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Transportarterien der Ukraine werden durchtrennt


Eine Serie von Schlägen gegen Bahnstationen, über die die Versorgung der ukrainischen Armee im Donbass erfolgt, ist zu einem neuen Faktor bei der Durchführung der von Präsident Wladimir Putin am 24. Februar befohlenen militärischen Sonderoperation zur „Demilitarisierung und Entnazifizierung der Ukraine“ geworden. Als erste Bahnstation erhielt der Bahnhof Nowograd-Wolynskaja im Verwaltungsgebiet Schitomir einen schweren Treffer. Bald wurde diese Liste länger. „Durch hochpräzise Luft-Boden-Raketen wurden im Verwaltungsgebiet Donezk an den Bahnstationen Pokrowsk, Slawjansk und Barwenkowo Waffen und Militärtechnik der im Donbass eingetroffenen Reserven der ukrainischen Truppen vernichtet“, berichtete der offizielle Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Generalmajor Igor Konaschenkow.

Im Februar und März hatten sich die russischen Militärs im Verlauf der bereits den 51. Tag andauernden Operation der Bombardements von Objekten mit einer doppelten Zweckbestimmung enthalten, wobei sie bestrebt waren, unnötige Opfer zu vermeiden und nach Möglichkeit die Straßen-, Produktions- und soziale Infrastruktur zu bewahren. Die ukrainischen militärischen Führungskräfte hatten beschlossen, diesen Moment zu ihrem Vorteil auszunutzen. Die „nationalistischen Bataillons“ (entsprechend dem russischen offiziellen Sprachgebrauch – Anmerkung der Redaktion) hatten angefangen, befestigte Positionen in Ortschaften und an Industriestandorten anzulegen. „Die ukrainischen Formationen nutzen den einstigen Betrieb „Asowstahl“ in Mariupol als ihr Hauptquartier und haben ihn zu einer wahren Festung mit einem Bunker gemacht“, behauptete Tschetscheniens Oberhaupt Ramsan Kadyrow auf seinem Telegram-Kanal.

Die Nationalisten kann man aus Moskauer Sicht unter Einsatz schwerer Waffen von dort verdrängen. In Mariupol wurden superstarke selbstfahrende Minenwerfer vom Typ „Tulpe“, die 42 Kilogramm schwere Minen verschießen, ausgemacht. Derartige Waffen (freilich in älteren Versionen des gleichen Kalibers von 240 Millimetern) wurden mit einem hohen Wirkungsgrad durch die Syrische arabische Armee bei der Erstürmung befestigter Gebiete in Vororten von Damaskus eingesetzt.

Außerdem verwendet die Volksmiliz der von Moskau anerkannten Donezker Volksrepublik beim Versuch der Einnahme von Mariupol die mobilen Artilleriesysteme 2S3 „Akazie“ mit einem Kaliber von 152 Millimetern für ein direktes Beschießen der Befestigungen des Gegners. Es wird die Auffassung vertreten, dass die Aufgabe der Restbestände des 503. Sonderbataillons der Marineinfanterie der ukrainischen Streitkräfte nach dem Beschuss ihrer Stellungen mit schweren Feuerwerfer-Systemen vom Typ „Buratino“, die Raketengeschosse mit einer Thermo-Druck-Ladung verwenden, erfolgte.

Der Einsatz solcher Systeme im Verlauf der Stadtgefechte und die Erweiterung der Liste der Ziele, die von den russischen Luft- und Kosmos-Streitkräften ins Visier genommen werden, insbesondere durch das Hinzufügen von Bahnstationen zu ihr, belegen die Verschärfung der Konfrontation, aber auch das Ausbleiben eines Kompromisses bei den Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew. Es sei daran erinnert, dass die ersten Verhandlungsrunden auf dem Territorium Weißrusslands erfolgten, danach in Istanbul fortgesetzt wurden und nunmehr kaum in den Medien auftauchen. Die ukrainische Seite hat jedoch selektiv die bei den Gesprächen angenommenen Entscheidungen umgesetzt, wobei sie diese aus Moskauer Sicht willkürlich auslegt oder sie einfach ignoriert. Angesichts des Unwillens von Kiew, den Ausgang des bewaffneten Konflikts auf friedlichem Wege und zu russischen Bedingungen zu lösen, sieht sich die russische Führung gezwungen, sich auf eine Verstärkung des militärischen Drucks einzulassen. Demnach wird also Moskau weiterhin auf ukrainischem Territorium schalten und walten, wie es dies für richtig hält.

