Es vergeht auch nicht ein Tag, an dem über neue Ausweisungen russischer Diplomaten berichtet wird, über Sanktionen gegen einzelne Personen und ganze Organisationen sowie über Drohungen, die – sagen wir es einmal frank und frei – Personen äußern, die in den internationalen Angelegenheiten nicht die bekanntesten sind. Sie halten es für ihre Pflicht, irgendeine Gemeinheit zu äußern sowie die russischen Bürger und die Landesführung zu erniedrigen, wobei sie Lob und Billigung seitens der „älteren transatlantischen Kameraden“ erhalten.
Irgendwer wird sagen, dass es auch schlimmere Zeiten gegeben hätte, als direkte Androhungen hinsichtlich einer Vernichtung und Entfesselung von Kampfhandlungen gegen die UdSSR und Russland erklangen. Aber das nunmehrige Aufflammen der antirussischen Offensive, an der nicht nur die traditionellen „Partner“ Moskaus teilnehmen, sondern auch Spitzenvertreter von Ländern, die gestern noch Bruderstaaten gewesen waren, trägt bei weitem keinen zufälligen Charakter. Während für die einfachen russischen Bürger solch eine Situation eine außerordentliche zu sein scheint, kann man auf Expertenebene rechte konkrete und erklärbare Ursachen für das Geschehen feststellen.
Der auslösenden Hauptmotive für eine derartige frühjahrsbedingte antirussische Zuspitzung gibt es drei.
Das erste: Die Sowjetunion ist von selbst auseinandergefallen, durch die Mühen der eigenen verdienten Politiker, Militär, der Durchschnittsbürger und all jener, die in diesem Land gelebt hatten, dann aber beschlossen, die frühere Heimat mit den eigenen Händen zur Vernichtung zu verurteilen. Für die Ausländer hat es keine Bedeutung, wer konkret diese Handlung leitete, wer sich ihr entsprechend den Möglichkeiten widersetzte, wer dadurch märchenhaft reich geworden ist und wer hoffnungslos verarmte. Das Wesen ist simpel: Ihr (Russland als Rechtsnachfolger der UdSSR) habt selbst euer Land umgebracht. Daher wird die Haltung euch gegenüber – sowohl heute als auch in der überschaubaren Perspektive – seitens aller, sowohl der starken als auch schwachen, eine entsprechende sein.
Derartige Wertungen haben ich viele Male sowohl von führenden amerikanischen Politikern als auch von europäischen sowie in vielen anderen Ecken der Welt gehört, wo sich selbst diejenigen, die dem heutigen Russland sympathisieren, die berechtigte Frage stellten: „Wie konntet ihr dies zulassen?“. Daher könnten diejenigen, die einmal das eigene Land zugrunde gerichtet haben, nach Meinung jener, die Moskau heute mit allen möglichen Methoden treten, dies auch noch einmal tun – jetzt mit der Russischen Föderation. Und um gerade solch einer Entwicklung der Ereignisse Hilfestellung zu leisten, kann man sich auch nichts Besseres ausdenken als sie von allen Seiten zu beißen, wenn auch von den Dimensionen her geringe, dennoch aber schmerzhafte Garstigkeiten zu tun sowie das Land zu erniedrigen und zu beleidigen, wobei man sich gewiss ist, dass danach nichts passieren werde.
Das zweite Motiv ist der Verrat, den zuerst die sowjetischen Offiziellen und später auch die russischen in Bezug auf ihre früheren Verbündeten begingen. Sowohl hinsichtlich des sozialistischen Lagers als auch hinsichtlich der rein menschlichen Kontakte. Die Liste der betrogenen sowie einer Beschimpfung und Erniedrigung ausgelieferten Politiker, Parteien und einfach sich gut gegenüber der UdSSR verhaltenden Bürger aus Ländern Osteuropas, Asiens, Lateinamerikas und Afrikas kennt einfach keine vergleichbaren. Die Verräter sowohl von Honecker und Jaruzelski als auch Castro und Kim Ir Sen – dies sind die Spitzenvertreter aus der späten Periode der Sowjetunion und der Anfangszeit der Russischen Föderation.
Wichtig ist, dass sie nicht nur Menschen verraten haben, die an die UdSSR und an Russland glaubten. Sie haben vor allem sich selbst verraten. Und da mit ihnen dafür nichts passierte, warum da nicht auch heute weiter von Russland eine ehemalige Sowjetrepublik nach der anderen loseisen, die sich gestern noch in gemeinsamen Strukturen der osteuropäischen Gemeinschaften befunden hatte (das, was sich heutzutage Polen, Tschechien und Bulgarien gegenüber Moskau erlauben, hätte man sich nicht einmal in einem Albtraum noch vor allzu kurzer Zeit vorstellen können).
Eben deshalb ziehen die Amerikaner erfolgreich faktisch jeden beliebigen Staat auf ihre Seite, der die Schirmherrschaft Washingtons als Gegenleistung für Fußtritte gegen die russischen staatlichen Interessen unter dem Tisch verdienen möchte. „Machen Sie keine gemeinsame Sache mit Moskau, es wird sie ja doch verraten – wenn nicht heute, so morgen“, sagen führende amerikanische Politiker. Als Antwort weisen die Balten, Osteuropäer und Skandinavier mit Freuden russische Diplomaten aus, verhängen immer neue Sanktionen, wobei sie sich für würdige Mitglieder einer demokratischen zivilisierten Gemeinschaft halten.
Und das dritte Motiv sind die sogenannten Antwortmaßnahmen, die durch Russland als Vergeltung auf die beispiellose Welle von Beleidigungen und Kränkungen sowie offiziell von außen gebilligten Gemeinheiten der noch gestrigen strategischen ausländischen Partner ergriffen werden. Man kann natürlich aus Moskau alle europäischen Botschaften und Botschafter obendrein ausweisen. Man kann dem US-amerikanischen Botschafter empfehlen, nach Washington „zwecks Konsultationen“ aufzubrechen und nicht mehr zurückzukehren. Ja, aber Derartiges wird nur nicht die Probleme prinzipiell lösen.
Wenn Russland nach der Ermordung seines Botschafters weiter eine Gaspipeline und ein Kernkraftwerk in dem Land baut, das so etwas zugelassen hat; wenn das Land seine Sportler ohne Flagge, Hymne und sogar ohne die Aufschrift „Russland“ auf den Sportpullovern zu größten internationalen Wettkämpfen entsendet, wenn Denkmäler für sowjetische (und das bedeutet: für russische) Soldaten und Generäle nicht nur in Osteuropa, sondern auch auf dem postsowjetischen Territorium abgerissen werden, erhalten alle, die heute gegen Russland eingestellt sind und darauf aus sind, Russland zu schaden, ein eindeutiges Signal.
Und es ist äußerst einfach und klar: Was immer auch an Antirussischem wir tun mögen, uns wird nichts dafür drohen. Und wenn doch, so wird uns Amerika decken. Gerade die faktische Ungestraftheit und die Gewissheit, dass das heutige Russland keine effektiven Hebel für eine Beeinflussung der das Land umgebenden Welt hat, verleiht all diesen „Ausweisern“ und „Liebhabern von Sanktionen“ immer mehr Kräfte. So lange sie sich wie heute fühlen, werden Moskau neue Unannehmlichkeiten in der internationalen Arena fast zu 100 Prozent garantiert sein.