Das Moskauer Levada-Zentrum, das auf die Liste der nichtkommerziellen Organisationen gesetzt wurde, die Funktionen eines ausländischen Agenten wahrnehmen, hat eine Umfrage vorgenommen, die unter anderem auch ihm selbst gewidmet war. 58 Prozent der Befragten teilten den Soziologen des Zentrums mit, dass sich ihre Haltung gegenüber den NGOs, Politikern und Massenmedien nicht verändern werde, wenn man sie zu den ausländischen Agenten rechnen werde. 40 Prozent der Befragten sind der Auffassung, dass die Offiziellen so auf die unabhängigen Organisationen Druck ausüben würden. Beinahe genauso viele (37 Prozent) nehmen an, dass der Staat, indem er derartige Listen erstelle, doch das Land vor dem negativen Einfluss des Westens schütze. Wie die Soziologen betonen, würden den zweiten Standpunkt häufiger Befragte im Alter von 55 Jahren und älter vertreten, für die die Hauptinformationsquelle das Fernsehen ist, und nicht das Internet und die sozialen Netzwerke.
Das Bild, das die Umfrage zeichnet, kann durchaus der Wirklichkeit entsprechen. Doch auch die reale Lage jener, die man zu den ausländischen Agenten rechnete, ändert sich dadurch nicht, Bereits vor einem Jahr war es für sie schwer, Sponsoren zu finden. Selbst das Levada-Zentrum begann, weitaus seltener Ergebnisse von Untersuchungen zu veröffentlichen. Heutzutage ausländische Agenten mit Geld zu unterstützen, ist einfach zu einer riskanten Sache geworden. Der Weg von einem Agenten zu einem Extremisten ist zu einem sehr kurzen geworden. Die Überweisung von Geld als ein Akt guten Willens kann sich augenblicklich in den Gegenstand einer strafrechtlichen Untersuchung verwandeln. Im Zusammenhang damit ist es völlig unwichtig, ob die jungen Menschen den Offiziellen glauben. Selbst wenn sie die Auffassung vertreten, dass man mit den ausländischen Agenten Rechnungen begleicht und abrechnet, dass eine Säuberung des politischen Feldes erfolgt, ist es für sie schwer, weiter konkreten Menschen und Organisationen zu helfen.
Die Praxis der Umsetzung der Gesetzgebung über die ausländischen Agenten versetzt auch unabhängige Massenmedien in eine sackgassenartige Situation, die das politische Leben im Land covern. Und es geht ganz und gar nicht um die erforderlichen Zusätze über die Aufnahme in die entsprechende Liste. Früher konnte man das Levada-Zentrum aufgrund der Methodik der Umfragen kritisieren, wegen der Formulierungen der Fragen, die den Befragten zu der einen oder anderen Antwort veranlassen konnten. Dies war eine normale Erscheinung der journalistischen gleichartigen Distanz. Jetzt kann man durch eine Kritik solcher Art nur eine Organisation zur Strecke bringen, die auch so mit Mühen über die Runden kommt.
Noch schwieriger ist es mit den Politikern. Heute ist er ein Opponent der Herrschenden, doch er agiert in einem legalen Umfeld. Daher ist es einfacher, ihn zu kritisieren, zum Beispiel wegen Populismus oder dem Fehlen von Konkretheit. Sobald solch ein Politiker als ein ausländischer Agent anerkannt wird, das heißt zu einem potenziellen Extremisten, zu einem Beteiligten einer strafrechtlichen Untersuchung, verliert ein gegenstandsbezogenes Gespräch seinen Sinn und wird eingestellt. Solch einen Menschen zu kritisieren, bedeutet beinahe automatisch, sich auf die Seite der Herrschenden zu stellen. Anders gesagt, seinen vom Staat unabhängigen Status augenblicklich zu verlieren. Er hört simpel auf, ein normaler Politiker, ein Teil des natürlichen Prozesses zu sein und verwandelt sich in einen Untergrundkämpfer und Märtyrer. Es ist unnötig zu sagen, wie sehr sich bei solch einer Ordnung der generelle politische Diskurs vereinfacht, primitiver wird.
Das Levada-Zentrum wies darauf hin, dass viele gebildete und moderne Menschen nicht bereit seien, an eine Zerstörung des Landes durch heimtückische ausländische Agenten zu glauben. Dies war voraussagbar. Und für die Herrschenden an sich wären derartige Informationen wohl kaum zu sensationellen geworden. Ein Teil der gebildeten Jugend – wie auch Vertreter jeglicher sozialen Schicht – kann für die herrschenden Offiziellen stimmen. Sie selbst aber richten in der Regel ihre Message nicht an solch ein Publikum, wobei sie das bewährte Kernelektorat vorziehen. Der traditionelle Wähler reagiert auf das Anheften der Etiketten „Ausländischer Agent“, „Spion“, „Verräter“ und „Extremist“ so, wie es die Herrschenden brauchen. Folglich funktioniert die Absicht.
Die Ergebnisse der Befragung zum Vertrauen und Misstrauen gegenüber ausländischen Agenten könnten die Herrschenden beunruhigen, wenn sich herausstellen würde, dass die Bürger ab 55 Jahre und älter all dem nicht glauben. Doch solch eine Tendenz fixiert keiner. Den Offiziellen gelingt es, das politische Denken jenes Teils des Elektorats, der ihnen das Mandat sichert, zu steuern. Die übrigen scheinen sie weitaus weniger zu beunruhigen.