Die russischen Militärs haben sich scheinbar in taktischen Gefechten festgefahren und schon längst den Glauben an einen kurzen „Blitzkrieg“ aufgegeben. Vor diesem Hintergrund versuchen die ukrainischen Streitkräfte weiterhin, eine strategische Verteidigung praktisch in allen Richtungen der von der Russischen Föderation seit dem 24. Februar durchgeführten militärischen Sonderoperation zu organisieren. Kiew ist bestrebt, das militärische Potenzial und die Waffen zu nutzen, die seit den Zeiten der Sowjetunion im Land verblieben sind. Im Bereich des Schwarzen Meeres vor Odessa sind alte, aber für Schiffe sehr gefährliche Sperren aus Seeminen vom Typ JaM und JaRM angelegt worden. Und aus den strategischen Arsenalen werden sowjetische taktische Raketenkomplexe vom Typ „Totschku-U“ zur Frontlinie gebracht.
Den Daten aus dem russischen Verteidigungsministerium nach zu urteilen, haben die Streitkräfte der Ukraine in den letzten zehn Tagen rund 25 taktische „Totschka-U“-Raketenkomplexe zum Einsatz gebracht, die in der Lage sind, den Gegner in einer Ferne von bis zu 120 Kilometern zu vernichten.
Dabei sollen im Verlauf dieser Aktionen über 20 Zivilisten ums Leben gekommen sein. Über Verluste unter den Armeeangehörigen ist nichts gemeldet worden. (Und dieses Schweigen über die russischen Verluste wird seit mehr als zwanzig Tagen durch Moskau praktiziert. – Anmerkung der Redaktion) Potenziell kann die Ukraine bis zu 700 bis 800 „Totschka-U“-Komplexe besitzen. Dies sind vor allem Raketen vom Typ 9M79, 9M79K und 9M79-1K, die Splitter-, Kassetten- und möglicherweise chemische Gefechtsköpfe besitzen und aus den 90 Startanlagen abgefeuert werden können, die sich in der Bewaffnung der ukrainischen Streitkräfte befinden.
Dies sind die größten Bestände an solchen taktischen Raketenkomplexen unter allen postsowjetischen Ländern. Und verblieben sind sie auf dem Territorium der Ukraine nach dem Zusammenbruch der UdSSR. Bis vor einer geraumen Zeit besaßen die Gefechtsköpfe der „Totschka-U“-Raketen die Möglichkeit, auch mit nuklearen Sprengköpfen mit einer Leistung von 100 bis 200 Kilotonnen ausgerüstet zu werden. Nach dem Abtransport der Kernwaffen aus dem Land waren in den Streitkräften der Ukraine lediglich konventionelle Gefechtsköpfe geblieben. Aber auch sie können für den Gegner außerordentlich gefährlich sein. Der Kassettensprengkopf beispielsweise ist imstande, den Feind auf einer Fläche von fast sieben Hektar zu treffen. Gerade eine der Sektionen solch eines Gefechtskopfes explodierte, als am 14. März eine ukrainische Rakete über Donezk abgefangen wurde, In einem Radius von mindestens 500 Metern wurden Menschen getroffen – u. a. 21 getötet.
Entsprechend den technischen Bedingungenmachte die Einsatzdauer der „Totschka-U“-Raketen nicht mehr als zehn Jahre aus und ist schon längst abgelaufen. Ukrainische Spezialisten haben jedoch mehrfach diesen Zeitraum verlängert und die Raketen bei der Vornahme von Kampfhandlungen im Donbass in den Jahren 2014/2015 aktiv eingesetzt. Nunmehr versuchen sie, diese taktischen Raketenkomplexe gegen die russischen Truppen anzuwenden. Laut Angaben des russischen Verteidigungsministeriums soll beispielsweise am Samstag eine „Totschka-U“-Rakete bei Charkiw, nördlich der Kleinstadt Isjum abgeschossen worden sein. Bisher gibt es keine Statistik darüber, wie viele ukrainische taktische Raketenkomplexe ihre Ziele erreichten. Die Streitkräfte der Russischen Föderation versuchen jedoch mit aller Macht, die ukrainischen Einheiten und Arsenale mit diesen Komplexen zu vernichten.
