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Der Unmut der USA stimulierte Sudans Interesse für Russlands Marinestützpunkt


Von den Militärs der Russischen Föderation und des Sudans erwartet man eine neue Runde direkter Verhandlungen über die Realisierung des bilateralen Abkommens zur Schaffung eines materiell-technischen Versorgungspunktes der russischen Seestreitkräfte im Roten Meer. Der am 25. Oktober erfolgte Staatsstreich veranlasste die Administration des US-Präsidenten, sich von den Sudanesen zu distanzieren. Dies hat augenscheinlich Khartum von der Notwendigkeit überzeugt, die Auslandskontakte zu diversifizieren.

Die Vertreter des russischen Verteidigungsministeriums müssten mit den Sudanesen die Frage nach einer Verbesserung der bilateralen Beziehungen und die Realisierung des Abkommens über die Einrichtung des materiell-technischen Versorgungspunktes erörtern, schrieb das sudanesische Nachrichten-Portal „Dabanga“ (https://www.dabangasudan.org/en/all-news/article/russian-defence-delegation-to-renew-ties-with-sudan). Laut seinen Angaben würde an den Gesprächen der Chef des sudanesischen Generalstabs Mohamed Osman El Hussein teilnehmen, der früher widersprüchliche Erklärungen hinsichtlich einer militärischen Präsenz der Russischen Föderation in der Region des Roten Meeres abgegeben hatte.

Einige Tage zuvor hatte die sudanesische Nachrichtenagentur SUNA gemeldet, dass der Vorsitzende des Souveränen Rates, General Abdelfattah El Burhan, sich mit Russlands Botschafter Wladimir Scheltow getroffen habe. Im Verlauf der Begegnung mit ihm habe er die Bereitschaft seines Landes unterstrichen, gesunde Beziehungen mit allen freundlich gesinnten Akteuren zu unterhalten.

Am Vorabend zitierte die Nachrichtenagentur Reuters Äußerungen von El Burhan, denen zufolge Khartum immer noch die Vereinbarung zur Einrichtung eines russischen Militärobjekts in einem der Häfen prüfe. „Wir hoffen, dass sich unsere Beziehungen mit der Unterzeichnung dieses Abkommens festigen werden“, sagte der General gegenüber der Agentur. „Die Konsultationen dauern an, und wir werden an dem Abkommen arbeiten, solange es nicht zu einem akzeptablen und legitimen wird“.

Das Kräftegleichgewicht im Sudan, das sich nach dem Sturz von Umar al-Baschir im Jahr 2019 herausgebildet hatte, geriet in der Nacht zum 25. Oktober ins Schwanken, als der Konflikt zwischen den Vertretern des militärischen und des zivilen Flügels der Übergangsführung des Landes zur Absetzung letzterer führte. Premierminister Abdalla Hamdok war zusammen mit einer Reihe von Staatsbeamten und politischen Funktionären in Ungnade geraten. Und der den Putsch anführende El Burhan gab die Auflösung des von ihm angeführten regierenden Souveränen Rates und des Ministerkabinetts sowie die Verhängung eines Ausnahmezustands im Land bekannt.

Die Situation begann sich nach der harten Reaktion seitens der internationalen Staatengemeinschaft zu ändern. Am 11. November wurde auf Anweisung von El Burhan der Souveräne Rat des Landes wiedereingesetzt und erneuert. Die Zusammensetzung dieser Struktur wurde nach einem Dialog zwischen Kräften der Militärs und Zivilisten bestimmt. Und am 21. November wurden neue politische Vereinbarungen der beiden Machtfraktionen unterzeichnet. Zum Hauptergebnis wurde dies, dass entsprechend den Dokumenten der zuvor abgesetzte Hamdok erneut die Regierung anführt und die Bildung eines neuen Kabinetts von Technokraten begann. Endgültige Klarheit hinsichtlich des Kräftegleichgewichts sollen allgemeine Wahlen verschaffen, die laut Plan im Juli des Jahres 2023 abgehalten werden sollen.

Nach Bekanntgabe des Kompromisses zwischen den zivilen Politikern und Militärs erklärte die Administration von US-Präsident Joseph Biden, dass sie bei der Regulierung der Situation im Sudan einen größeren Fortschritt erwarte, bevor das ausgesetzte Programm für finanzielle Hilfe wiederaufgenommen werde. Ende November erläuterte der Chef des Pressedienstes des US-Außenministeriums Ned Price: „Wir müssen zu sehen bekommen, dass der Sudan auf einen demokratischen Weg zurückkehrt. Und dies beginnt mit einer Wiedereinsetzung des Premierministers. Aber damit ist es natürlich nicht getan“. Nach Aussagen des Diplomaten würden die USA aufmerksamst verfolgen, wie sich die Armeekräfte an dieses Abkommen halten werden.

Russland bekundete seinerseits als Reaktion auf die Aussöhnung der sudanesischen Fraktionen und die Wiedereinsetzung des Premierministers die Hoffnung, dass die Erfüllung der erzielten Vereinbarungen der Regulierung der Lage im Land helfen werde. „Wir rechnen damit, dass ihre Realisierung die Stabilisierung der Situation im Sudan fördern und günstige Bedingungen für ein weiteres Vorankommen der sudanesischen Gesellschaft im Rahmen der Übergangsperiode schaffen wird“, hieß es in einem Kommentar der offiziellen Sprecherin des russischen Außenministeriums Maria Sacharowa.

Wie der „NG“ Kirill Semjonow, Experte des Russischen Rates für internationale Angelegenheiten, erklärte, spüre ungeachtet der unternommenen Zugeständnisse gegenüber dem zivilen Machtflügel der militärische Teil der Führung des Sudans nach wie vor die Gefahr von Sanktionen seitens des Westens und eines möglichen äußeren Eingreifens und sei daher gezwungen, neue Stützen bzw. Standbeine zu suchen, zu denen Russland und China werden könnten. „Das Projekt für einen russischen Militärstützpunkt eignet sich nunmehr mehr als je zuvor. Es kann als ein Faktor genutzt werden, der ein hypothetisches äußeres Eingreifen verhindert“, betonte der Analytiker. Nach seinen Worten könne eine Verschlechterung der Beziehungen zwischen Khartum und Washington zusätzliche Perspektiven für das Wirken russischer nichtstaatlicher Akteure im Sudan eröffnen.