zehn Versuchen unternahmen. Aber jedes Mal wurden in ihren Dokumenten Formfehler gefunden. Derweil unterstützen laut einer Untersuchung der Stiftung „Sozium“ 82 Prozent der Einwohner von Jekaterinburg die Idee von der Wahl des Stadtoberhauptes bei direkten Volkswahlen.
Der Sekretär der Bewegung „Volksinitiative“ Wladislaw Postnikow erinnerte die „NG“ daran, dass es im Sommer letzten Jahres seiner Struktur im Swerdlowsker Verwaltungsgebiet gelungen war, innerhalb eines Monats rund 15.000 Unterschriften für das Einbringen eines Gesetzentwurfs über die Rückkehr direkter Wahlen zu sammeln. Und das Regionalparlament war gezwungen gewesen, dieses Dokument zu behandeln. Freilich, unmittelbar vor dem Jahreswechsel haben die Bürger von den Abgeordneten eine Ablehnung erhalten. Postnikow teilte mit, dass die nunmehrige Initiative für ein Referendum von einer anderen Gruppe ausgehe. Er selbst halte diese Sache für eine perspektivlose, denn, selbst wenn die Gesetzgebende Versammlung die Initiative bestätigt, so sind rund 16.000 Unterschriften innerhalb von 40 Tagen zu sammeln. „Soweit bekannt ist, hat man die jetzige Initiative lange unter erfundenen Vorwänden nicht registriert, so lange keine begründete Beschwerde bei der Zentralen Wahlkommission der Russischen Föderation eingegangen war, die erlaubt, diese Mauer zu durchbrechen. Und als Antwort auf sie hat die Gebietswahlkommission am 17. März auch den Antrag der Initiativgruppe an das Regionalparlament überwiesen“, erläuterte er.
Zur gleichen Zeit wird hinsichtlich des Themas der direkten Bürgermeisterwahlen nicht nur die traditionelle Opposition aktiv. Beispielsweise hat der Vorsitzende der Partei „Neue Leute“ Alexej Netschajew vorgeschlagen, solch eine Praxis im Land wieder aufleben zu lassen. Seinen Worten zufolge „ist ein Verzicht auf direkte Bürgermeisterwahlen für das politische und Wirtschaftssystem schädlich“. Mehr noch, er besteht darauf, dass sich die Praxis der Ernennung von City-Managern nicht gerechtfertigt habe. Doch gerade dieses System für die Formierung städtischer Machtorgane überwiegt derzeit.
Es ist jedoch völlig klar, dass direkte Bürgermeisterwahlen für die Offiziellen große Unannehmlichkeiten hervorrufen. In Jakutsk beispielsweise, wo ab dem 26. bis einschließlich 28. März eine Abstimmung erfolgen wird, haben die Einwohner der Stadt aus acht Kandidaten auszuweählen. Als Hauptanwärter gilt der amtierende Bürgermeister Jewgenij Grigorjew von „Einiges Russland“. Dabei gab es Skandale mit der Suspendierung und Neubestätigung der anderen Kandidaten im Verlauf des gesamten Wahlkampfes. Derweil demonstrieren Meinungsumfragen, dass mehr als die Hälfte der Befragten für direkte Wahlen der ihnen am nächsten stehenden Leiter bestimmt plädiert. Und wenn dieses Thema so populär ist, ergibt sich die Frage: Warum kommen denn die föderalen Offiziellen solch einem Bedürfnis der Menschen nicht entgegen?
Postnikow betonte, dass die Herrschenden traditionell jegliche Initiative von unten her nicht unterstützen würden, da sie fürchten würden, den Bürgern zu zeigen, dass jene Stärke besitzen. Er erinnerte daran, dass heutzutage das Bestehen oder das Nichtbestehen von Wahlen nur vom Gouverneur abhänge, so dass direkte Bürgermeisterwahlen in etwa einem Fünftel des Landes bleiben. „Wahlen, dies sind überhaupt eine schwere Veranstaltung für die Offiziellen. Wie anhand des Wahlkampfs zu den Gouverneurswahlen zu sehen ist, bootet man selbst jene aus, die zumindest vage Siegeschancen besitzen. Eine Rückkehr der (direkten) Bürgermeisterwahlen von oben her ist wohl kaum möglich, da dies ein unnötiger Stress und Kopfschmerzen für die Offiziellen sind“, erklärte Postnikow.
Der Präsident der Russischen Assoziation politischer Berater, Alexej Kurtow, erläuterte der „NG“: „Die Rückkehr direkter Wahlen ist eine schon längst herangereifte Entscheidung. Dies ist ein Thema, zu dem verschiedene politische Kräfte zurückkommen, weil sie das Bedürfnis dafür seitens der Gesellschaft spüren“. Der Experte ist der Auffassung, dass die Herrschenden der Gesellschaft entgegenkommen könnten, aber nicht überall, sondern nur dort, wo eine ausreichende Hartnäckigkeit demonstriert werde: „Wenn die Herrschenden sehen, dass unterschiedliche Initiativgruppen kämpfen und dass die Menschen sie unterstützen“. Schließlich würde dies dann auch für die Offiziellen eine gute PR-Aktion werden. Er merkte aber an, dass dieses Thema bei weitem nicht überall in den Regionen populär sei.
Konstantin Kalatschjow, Leiter der Politischen Expertengruppe, erläuterte, dass die Forderung nach einer Rückkehr zu (direkten) Bürgermeisterwahlen unter den gegenwärtigen Bedingungen eine offenkundige PR-Aktion verschiedener politischer Kräfte im Rahmen des Wahlkampfes sei. „Im Kreml wurde anerkannt, dass die Wahlen der Leiter auf der untersten Ebene unnötige Risiken und Gefahren darstellen würden“, erinnerte der Experte. Und außerdem sei heutzutage ein Kurs auf eine generelle Verschärfung gewählt worden. Das heißt: Eine Rückkehr der Bürgermeisterwahlen entspreche nicht der allgemeinen Linie der Offiziellen. Auch wollen die Herrschenden der Opposition keine zusätzlichen Möglichkeiten geben. „Theoretisch ist das Thema ein populäres, und die Offiziellen könnten die Bürgermeisterwahlen zurückholen, wobei sie einen Haufen Einschränkungen nutzen – eine Nominierung durch die Parlamentsparteien, die Sammlung von Unterschriften von kommunalen Abgeordneten oder von Bürgern sowie eine Überprüfung der Unterschriften. Das heißt, man kann für die Opposition maximale harte Bedingungen schaffen. Doch auch dazu sind die Herrschenden nicht bereit, da selbst solche Wahlen Unannehmlichkeiten in Form von Skandalen bringen können. Dies sind unnötige Kopfschmerzen für die Offiziellen“. Der Experte führte gerade Jakutsk als Beispiel an: „Wenn man für die Opposition die Schleuse in Form von Wahlen der Leiter der Kommunen öffnet, werden alle Kräfte dorthin strömen. Dies wird durch den Kreml aber als eine Untergrabung der Machtvertikale von unten her gewertet. Und noch ein Moment: Da man die Vollmachten der Gouverneure in den letzten Jahren stark beschnitten hat, ist gerade die Kontrolle der Bürgermeisterwahlen gerade jener (Fleisch-) Knochen, den die Offiziellen hinwerfen, aber nicht der Gesellschaft, sondern den Gouverneuren. Und die unterschiedlichen politischen Kräfte nutzen ihn als PR-Aktion bei den Wahlen, um zu punkten“, unterstrich Kalatschjow.