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Die „Wagner“-Männer in Mali


Das aktiv diskutierte Thema der angeblichen Anwesenheit des russischen militärischen Privatunternehmens „Wagner“ in Afrika ist in den letzten Wochen erneut in die Schlagzeilen westlicher Medien geraten. Es sei daran erinnert, dass sie als ein privater Auftragnehmer an Kampfhandlungen in Syrien und Libyen teilgenommen hatte. Ihre Militärinstrukteure befinden sich in der Zentralafrikanischen Republik und in einer Reihe anderer Staaten des schwarzen Kontinents. Und seit einiger Zeit haben die Führungskräfte der provisorischen Militärregierung in Mali den Wunsch, die Leistungen der Söldnerfirma „Wagner“ in Anspruch zu nehmen.

Gemeldet wird, dass im September „Wagner“-Vertreter in Bamako weilten. Und ihre Gespräche mit der Militärregierung Malis haben bereits eine höhere Ebene bei der Behandlung von Fragen des bilateralen Zusammenwirkens erreicht. All dies löst eine sehr negative Reaktion vor allem seitens Frankreichs aus (zumal Mali dessen frühere Kolonie ist), wobei der französische Präsident Emmanuel Macron mehrfach aus diesem Anlass seinen russischen Amtskollegen angerufen hat.

Gleichfalls unter dem Druck von Frankreich hat die Europäische Union beschlossen, die Bereitstellung finanzieller Hilfe für Bamako einzustellen – „aufgrund der Kontakte mit den Russen“. Und die französische Führung hat offen Wladimir Putin gewarnt, dass der Aufenthalt militärischen Einheiten des Unternehmens „Wagner“ in Mali von Paris als einen Akt „einer unbeabsichtigten Aggression“ seitens Moskaus betrachte (die wurde auch jüngst beim Paris-Besuch des Außen- und des Verteidigungsministers der Russischen Föderation bestätigt).

Derweil führt die verzweifelte Ausübung von Druck seitens der Franzosen auf die neue Regierung Malis bisher zu nichts. Die „Wagner“-Vertreter empfingen in Bamako Spitzenvertreter der Militärführung des afrikanischen Landes, obgleich bisher kein endgültiges Abkommen zwischen den Seiten erzielt worden ist. Das Haupthindernis sind die Kosten für die Leistungen der russischen Seite, die den heutigen Offiziellen von Mali nicht recht sind.

Laut französischen Quellen habe das russische Unternehmen die Kosten für seine Leistungen mit 9,1 Millionen Euro im Monat oder mit etwa 120 Millionen Euro im Jahr veranschlagt. Die Militärs von Mali halten diesen Preis für einen offenkundig überzogenen, obgleich die erwähnten Tarife analog den Kosten anderer derartiger Leistungen privater Militärstrukturen sind. Beispielsweise habe die Firma „Wagner“ (erneut laut Angaben französischer Quellen) von der Militärführung der Gruppierungen von Chalifa Haftar in Libyen rund 200 Millionen Euro im Jahr für ihre Leistungen erhalten.

Malis Militärs sind bereit, die russischen Auftragnehmer zu bezahlen, versuchen aber, einen Rabatt von bis zu 20 Prozent vom ausgewiesenen Preis zu erzielen. Dabei gibt es bei diesem Deal noch eine strittige Frage – die nach dem Erhalt von Rechten für die Förderung von Bodenschätzen in Mali durch die russische Seite. Das Unternehmen „Wagner“ habe laut Angaben von Vertretern der Regierung Malis, die die Verhandlungen führen, drei Lizenzen für die Förderung von Bodenschätzen erbeten, um dadurch die Ausgaben für den Aufenthalt im Land zu decken.

Damit werde der Aufenthalt der „Wagner“-Militäreinheiten (und dies wären immerhin 2000 bis 3000 Mann) unter solchen Konditionen für den Etat Malis kein finanziell belastender sein. Dabei verweise die russische Seite auf angeblich „erfolgreiche Erfahrungen“ aus ihrer Tätigkeit in der Zentralafrikanischen Republik, wo die Abrechnung mit der dortigen Regierung gemäß diesem Schema erfolge. In Mali wird jedoch die gesamte Förderung von Bodenschätzen durch ausländische Konzerne vorgenommen. Und Lizenzen kann die Regierung an die „Wagner“-Firma nur für unerschlossene Territorien erteilen, wo man geologische Arbeiten durchführen und erhebliche finanzielle Ausgaben für die Entwicklung tätigen muss.