Zum nächsten Schritt kann der Einsatz von superstarken Bomben werden. Für einen Einsatz frei fallender Bomben großen Kalibers sprechen ihre relativ geringen Kosten und das Vorhandensein einer großen Anzahl von ihnen in den Beständen des russischen Verteidigungsministeriums. Deren Anwendung sei auch dort gerechtfertigt, wo die Luftverteidigungskräfte der ukrainischen Armee vollkommen verdrängt wurden, beispielsweise in Mariupol.

Im Zuge der Vorbereitung zur entscheidenden Offensive im Donbass setzen die russischen Militärs aktiv alle Arten der Aufklärung für eine Ermittlung der Positionen von Luftabwehr-Raketenkomplexen zwecks deren weiteren Vernichtung ein. Laut den Berichten des russischen Verteidigungsministeriums seien mit Stand vom 14. April 245 ukrainische Luftabwehr-Raketenkomplexe großer Reichweite vom Typ S-300 PT/PS und mittlerer Reichweite vom Typ „Buk-M1“ vernichtet worden. Gegen Objekte, die immer noch durch derartige Systeme gesichert werden, setzen die russischen Militärs nach eigenen Angaben sogenannte hochpräzise Raketen vom Typ SM14, Ch555 und Ch101 mit Zielsuchanlagen ein, die von Trägermitteln abgefeuert werden, die sich außerhalb der Reichweite des Gegenfeuers der ukrainischen Streitkräfte befinden.

Seit kurzem werden derartige Waffen auch gegen Bahnstationen eingesetzt. Zeitlich fiel der Beginn solch einer Anwendung mit der Erklärung des russischen Verteidigungsministers Sergej Schoigu über den Abschluss der ersten Phase der Sonderoperation vom 29. März zusammen. Es ist logisch anzunehmen, dass der Beschuss bzw. die Angriffe gegen Militärtransporte im Rahmen der Vorbereitung der zweiten Phase erfolgt.

Fernverkehrsstraßen und Bahnlinien bilden die Grundlage des Transportsysteme eines jeglichen europäischen Landes. Ab dem ersten Tag der sogenannten Sonderoperation in der Ukraine haben alle Konfliktparteien aktiv die Luftstreitkräfte und Artillerie eingesetzt, um gegen die Truppen des Gegners Schläge zu führen, die auf den Straßen unterwegs waren. Und die Bahnlinien waren bis in die jüngste Vergangenheit ohne die gebührende Aufmerksamkeit geblieben. Indem die russischen Militärs auf ukrainischem Territorium den Streitkräften der Ukraine die Möglichkeit nehmen, das Bahnnetz für eine Versorgung der Truppen an der Frontlinie zu nutzen, hoffen sie darauf, sich die Aufgabe zu erleichtern, dem Gegner eine entscheidende Niederlage im Donbass zuzufügen.

Aus militärischer Sicht spricht für die Schläge gegen die Bahnverbindungen die große Menge an militärischen Gütern, die zu transportieren sind. Es ist weitaus leichter, einen Güterzug der ukrainischen Streitkräfte an einem Bahnhof auszumachen und zu vernichten als dann gegen die Militärs und Technik des Gegners zu kämpfen, die zum Zielort mit einer anschließenden Dislozierung entlang der Frontlinie gebracht worden sind.

Die russische Armee nutzt selbst die Bahn für eine Verlegung von Truppen und den Transport von militärischen Versorgungsgütern. Auch am Südabschnitt der Front sind gepanzerte Züge der Streitkräfte der Russischen Föderation ausgemacht worden. Gepanzerte Züge des Typs BP-1 sind bis zum Zusammenbruch der UdSSR gebaut worden. Das letzte Mal wurden sie in einer Gefechtssituation im Verlauf der konterterroristischen Operation auf dem Territorium Tschetscheniens eingesetzt. Die dort zusammengestellten Sonderzüge „Kasbek“ und „Don“ und später „Amur“, „Baikal“ und „Terek“ sicherten den Schutz der Transporte über die Bahnlinie, die über das Territorium verlief, auf dem die tschetschenischen Guerillas handelten. Welche der vorhandenen gepanzerten Züge im Verlauf der russischen Sonderoperation in der Ukraine zum Einsatz kommen, ist unbekannt. Die durch sie zu erfüllenden Aufgaben sind nicht genannt worden. Mitgeteilt wurde lediglich, dass ein gepanzerter Zug, der von einer Lok vom Typ TEM18DM gezogen wurde und mit 23-mm-Luftabwehr-Komplexen ausgerüstet ist, die Evakuierung von rund 250 Menschen aus dem Verwaltungsgebiet Cherson auf die Krim gesichert hatte.