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Die USA und Großbritannien versuchen, den ukrainischen Himmel zu schließen


In der NATO erörtert man auf Initiative der USA und Großbritannien Fragen im Zusammenhang mit einer Verstärkung der Luftverteidigung der Ukraine aufgrund der sich gehäuften Raketenschläge Russlands gegen kritische Objekte des Landes. Diskussionen darüber hätten bereits auf dem Summit der Freunde Kiews im Rahmen des virtuellen „Ramstein-7“-Formats stattgefunden, erklärte man im Pentagon. Dieser Frage war in Vielem auch der Samstag-Besuch des britischen Premierministers Rishi Sunak in der ukrainischen Hauptstadt gewidmet.

Laut Angaben westlicher Medien hat Großbritanniens Premier zugesagt, der Ukraine ein neues Paket militärischer Hilfe über 50 Millionen Pounds Sterling (umgerechnet etwa 60 Millionen Dollar) bereitzustellen. Es wird das Paket im Wert von 2,3 Milliarden Pounds (2,7 Milliarden Dollar) ergänzen, das London früher für Kiew geschnürt hatte. Bereits in der nächsten Zeit werden die Streitkräfte der Ukraine 125 Luftabwehrgeschütze und andere Luftverteidigungsmittel erhalten.

Zum neuen Paket gehören unter anderem „tausende Luftabwehrraketen, aber auch Radaranlagen und andere Mittel zur Bekämpfung von Kamikaze-Drohnen“. Welche Luftverteidigungsmittel konkret durch Großbritannien geliefert werden, wird nicht detailliert. Sie werden aber augenscheinlich in der Lage sein, Raketen und Drohnen zu vernichten, die die Russische Föderation im Rahmen der sogenannten militärischen Sonderoperation einsetzt. Schließlich wird dieses Paket von Militärhilfe auf dem Gebiet der Luftverteidigung, wie in London betont wird, „im Zusammenhang mit den anhaltenden russischen Raketenschlägen gegen das Energiesystem der Ukraine und andere Objekte der entscheidenden Infrastruktur bereitgestellt“. Ob es gelinge, derartige Schläge abzuwehren, sprach am 16. November Pentagon-Chef Lloyd Austin bei der Bilanzierung des Treffens „Ramstein-7“: „Ich freue mich mitteilen zu können, dass die Luftverteidigungssysteme NASAMS, die wir in die Ukraine entsandt haben, nunmehr arbeiten. Und ihre Leistung war bisher eine sehr beeindruckende“, erklärte Austin, urteilt man anhand des stenografischen Berichts von einem Treffen der Pentagon-Führung mit Journalisten, und fügte hinzu: „Die NASAMS-Systeme hatten beim Abfangen russischer Raketen einen hundertprozentigen Erfolg“. Die Luftabwehrraketen-Komplexe NASAMS, die in Norwegen unter Beteiligung US-amerikanischer Rüstungsunternehmen gebaut werden, können laut offiziellen Informationen ballistische und Flügelraketen, Drohnen und andere Luftziele in mittleren und geringen Höhen vernichten. Den ukrainischen Streitkräften sind zwei NASAMS-2-Batterien geliefert worden, die aus zwölf Startanlagen bestehen. Sie haben für den Start der Raketen sechs Startvorrichtungen und Radaranlagen. Diese Komplexe sind mit den Raketen AIM-120 AMRAAM in der Lage, Luftziele in einer Entfernung von bis zu 40 Kilometern zu vernichten. Die Wahrscheinlichkeit einer Vernichtung des Ziels mit einer Rakete wird mit 0,85 ausgewiesen. Es sei angemerkt, dass derartige Eigenschaften auch die in Deutschland entwickelten Luftabwehrraketensysteme IRIS-T SLM besitzen. Erst jüngst ist in der Ukraine eine ganze Batterie von IRIS-T SLM aus drei Startanlagen mit jeweils acht Raketen eingetroffen. Die Reichweite der Raketen wird mit 40 Kilometern ausgewiesen.