Daher kann die Präsenz von „Wagner“ in Mali finanziell keine so vorteilhafte sein, wie früher angenommen worden war, obgleich vom Unternehmen angeheuerte russische Geologen bereits eine Erkundung des Territoriums dahingehend durchgeführt haben, ob es dort Gold- und Magnesium-Lagerstätten gibt. Möglich sind gleichfalls Varianten, bei denen das Unternehmen gleichzeitig sowohl geologische Erkundungsarbeiten als auch eine Förderung von Bodenschützen in den Gebieten, die es in Mali mit seinen Militäreinheiten kontrollieren wird, vornehmen wird.

Es gibt da auch noch einen anderen nicht weniger wichtigen Haken, der einer Lösung bedarf. Malis Militärs an sich haben sich bisher nicht festgelegt, wo und womit sich die Vertreter von „Wagner“ auf dem Landesterritorium befassen werden. Theoretisch sollen sie in jene Regionen entsandt werden, unter anderem auch in den Norden, der von Jihadisten attackiert wird und von wo gegenwärtig die französischen Truppen abgezogen werden. Die russischen Söldner werden jedoch wohl kam anfangen, in dem gleichen Format großangelegt gegen die aus der Wüste hereinfallenden Kämpfer vorzugehen, wie dies vor vergleichsweise kurzer Zeit die Franzosen getan hatten (wobei dies eine reguläre Armee war und kein Privatunternehmen).

Nach Aussagen des amtierenden Premierministers von Mali, Choguel Kokalla Maiga, betrachte „das Land alle Varianten für eine Lösung der inneren Probleme inkl. einer Nutzung ausländischer Firmen, mit denen wir Abkommen über ein Zusammenwirken abschließen“. Tatsächlich aber verüben die Rebellen in Mali dreiste Überfälle auf Ortschaften nicht nur im Norden, sondern auch auf solche, die sich nur ganze 50 Kilometer von der Hauptstadt Bamako befinden. Wenn man jedoch die russischen Söldnereinheiten nur in den Gebieten einer Förderung von Bodenschätzen stationiert, so wird sie die einheimische Bevölkerung nicht als Beschützer von den Überfällen der Jihadisten, sondern als ein ausländisches Okkupationskorps ansehen.

Vorerst plant die Regierung Malis, die russischen Militärs gerade im Landesnorden zu stationieren, das heißt, im gefährlichsten Gebiet des Territoriums aus der Sicht der Bedrohungen seitens der Rebellen, was weder Frankreich noch den Vereinigten Staaten kategorisch recht ist. Sie sind sich gewiss, dass eine Erweiterung der militärischen Anwesenheit Russlands auf dem Territorium dieses Landes eine Destabilisierung der gesamten Lage in Westafrika fördern werde. Dies hatte US-Außenminister Anthony Blinken bei seinem kürzlichen Senegal-Besuch bekräftigt.

Derweil hat die Europäische Union bereits die Bereitstellung finanzieller Hilfe für Mali im Umfang von 70 Millionen Euro ausgesetzt. Blockiert wurden auch Kreditlinien für die Regierung von Mali durch französische Banken. Die Europäische Union plant bei einer Tagung am 7. Dezember, ein Sanktionspaket auch gegen das Unternehmen „Wagner“, aber auch gegen die russische Regierung zu erörtern. Angemerkt sei, dass Paris Mali alljährlich Hilfe in einem Umfang von 40 Millionen Euro gewährte. Nun aber verhängt die EU neben dem finanziellen Druck Sanktionen gegen mehrere Politiker Malis, die die Zusammenarbeit mit der russischen privaten Militärfirma „Wagner“ lobbyieren.

Gleichfalls unter französischem Druck haben die Länder der Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten (Economic Community Of West African States, ECOWAS) Sanktionen gegen Mitglieder der Regierung von Mali verhängt. Paris hat seine afrikanischen Verbündeten überredet, „öffentlich die Führungskräfte des Landes zu bestrafen, die nicht mit den Partnern in einem demokratischen Rahmen zusammenwirken wollen“ und die für sich Varianten auswählen, „die weder für Frankreich noch für die nächsten Nachbarn von Mali in der Region akzeptabel sind“. Und dies schon ganz zu schweigen von der überaus mächtigen Medienkampagne, die unter französischer Führung zur Diskreditierung der Rolle Russlands in Afrika sowohl auf dem eigentlichen Kontinent als auch im Rahmen internationaler Organisationen bereits mehr als ein Jahr andauert.