Entsprechend den Gefechtsdokumenten aus den Sowjetzeiten sollen die Gefechtssätze für die taktischen Raketenkomplexe für einen Einsatz durch die Raketenverbände auf den wichtigsten Schauplätzen der Kampfhandlungen verteilt stationiert werden. Derzeit sind die Hauptschauplätze der Kampfhandlungen das Zentrum, der Norden und der Südosten der Ukraine. Dabei sind aber laut Angaben der „NG“ die Hauptreserven der ukrainischen Streitkräfte in den westlichen Verwaltungsgebieten, unter anderem im Verwaltungsgebiet Iwano-Frankowsk, konzentriert worden. Und gerade dort, im Gebiet der Ortschaft Deljatin, wurde am 18. März durch russische Militärs der luftgestützte Raketenkomplex „Kinschal“ („Dolch“) mit aeroballistischen Hyperschallraketen eingesetzt, wie das Verteidigungsministerium der Russischen Föderation informierte. Nach Einschätzungen Moskaus soll dort durch den Raketenschlag ein großes unterirdisches Lager für Raketen und Fliegerbomben der ukrainischen Streitkräfte vernichtet worden sein.
Zu Zeiten der UdSSR wurde dieses Lager als „Objekt 711“ oder „Iwano-Frankowsk-16 ausgewiesen. Dies war eines der vier zentralen Depots zur Lagerung von Kernwaffen, die sich in der Ukraine befunden hatten. Nachdem die Kernwaffen nach Russland gebracht wurden, ist das Objekt in 136. Zentrum für die Versorgung mit Raketen und Munition umbenannt worden. Und gerade dort wurden laut Medienangaben 9M79K-Raketen und ihre Modifikationen für die taktischen „Totschka-U“-Raketenkomplexe gelagert.
Für die russische Armee hat sich jedoch im Gebiet von Odessa noch ein Problem ergeben, das mit den Versuchen der Ukraine zusammenhängt, Widerstand gegen die Russische Föderation mit Minen nicht nur auf dem Lande, sondern auch auf See zu leisten. Russlands Inlandsgeheimdienst FSB teilte mit, dass die Seestreitkräfte der Ukraine nach Beginn der von Kremlchef Putin angeordneten russischen Sonderoperation „rund 420 Minen vom Typ JaM und JaRM an den Zufahrten zu den Häfen Odessa, Otschakow, Tschernomorsk und Juschnyj zum Einsatz gebracht haben“. Laut Informationen des FSB seien sie alle „in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hergestellt worden“, das heißt: Theoretisch ist die Einsatzdauer der Minen schon längst abgelaufen. Experten erklären jedoch, dass der Zünder ein mechanischer sei, so dass die Einsatzdauer eine unbegrenzte sei. Der russische Inlandsgeheimdienst warnte gleichfalls, dass die Strömung die Minen bis in den Bosporus und ins Mittelmeer treiben könne (wenn dies nicht eine Fake News ist – Anmerkung der Redaktion). Dabei präzisierte man im FSB, dass „die Installierung von verankerten Minen durch die Konvention über das Auslegen von Unterwasser- und durch Berührung automatisch explodierender Minen, die bereits 1907 angenommen worden war, verboten wurde“.
Generalleutnant a. D. Jurij Netkatschjow, der 1992 die 14. Armee in Transnistrien, die zum damaligen Militärbezirk Odessa gehörte, befehligt hatte, präzisiert, dass die mit einem Anker versehene kleine Seemine JaM bereits in den Jahren des Großen Vaterländischen Krieges entwickelt und eingesetzt worden war. Außerdem gebe es in den ukrainischen Streitkräften sehr alte JaRM-Sprengminen, die für eine Vernichtung von Marineinfanteristen an der Küste bestimmt sind. Diese Minen sind nach wie vor sehr schwer auszumachen. „Sie sind sehr gefährlich und befanden sich zu Zeiten der UdSSR in der Bewaffnung jeder Mot.-Schützendivision des Militärbezirks Odessa – für einen Schutz der Schwarzmeerküste“, betonte Netkatschjow.
Wjatscheslaw Rumjanzew, Kapitän des Seehafens von Sotschi, veröffentlichte in den sozialen Netzwerken und über dienstliche Kanäle einen Appell an die Führung ziviler Schiffe, damit sie die Minengefahr beim Befahren des Schwarzen Meeres berücksichtigen. „Die ukrainische Seite verbreitet Informationen, wonach Russland angeblich diese Minen im Schwarzen Meer ausgesetzt habe und die ganze Schuld bei ihm liege“, sagt Netkatschjow. „Erstens sind aber solche alten Minen bereits aus der Bewaffnung der Seekriegsflotte Russlands genommen worden. Zweitens ist es gerade für die Seekriegsflotte der Ukraine gegenwärtig vorteilhaft, den Widerstand mittels Minen auszuspielen, um russische Anlandungseinheiten zu behindern, in Odessa an Land zu gehen“, meint der Experte.