Laut offiziellen ukrainischen Angaben hätten rund 20 Prozent der russischen Raketen die Ziele erreicht (obgleich der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums Igor Konaschenkow gern oft beeindruckendere Zahlen zum Besten geben möchte, wobei die Zahlen von beiden Seiten bisher nicht nachprüfbar sind – Anmerkung der Redaktion). Der Premierminister der Ukraine, Denis Schmygal, erklärte dieser Tage, dass die Folgen der russischen Raketenattacken recht wesentliche seien. Im Zusammenhang damit fordert Kiew mehr militärische Hilfe im Bereich der Luftabwehr. Und das Pentagon hat beim „Ramstein-7“-Treffen zugesagt, solch eine Unterstützung bereitzustellen.

Wie amerikanische Medien berichteten, werde in der nächsten Zeit (augenscheinlich bereits im kommenden Winter) im Rahmen des Hilfspakets der USA die Übergabe von weiteren sechs Batterien mit NASAMS-2-Luftabwehrsystemen (das heißt 72 Anlagen) erwartet. Die Gesamtsalve aus ihnen würde unter Berücksichtigung der bereits zwei gelieferten Batterien (24 Anlagen) aus 576 Raketen bestehen. Deutschland plant, drei IRIS-T-SLM-Batterien Anfang des kommenden Jahres zu liefern. Dies bedeutet: Unter Berücksichtigung der sich bereits im Bestand der ukrainischen Streitkräfte befindlichen derartigen zwölf Anlagen können mit einem Mal 96 Raketen gegen Ziele abgefeuert werden. Derartige moderne Raketen besitzen, wie in der Bundeswehr behauptet wird, eine fast hundertprozentige Trefferwahrscheinlichkeit. Daneben hat Spanien zugesagt, noch zwei Startanlagen und nicht die allermodernsten HAWK-Luftabwehrkomplexe in die Ukraine zu entsenden. Letztere hätten laut Aussagen des Pentagon-Chefs auf eine hohe Wirksamkeit bei der Luftverteidigung, wie auch die schwedischen mobilen RBS-70-Luftabwehr-Raketenkomplexe. Ihre letzten Modifikationen sind für die Vernichtung von Luftzielen, die in geringen Höhen fliegen, bestimmt, unter anderem von Hubschraubern, Flugzeugen, Flügelraketen und Drohnen in einer Entfernung von bis zu acht Kilometern (und einer Höhe des Ziel von bis zu fünf Kilometern). Dies ist ein taktisches Niveau, und an der Verteidigungslinie mit einer Länge von 900 Kilometern, die sich gegenwärtig im Bereich der Sonderoperation Russlands gegen die Ukraine herausgebildet hat, werden von ihnen mehrere Tausend von Exemplaren geplant (mindestens zehn Stück an einem Kilometer Frontlinie). Dies ist sehr viel, und natürlich gibt es keine solche Anzahl von Luftverteidigungsmitteln in den Depots der Streitkräfte Schwedens. Wie viele schwedische mobile Luftabwehrraketenkomplexe an die Ukraine geliefert werden, ist unbekannt.

Experten diskutieren über die Möglichkeit der NATO-Länder, das gesamte Territorium der Ukraine vor russischen Schlägen abzuschirmen. Der politische Chefberater des Pentagons, Colin Kahl, erklärte gegenüber amerikanischen Medien, dass die Russische Föderation hoffe, durch Schläge gegen die Infrastruktur, die ukrainische Luftverteidigung zu schwächen, die bisher die russischen Luftstreitkräfte daran gehindert hätte, die Herrschaft im Himmel über der Ukraine zu erlangen. „Die Ukrainer werden alles bekommen, was für eine Gewährleistung der Lebensfähigkeit ihrer Luftverteidigung erforderlich ist“. Kahl betonte, dass das Pentagon die Ukraine „auf die Standardbewaffnung der NATO hinsichtlich aller Richtungen“ umstelle, „und dies betrifft nicht zuletzt die Systeme für die Luftverteidigung, solcher wie NASAM“.

