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Die Ukraine bereitet sich auf eine strategische Operation am Dnepr vor


Moskau hat scheinbar schon eine Antwort auf die Entscheidung der Europäischen Union, den Bahntransport von unter die Sanktionen geratenen russischen Frachtgüter durch Litauen nach Kaliningrad zu blockieren, gefunden. Zu Hilfe ist das Verteidigungsministerium geeilt, genau gesagt: seine „Tochter“, das Unternehmen „Oboronlogistika“ (deutsch: „Verteidigungslogistik“. Es nimmt sich der Aufgabe an, solche Frachtgüter mit großen Schiffen über die Ostsee zu befördern. Im Donbass wurden durch eine Konzentration von militärischem Potenzial mit Hilfe von „Oboronlogistika“-Strukturen operativ-taktische Erfolge in der Richtung Sewerodonezk erzielt. Und nun schickt sich Kiew — allem nach zu urteilen – an, eine strategische Verteidigungslinie am Dnepr zu schaffen.

Laut Angaben von Quellen der „NG“ werden für die Gewährleistung der Arbeit der Artillerie in der Richtung des Hauptschlages der russischen Truppen täglich mehrere Güterzüge mit Munition, die regelmäßig in den Donbass gebracht wird, eingesetzt. Gewährleistet wird dieser Prozess durch die Gesellschaft mit beschränkter Haftung „Oboronlogistika“, die in der Struktur des russischen Verteidigungsministeriums im Jahr 2011 geschaffen worden war. Neben der Versorgung der Truppen im Donbass, auf der Krim und auf den Territorien der Verwaltungsgebiete Cherson und Saporoschje hat sich die GmbH der Aufgabe angenommen, auch bei der Beförderung ziviler Güter ins Verwaltungsgebiet Kaliningrad zu helfen.

Wie das Unternehmen mitteilte, sei geplant, Frachtgüter in Containern mit dem Frachter „Ursa Major“, der auf der Bahnfähren-Linie Ust-Luga – Baltijsk arbeitet, nach Kaliningrad zu befördern. Die Stadt Baltijsk ist der wichtigste Marinestützpunkt der Ostsee-Flotte (Baltischen Flotte) Russlands. Für die Beförderung militärischer und strategischer Güter dorthin werden gegenwärtig vier Schiffe eingesetzt – drei Fähren und ein Frachtschiff. In dieser militärischen Logistik findet sich auch für den zivilen Sektor Platz. „Die Kapazitäten auf den Bahnfähren sind bis Ende Juli des Jahres 2022 zu 100 Prozent ausgebucht. Auf dem Frachter „Ursa Major“ gibt es jedoch Reservekapazitäten für eine Vornahme von Container-Transporten und für eine Aufnahme von Ro-Ro-Technik“, informiert „Oboronlogistika“. Die Kapazität des Schiffs beträgt bis zu 500 Container und 30 Euro-Trucks. Der Fahrplan des Schiffs sieht vor, dass mindestens einmal in der Woche jeder der Seehäfen angelaufen wird.

Derweil könnten nach Einschätzungen von Experten dank der rhythmischen und umfangreichen Versorgung der Truppen der Russischen Föderation, die an der militärischen Sonderoperation teilnehmen, die Verbände der Streitkräfte der Ukraine in den nächsten Monaten aus dem Donbass verdrängt werden. Und eine Einkreisung von Lissitschansk durch die russischen Truppen und deren Verbündeten werde bereits in den nächsten Tagen erfolgen. Dabei werde, nachdem die Russische Föderation die Kontrolle über das gesamte Territorium der Donbass-Republiken DVR und LVR erlangte, die Hauptberührungslinie der russischen und der ukrainischen Truppen – beginnend ab Saporoschje und weiter gen Nordwesten – entlang dem Dnepr verlaufen.

Den realistischen Charakter solch eine Szenarios kann die Erklärung des Kommandierenden der ukrainischen Marine, Vizeadmiral Alexej Neischapa, bestätigen, wonach am Hauptfluss des Landes, am Dnepr eine Flussflottille formiert werde, die „aus mehreren Divisionen von Fluss-Schnellbooten“ bestehen werde.

Da der Dnepr durch Dämme und Stauseen in mehrere unabhängige Abschnitte aufgegliedert worden ist, werden die Divisionen von Schnellbooten in verschiedenen Hafenstädten entlang des Flusses disloziert werden. Und gerade sie werden mit ihrer Mobilität und den Waffen, die der Westen liefern wird, wie man in Kiew hofft, die erste Linie der von Kiew zu schaffenden strategischen Verteidigung bilden. Und nach einiger Zeit wird, wie man in den ukrainischen Streitkräften hofft, eine mächtige Gegenoffensive folgen.

