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Der Verfassung – die Abstimmung, Putin – ein Vertrauensreferendum


Wladimir Putin dankte den Bürgern Russlands für die Unterstützung der Verfassungsänderungen und das Vertrauen ihm gegenüber. Die Position derjenigen, die dagegen sind, bezeichnete er als eine legitime, die bedeute, dass die Regierenden verpflichtet seien, schneller und effektiver die bestehenden Probleme zu lösen. Solche Worte des Präsidenten kann man durchaus auch auf die Arbeit, um hunderte Gesetze mit der aktualisierten Verfassung in Übereinstimmung zu bringen, anwenden. Der Prozess soll bereits in der nächsten Woche beginnen, doch die Frage, was in erster Linie verändert werden soll, wird vorerst diskutiert. Die Opposition befürchtet, dass dies die Korrektur der Wahlregeln sein werde. Wobei die Nichteinverstandenen nicht ausschließen, dass eine mehrtägige Abstimmung direkt aus dem Stand heraus für die seit Mitte Juni laufende Kampagne für die Wahlen in den Regionen genehmigt werden könne. 

Die offiziellen Ergebnisse der gesamtrussischen Abstimmung zu den Verfassungsänderungen präsentierte die Zentrale Wahlkommission am 3. Juli. Für die Veränderung des Grundgesetzes sprachen sich 57,75 Millionen Menschen oder 77,92 Prozent der in die Abstimmungslokale gekommenen aus. Dabei ergibt sich, dass für eine Unterstützung der Änderungen52,95 Prozent aller stimmberechtigten Bürger des Landes plädierten. Gegen die Änderungen votierten 21,27 Prozent, d. h. 15,8 Millionen Teilnehmer des Plebiszits. Die endgültige Beteiligung an der Abstimmung machte somit 67,97 Prozent aus.

Es ist unschwer zu bemerken, dass jede dieser Zahlen die Werte der Präsidentschaftswahlen von 2018 übertrifft, außer einen – den für die Anzahl derjenigen, die Putin das Vertrauen versagten. Wenn man alle Prozente seiner damaligen Kontrahenten zusammenlegt, so sind dies 22,24 Prozent. Ergo ergibt sich sozusagen gar eine Verringerung der Basis der Gegner um beinahe ein Prozent. Dies ist jedoch Kasuistik. Anschaulicher sieht solch ein Vergleich aus: 2018 — 56,43 Millionen für Putin, 2020 — 57,75 Millionen oder eine Zunahme um mehr als eine Million Stimmen. Im Kreml versichert man laut Informationen der „NG“ nach wie vor, dass man dort nicht mit solch einem Sieg gerechnet habe, wobei man angenommen hätte, dass, wenn das Ergebnis des Referendums von 1993 zur Annahme der Verfassung übertroffen werde, dies auch so bereits gut sein werde. Tatsächlich jedoch ist es ein Vertrauensreferendum für Putin geworden. Die erneuerte Fassung der Verfassung konnte auch entsprechend den Ergebnissen eines bescheideneren Ausgangs der Abstimmung in Kraft treten.  

Dies bestätigten auch die Dankesworte des Präsidenten an die Bürger, die bereits in den Nachmittagsstunden des 2. Juli gesagt wurden: „Ich möchte Ihnen ein großes Dankeschön für die Unterstützung und das Vertrauen sagen“. Putin erinnerte daran, dass die Verfassungsänderungen zu einer Vervollkommnung des politischen Systems, einer Verankerung der sozialen Garantien sowie einer Stärkung der Souveränität, der territorialen Integrität und „schließlich unserer geistigen, historischen und moralischen Werte, die die Generationen verbinden“ führen würden. 

Aber er unterstrich gleichfalls die geopolitische Bedeutung des stattgefundenen Plebiszits. „Das heutige Russland befindet sich zweifellos noch im Stadium der Herausbildung, des Werdens. Dies betrifft alle Aspekte unseres Lebens – sowohl das politische System als auch die Wirtschaft und so weiter. Wir sind in Vielem noch sehr verwundbar. Bei uns ist vieles, wie man im Volke sagt, mit heißer Nadel gestrickt worden. Wir brauchen innere Stabilität und Zeit für die Stärkung des Landes und all seiner Institute“, erklärte der Präsident.  

Diese Worte kann man vom Prinzip her auch als eine Erklärung der politisiertesten Änderung über das „Resetten“ der Präsidentenamtszeiten von Putin an sich ansehen. Gerade um diese Norm gestaltete sich auch die ganze, gerade zu Ende gegangene elektorale Kampagne. Und die Opposition hatte auf dieser ihre ganze Agitation gegen das Plebiszit aufgebaut. Laut Angaben der „NG“ habe man im Kreml nach Erhalt der Informationen über den absoluten Sieg entschieden, an der Wiederherstellung der Einheit der Gesellschaft zu arbeiten. 

Und das Staatsoberhaupt hat dies in seiner Ansprache bestätigt: „Gleichzeitig verstehe ich auch jene unserer Bürger, die dagegen gestimmt haben. Wir haben noch viele ungelöste Probleme. Das ist die Wahrheit. Viele leben noch sehr schwer und hart. Für uns aber, für die Landesführung, scheint es dabei oft, dass wir alles Mögliche tun. Aber nein, das Leben zeigt etwas Anderes. Das Leben zeigt, dass wir oft nicht alles tun. Wir müssen aber schneller, exakter, organisierter und effektiver handeln“. Dies sollte scheinbar wie eine gewisse Entschuldigung aussehen. Aber Putin wäre nicht Putin, wenn er seine Rede nicht mit der Konstatierung beendete hätte, dass dennoch die Mehrheit der Bürger für die derzeitigen Herrschenden sei.