„Die USA nehmen an einem Informationskrieg gegen Russland teil. Die Lieferungen von „Stinger“ (-Raketen), NASAM-Batterien usw. präsentieren sie als einen wichtigen Schritt zur Hilfe für die ukrainischen Streitkräfte mittels neuester Waffen. Wo sind aber diese neuesten Waffen?“, fragt sich der Militärexperte und Oberstleutnant im Ruhestand Alexander Owtschinnikow, der seinerzeit in den Truppen der Luftverteidigung gedient hatte.

Eine Antwort auf diese Frage können in gewisser Weise die Worte des Ex-Generals Wesley Clark, des einstigen Oberkommandierenden der verbündeten Streitkräfte der USA und der NATO in den Jahren 1997-2000, sein. Wie amerikanische Journalisten schreiben, habe Clark bei einer Tagung des Atlantischen Rates am 16. November, die vom Weißen Haus organisiert worden war, gesagt, dass „die Ukraine ein sehr großes Land ist. Und die vorhandenen Systeme für die Luftverteidigung und Raketenabwehr reichen nicht, um es ganz abzuschirmen. In der Welt gibt es nicht ein einziges Land, das vollkommen geschützt ist. Abgeschirmt werden nur einzelne Objekte“. Entsprechend der Erklärung von Clark „reicht es in der Welt nicht an Mitteln für die Luftverteidigung und Raketenabwehr. Sie liegen nicht in den Regalen. Und es gibt keine geeigneten veralteten Waffen, die man rasch an die Front werfen könnte“. Der General führte den US-amerikanischen Komplex der Luftverteidigung der 1960er Jahre als Beispiel an, der in den 1980er und 1990er Jahren modernisiert wurde. Mit MIM-23 Hawk, der „kein Raketenabwehr-Potenzial besitzt“. „Werden sie ein wenig helfen können?“, der General hegt Zweifel. „Eine geringe Anzahl wird wahrscheinlich entsandt werden. Dies bedeutet aber nicht, dass wir überschüssige „Patriot“-Batterien haben… Dennoch würde die Stationierung von einem Paar an „Patriot“-Batterien eine größere Sicherheit des Hinterlands der Ukraine gewährleisten. Und dies wird erlauben, produktiv die Logistik voranzubringen. Irgendwer muss endlich eine Analyse vornehmen und entscheiden: Ist eine militärische Überlegenheit politische Kompromisse wert, auf die man sich einlassen muss?“.

Kompromisse, dies ist ein gesondertes Thema. Analytiker sind der Annahme, dass eines der Ziele des Kiew-Besuches des britischen Regierungschefs der Versuch gewesen sei, Kiew zu einem Waffenstillstand mit Moskau zu bewegen. Michail Podoljak, Berater des Chefs des ukrainischen Präsidenten-Office, hat vom Wesen her diese Erklärungen bestätigt, indem er mitteilte, dass „er die Versuche des Westens nach den großen militärischen Siegen Kiews, die Ukraine von der Notwendigkeit von Verhandlungen mit Moskau zu überzeugen, für „merkwürdige“ hält und sie der Forderung nach einer Kapitulation gleichkommen“. „Wenn die Initiative auf dem Schlachtfeld Ihnen gehört, ist es merkwürdig, Vorschläge von der Art zu bekommen: Sie können ja doch nicht alles mit militärischen Mitteln bewerkstelligen. Sie müssen Verhandlungen führen“, sagte er. Nach seinen Worten werde dies bedeuten, dass das Land, „das seine Territorien zurückholt, vor dem Land kapitulieren soll, das verliert“.