Großbritanniens Premierminister Boris Johnson hat die Tatsache des erfolgreichen Vorrückens der russischen Truppen im Donbass bestätigt, hat jedoch betont: „Unsere militärische Aufklärung ist der Auffassung, dass Russland in den nächsten Monaten bis zu einer bestimmten Linie kommen könne, nach der es keine Kräfte haben werde, um anzugreifen, denn es hat seine Ressourcen ausgeschöpft“. Wo diese Linie auf der Landkarte ist, hat der britische Politiker nicht gesagt, in Kiew räumt man aber ein, dass dies der Dnepr sein werde.

Dies denken auch einige russische Experten. „Der Dnepr ist ein natürliches Hindernis. Sein rechtes Ufer kontrolliert die Russische Föderation teilweise im Verwaltungsgebiet Cherson. Weiter ist dies ukrainisches Territorium. Und für dessen Überwindung werden nicht wenige Kräfte gebraucht. Ob es eine Entscheidung der russischen Führung geben wird, den Fluss zu forcieren (überwinden), ist unbekannt. Aber ein Verlauf der russisch-ukrainischen Front entlang dem Dnepr in der Zukunft, irgendwo ab Nikopol und weiter gen Nordwesten, ist durchaus wahrscheinlich“, erklärte der „NG“ der Militärexperte und Generalleutnant Jurij Netkatschjow. Nach seiner Meinung werde es in den Gefechten im Donbass zu einer Wende zugunsten Russlands und dessen Verbündeten kommen. „Nachdem am 22. Juni der Kessel mit vier ukrainischen Bataillonen nordöstlich von Popasnaja dichtgemacht wurde, demonstriert Russland dort erstmals innerhalb von mehreren Wochen kräftezehrender Gefechte operativ-taktische Erfolge“, sagt der Experte.

Die westlichen Verbündeten bereiten jedoch Kiew auf die Möglichkeit einer Revanche vor. „Wir werden den Ukrainern helfen müssen, die Dynamik zu ändern“, erklärte Johnson. „Ich werde dieses Argument beim G-7-Gipfel (der vom 26. bis 28. Juni in Bayern stattfindet – „NG“) anführen. Da die Ukrainer imstande sind, eine Gegenoffensive zu beginnen, muss man sie mit den Waffen unterstützen, die sie von uns fordern“.

Und solche Waffen liefern die USA und Großbritannien bereits in die Ukraine. Medien und Experten betonen, dass angeblich am vergangenen Mittwoch ukrainische Gefechtseinheiten erstmals britische Raketenwerfer-Systeme vom Typ MLRS M270 eingesetzt hätten, indem sie Schläge vom Territorium Bessarabiens aus gegen russische Positionen auf der Schlangeninsel geführt hätten. Diese Systeme aus US-amerikanischer Produktion haben bei einem Schießen mit den für die ukrainischen Streitkräfte gelieferten Geschossen eine maximale Reichweite von bis zu 80 Kilometern. Und die Trefferfläche macht bei einer Salve durch sie bis zu zwei Hektar aus. Es sei angemerkt, dass die Fläche der gesamten Schlangeninsel, die russische Einheiten der Schwarzmeerflotte besetzten, etwas mehr als 20 Hektar groß ist. „Für die Verteidigung der Insel stellen jegliche Raketenwerfer-Systeme eine Gefahr dar. Aber die Einheiten der Schwarzmeerflotte haben effektive Mittel für deren Vernichtung“, betont General Netkatschjow. „Wie im Verteidigungsministerium der Russischen Föderation erklärt wird, hätten bei einem Angriff auf die Schlangeninsel am Morgen des 20. Juni die russischen Kräfte der Luftverteidigung 13 Drohnen, vier Totschka-U-Raketen und 21 reaktive „Uragan“-Geschosse vernichtet. Nicht eines der ukrainische Feuermittel habe das Ziel erreicht. Ich bin sicher, dass die Kräfte der Luftverteidigung genauso erfolgreich auch die britischen Raketenwerfer-Systeme abwehren werden, wenn es dazu kommt“.

Derweil hat der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu die Notwendigkeit einer Verstärkung des einheitlichen regionalen Luftverteidigungssystems des Unionsstaates von Russland und Weißrussland und insgesamt dessen Verteidigungsfähigkeit signalisiert. „Die Umstände diktieren die Notwendigkeit des Ergreifens kurzfristiger gemeinsamer Maßnahmen zur Verstärkung der Verteidigungsfähigkeit des Unionsstaates, zur Erhöhung der Gefechtsbereitschaft der regionalen Gruppierung von Truppen (Kräften) und des einheitlichen Luftabwehrsystems“, sagte er bei einem Treffen mit Weißrusslands Verteidigungsminister Viktor Chrenin in Moskau. Schoigu teilte mit, dass Russland bereit sei, dabei „den weißrussischen Freunden jegliche Unterstützung zu gewähren“.