Es ist kein Zufall, dass im UN-Hauptquartier in New York schon mehrfach Resolutionsentwürfe zur Diskussion vorgelegt wurden, um die angebliche „Brutalität“ des Personals der Söldnerfirma „Wagner“ auf dem Territorium der Zentralafrikanischen Republik, die Verübung von Menschenrechtsverletzungen und die Gewaltakte gegen die einheimische Bevölkerung zu verurteilen. (Freilich gibt es auch in Russland entsprechende Informationen in den Medien, die derartige Resolutionsentwürfe untermauern. – Anmerkung der Redaktion) Die gleichen Argumente führt die französische Seite auch bei den Verhandlungen mit den Militärs von Mali bezüglich deren Zusammenarbeit mit den russischen Söldnern an. „Wollen Sie, dass sich die Russen in Ihrem Land so verhalten, wie sie sich in der Zentralafrikanischen Republik aufführen? Denken Sie an die Konsequenzen“. Darüber sprechen französische Diplomaten und Politiker sowohl in Gesprächen mit malischen offiziellen Vertretern als auch bei der Behandlung dieser Frage auf internationaler Ebene.

Womit dieses ganze „Spiel um Mali“ zwischen Russland und dem kollektiven Westen enden wird, ist schwer vorauszusagen, da die Situation in diesem westafrikanischen Land eine äußerst instabile bleibt. Wie auch in einer ganzen Reihe anderer afrikanischer Staaten, wo die Militärs jüngst die Zivilregierungen stürzten (Guinea, Tschad, Sudan). Alles kann sich entsprechend einem unvorhersehbaren Szenario entwickeln. Doch unabhängig davon sei die Aufmerksamkeit auf drei sehr wichtige Momente gelenkt, die sowohl konkret den möglichen Aufenthalt von Vertretern der Söldnerfirma „Wagner“ in Afrika als auch die russische Präsenz auf diesem Kontinent insgesamt betreffen.

Vor allem kann Moskau bei allen lautstarken Erklärungen über eine angebliche „Rückkehr Russlands nach Afrika“ den Ländern dieses Kontinents tatsächlich (nicht auf dem Papier, sondern in einer realen Umsetzung) nur zwei Sachen anbieten – eine Ausbildung auf der Grundlage seiner staatlichen Stipendien und eine militärische Zusammenarbeit. Über irgendein langfristiges, real vorteilhaftes Vordringen des russischen Business nach Afrika kann man lediglich träumen. Ja, und auch auf repräsentativen Foren Überlegungen anstellen. Für ein reales effektives Engagement hat Russland nämlich weder die Mittel noch das Personal. Ja, und dies hat auch keine Priorität. Man müsste erst einmal das eigene Territorium erschließen als denn nach dem Vorbild Chinas für „eine Erschließung Afrikas“ dorthin um die 200.000 bis 300.000 Menschen umzusiedeln.

Was aber eine militärische Zusammenarbeit in jeglicher Form mit jeglichem Staat angeht, so kann nur ein offenkundiger Dilettant von irgendeinem „privaten“ Business sprechen. Es ist ohne ein überaus enges Zusammenwirken mit dem Staat einfach unmöglich. Und gerade so funktionieren die militärischen Kontakte – sei es in Russland, in den USA oder in Frankreich und China.

Andererseits, was haben denn die einfachen russischen Bürger für einen Nutzen aus diesem Zusammenwirken mit Afrika außer der Beschaffung von Jobs für gesunde, aktive und vom Wesen der Sache her arbeitsloser junger Männer, die weit von der Heimat entfernt kämpfen und ihre Leben riskieren werden? Unabhängig davon, bekommt die erwähnte russische private Söldnerfirma Lizenzen für eine Goldförderung in Mali oder in der Zentralafrikanischen Republik oder fallen sie irgendeinem anderen zu. Ja, diese Frage ist weitaus wichtiger als die Zukunft Afrikas und anderer scheinbar Russland freundlich gesinnter Kontinente und Staaten…