Kiew gibt die Versuche nicht auf, eine symbolische Wende im Verlauf der von Russland seit dem 24. Februar verfolgten sogenannten militärischen Sonderoperation in der Ukraine zu erreichen. Nach dem Scheitern der Anstrengungen, auf die Insel Smeinyj (Schlangeninsel) im Schwarzen Meer anzulanden, und der Niederlage in der strategisch wichtigen Stadt Popasnaja in der Donbass-Republik LVR signalisierte man in der ukrainischen Führung die Führung eines Schlages, der Moskau „schockieren“ solle. Gesetzt wird auf den Einsatz westlicher Waffen. In Kiew beklagte man sich über das Verschleppen ihrer Lieferungen, wählt aber bereits Ziele für sie aus.
In die militärischen Pläne von Kiew ließ Viktor Andrusiw, der Berater des ukrainischen Innenministers, blicken. Nach seinen Worten würde es den ukrainischen Streitkräften angeblich bereits gelingen, die Truppen der Russischen Föderation von Charkiw „zu verdrängen“. Und es werde gleichfalls die Vorbereitung zur Einnahme von Cherson vorgenommen, welches im März unter die Kontrolle Russland gelangt war und laut Aussagen einiger hochrangiger Vertreter Moskaus wohl von Russland einverleibt wird. „Es gibt diese Arbeit, und nicht nur in der Richtung von Cherson. Ich denke, in der nächsten Zeit werden die Bürger Russlands vom Ort des Schlages schockiert sein, den unsere Streitkräfte führen werden. Die Situation wird sich dadurch verändern, wie wir durch westliche Waffen verstärkt werden“, sagte der Beamte.
Wie weit diese lautstarken Erklärungen der realen Lage und den aktuellen Möglichkeiten Kiews entsprechen, ist unklar. Bei Charkiw dauern – soweit man laut einzelnen Meldungen urteilen kann – die Positionsgefechte an. Die Versuche einer ukrainischen Gegenoffensive im Verwaltungsgebiet Cherson hatten bisher keine Wirkung erzielt. Zu anderen möglichen Richtungen für eine Aktivierung der ukrainischen Streitkräfte könnten Transnistrien oder die an die Ukraine angrenzenden Regionen der Russischen Föderation werden. Gemeldet wurde gerade eine erneute im Verwaltungsgebiet Kursk vernichtete Drohne. Zuvor hatten die ukrainischen Offiziellen auch mehrfach erklärt, dass die Krim-Brücke noch ein symbolträchtiges Ziel sei.
Möglicherweise sind die Worte über die Vorbereitung eines „schockierenden Schlages“ dazu berufen, den Eindruck durch die letzten militärischen Misserfolge Kiews abzuschwächen. Im russischen Verteidigungsministerium berichtete man dieser Tage vom Scheitern einer Anlandungsoperation der ukrainischen Streitkräfte auf der Schlangeninsel. Außerdem informierte man im Verteidigungsministerium über die Einnahme der Stadt Propasnaja in der LVR, einem befestigten Gebiet der Streitkräfte der Ukraine, um die mehrere Wochen lang schwere Kämpfe geführt wurden. Das Erlangen der Kontrolle über diesen Ort erschwert die Lage der gesamten ukrainischen Gruppierung im Donbass, besonders in der LVR-Agglomeration Lissitschansk-Sewerodonezk.
Aufmerksamkeit erregt die Tatsache, dass Kiew den Erfolg seiner Pläne mit dem Einsatz westlicher Waffen verknüpft. Derweil warf der ukrainische Außenminister Dmitrij Kuleba in einem Interview der US-amerikanischen Zeitung „Politico“ den westlichen Ländern ein Verzögern deren Lieferungen vor. „Wenn wir von Anfang an erhört worden wären, wenn wir nicht stunden- und tagelang den Partnern in Europa und den USA hätten erklären müssen, warum wir gerade diese Waffen benötigen und keine anderen, so hätten wir alle Menschen ausgebildet und die Situation wäre vor Ort eine ganz andere, eine weitaus bessere gewesen. Wir alle haben Zeit verloren“, beklagte er sich. Allerdings unterstrich der Minister, dass die USA letztlich doch die Notwendigkeit anerkannt hätten, die Ukraine mit westlichen Waffen zu verstärken.
Derweil erklärte der offizielle Pentagon-Sprecher John Kirby gegenüber Fox News, dass die USA der Ukraine Waffen geliefert hätten, noch bevor die Russische Föderation ihre Sonderoperation begonnen hätte. „Die erste Milliarde Dollar, die der Präsident für die Ukraine bereitstellte, umfasst tatsächlich Hilfe mit letalen Waffen… Die Vereinigten Staaten, Kanada, Großbritannien und andere Verbündete haben wirklich geholfen, die Ukrainer auszubilden“.