Generell beginnen sich bereits die politischen Konsequenzen des Plebiszits zu offenbaren. Während der Kreml beispielsweise auch nur eine gewisse Aussöhnung andeutet, ist die Opposition allem Anschein nach bisher nicht einverstanden, sich darauf einzulassen. Leonid Wolkow, der Koordinator des Netzwerkes der Stäbe von Alexej Nawalnyj, zieht bereits von den Plebiszit-Ergebnissen dutzende Millionen „unechter Stimmen“ ab. Nawalnyj selbst signalisierte solch einen Plan: die ganze Zeit gegen die Offiziellen agitieren, sich auf die „kluge Abstimmung“ bei allen Wahlen vorbereiten und, wenn sie dennoch verloren werden, mit Protesten auf die Straße gehen. 

Der Präsident hat vom Wesen der Sache her den Erhalt eines Vertrauenskredits von den Menschen für signifikante Veränderungen im Land anerkannt. Und man kann annehmen, dass man als erste von ihnen den Bürgern die Korrekturen in der Gesetzgebung zeigen wird, die sich aus den angenommenen Änderungen ergeben. Der Vorsitzende des Ausschusses für Verfassungsgesetzgebung des Föderationsrates, Andrej Klischas, hat bereits mitgeteilt, dass die Arbeit an einhundert Gesetzen in der nächsten Woche beginnen werde. Wie die „NG“ aus Quellen im Präsidialamt erfuhr, werde dies vorerst nur eine Erörterung auf der Ebene der Rechtsabteilungen verschiedener staatlicher Machtorgane sein. 

Die Nichteinverstandenen erwarten jedoch schon in erster Linie eine Verschärfung der Wahlregeln durch die Herrschenden. Der Gouverneur des Leningrader Verwaltungsgebiets, Alexander Drosdenko, beispielsweise, der bereits als Kandidat für die anstehenden Wahlen am 13. September registriert worden ist, plädierte für die Einführung einer mehrtätigen Abstimmung bei der derzeit schon laufenden Wahlkampagne. Er verknüpfte dies „mit der Sorge um die Gesundheit der Bürger unter den Bedingungen der Coronavirus-Epidemie“. Die „NG“ befragte Vertreter der Opposition, ob sie das Auftauchen neuer Regeln direkt bezüglich des Verlaufs der regionalen Wahlkampagnen für möglich halten oder nicht. Der Leiter des juristischen Dienstes der KPRF, Wadim Solowjow, erklärte der „NG“, dass, „nachdem die Offiziellen sich einer Unterstützung versicherten, haben sie angefangen, den Vertrauenskredit für eine Stärkung ihrer selbst zu verschleudern“. Er ist der Auffassung, dass man in jenen Regionen, wo die Situation eine komplizierte sei, Hintertüren finden werde. „Entweder wird man erklären, dass dies ein Schutz vor dem Coronavirus ist, oder boxt es mit irgendeinem Dokument der exekutiven Gewalt durch“. Der Staatsduma-Abgeordnete von „Gerechtes Russland“, Michail Jemeljanow, nimmt jedoch an, dass, da die Kampagne begonnen habe, es einfach unmöglich sei, das Gesetz zu ändern. „Jetzt erfolgt sicher eine Suche nach neuen Formen für die Abstimmung, die erlauben werden, für die regierende Partei und ihre Kandidaten einen Vorteil zu erhalten. Aber man wird sie am ehesten zu den Dumawahlen einführen. Bei diesen Wahlen (am 13. September 2020 – Anmerkung der Redaktion) wird man es schon nicht schaffen“, betonte er. Andrej Busin, Ratsmitglied der Bewegung „Golos“ (unabhängige Wahlbeobachtungsorganisation in Russland, die den Status eines „ausländischen Agenten“ trägt – Anmerkung der Redaktion), erläuterter der „NG“, dass es entsprechend dem Gesetz über die Hauptgarantien für die Wahlrechte und das Recht auf Teilnahme an einem Referendum für die Bürger der Russischen Föderation unmöglich sei, die Gesetzgebung während einer Wahlkampagne zu ändern. Dies könne jetzt selbst die Staatsduma nicht tun. Und natürlich hätten die regionalen Behörden und Offiziellen keine solche Vollmacht. Die Offiziellen würden dennoch aber Hintertüren für die anstehenden Regionalwahlen suchen. Zum Beispiel könnten irgendwelche Territorien als schwer zugängliche und abgelegene eingestuft werden. Das Mitglied des Politkomitees der Jabloko-Partei, Emilia Slabunowa, betonte, dass, „nachdem die Offiziellen eine Unterstützung bekamen, angefangen haben, sie für einen eigenen Vorteil auszunutzen. Das heißt, der Vertrauenskredit wird für sich und nicht für die Bürger verwendet“. Das Prozedere, erklärte sie, habe bereits aufgehört, irgendetwas Geheimes für die Herrschenden zu sein. 

https://www.ng.ru/politics/2020-07-02/1_7901_constitution.html