Die Zone der militärischen Sonderoperation wird durch die Region des Asowschen und des Schwarzen Meeres erweitert, aus der die russischen Kräfte wieder begonnen haben, Schläge gegen die Schlangeninsel und küstennahe Ziele im Verwaltungsgebiet Odessa zu führen. Dabei setzt Moskau weiterhin aktiv seine taktische Offensive an der gesamten Frontlinie auf dem Festland fort. Wie der Chef der berüchtigten russischen Söldnerfirma „Wagner“, Jewgenij Prigoschin, mitteilte, hätten die ihm unterstehenden Einheiten am Sonntag, dem 12. Februar die Ortschaft Krasnaja Gora in der Donezker Volksrepublik unter ihre Kontrolle gebracht.
In der Bachmuter (Artjomowsker) Richtung würden die „Wagner“-Kämpfer (unter denen auch ehemalige Strafgefangene sind, die nach Ableistung ihrer Verträge begnadigt werden können, wenn sie überleben – Anmerkung der Redaktion) derzeit die intensivsten Gefechte führen. Die Versuche einer Offensive dauern dort bereits über drei Monate an, und ihr Tempo ist extrem gering.
Für Kiew ist es augenscheinlich eine Sache des Prinzips, den angreifenden russischen Einheiten nicht zu erlauben, vollkommen Bachmut einzunehmen, von wo aus sich operativer Raum für eine Offensive gegen Slawjansk und Kramatorsk – Schlüsselstädte des Donbass, die nicht durch Russland kontrolliert werden – eröffnet. „Bachmut wird heute gebraucht, um den Truppen die Möglichkeit zu verschaffen, komfortabel zu agieren. Daher ist Bachmut der Hauptanziehungspunkt, gegen den die ukrainische Armee vorrückt“, sagte der Chef der Söldnerfirma „Wagner“, wobei er betonte, dass die Ukraine regelmäßig Verstärkung in die Stadt schicke. „Und solange wir sie da quälen, rechnen wir damit, dass alle übrigen weiter vorrücken, sich besser aufstellen, Positionen einnehmen, vorankommen usw.“, resümierte Prigoschin. Dabei ließen Experten seine Worte darüber aufhorchen, dass „man noch anderthalb, zwei Jährchen arbeiten muss“. Aus dieser Erklärung kann die Schlussfolgerung ziehen, dass die militärische Sonderoperation mindestens 18 bis 20 Monate andauern wird.
„Prigoschin kann sich irren, doch urteilt man anhand der entstandenen Situation, so bestehen bei der Offensive der Landstreitkräfte Russlands im Donbass erhebliche Hindernisse aus den dort in den vergangenen mehr als acht Jahren angelegten Verteidigungsräumen der Streitkräfte der Ukraine. Und ihre Vernichtung erfordert erhebliche Kräfte, Zeit – und das Wichtigste – Gefechtsressourcen in Gestalt von Geschossen, Kampfdrohnen, Luftstreitkräften und gepanzerter Technik, die regelmäßig in großen Umfängen in die Zone der militärischen Sonderoperation geliefert werden müssen“, sagte der „NG“ der Militärexperte und Generalleutnant im Ruhestand Jurij Netkatschjow. Er betont, dass sich für eine effektive Offensive gegen die befestigten Räume „die Einheiten der Söldnerfirma „Wagner“ ideal eignen“, aber von denen gebe es nicht sehr viele. „Die Truppen der Streitkräfte der Russischen Föderation, die mit Reservisten aufgefüllt und aufgestellt worden sind, im Zuge der Teilmobilmachung erfasst wurden, beginnen erst nur die Kampfhandlungen. Und sie brauchen Zeit, um Kampfes-Meisterschaft und Erfahrungen zu sammeln“, betont der General.
Netkatschjow lenkt das Augenmerk auf die am vergangenen Freitag in Massenmedien und sozialen Netzen aufgetauchten Fotos und Videos, die einen zerschlagenen Konvoi von Gefechtstechnik der Streitkräfte der Russischen Föderation in der Umgebung von Ugledar zeigten. Wie Analytiker des Telegram-Kanals „Rybar“ (deutsch: „der Fischer“), betonen, die den Versuch unternahmen, eine Analyse der Situation vorzunehmen, „kann man so viel wie möglich dem Kommando der Gruppierung die Schuld anlasten. In konkret diesem Fall wurden jedoch zur Ursache der tragischen Ereignisse der generelle fehlende Ausbildungsstand der Kommandeure der Bataillons- und taktischen Ebene sowie das Ausbleiben eines Zusammenwirkens der eingesetzten Einheiten“. Sie betonen, dass die „Angst vor dem Kommando, der Unwille, an den Fehlern zu arbeiten, die Nichtausnutzung der Erfahrungen aus einem Jahr militärische Sonderoperation und die gewöhnlichste Bürokratie die Hauptursachen für das Geschehene sind“. Daher „sind systematische Veränderungen in den Herangehensweisen an die Führung der Kampfhandlungen nötig – sowohl auf operativ-taktischer als auch einfach auf taktischer Ebene“. Andernfalls würden sich derartige Situationen „jedes Mal wiederholen“, betonen die Analytiker des Kanals „Rybar“. Derartigen Schlussfolgerungen pflichtet Netkatschjow vollkommen bei und stellt sich die Frage: Warum habe das Verteidigungsministerium der Russischen Föderation bisher nicht auf diesen Zwischenfall an der Front reagiert?
Das Verteidigungsministerium Russland hat dafür erneut über Erfolge in der Zone der militärischen Sonderoperation berichtet (wobei diese Moskauer Angaben nicht überprüft werden können – Anmerkung der Redaktion). In den Berichten des Verteidigungsministeriums wird betont, dass am Samstag und Sonntag Luftschläge in den Richtungen Kupjansk, Krasny Liman und Donezk geführt worden seien. Und am vergangenen Freitag hätten die Streitkräfte der Russischen Föderation gar einen „massiven Schlag gegen kritisch wichtige Objekte des Systems der Energiewirtschaft, die das Funktionieren der Betriebe der Rüstungsindustrie und des Transportsystems der Ukraine gewährleisten, geführt“. (Laut den Aussagen des russischen Verteidigungsministeriums ergibt sich somit, dass es in der Ukraine Energieversorgungsobjekte für die Rüstungsindustrie und das Transportwesen und augenscheinlich andere Energieversorgungsobjekte für zivile Zwecke gebe. – Anmerkung der Redaktion) Im Generalstab der ukrainischen Streitkräfte konstatierte man, dass die „russischen Truppen gegen das Territorium der Ukraine 106 Raketen abgefeuert hatten. Außerdem wurden am 10. Februar 59 Luftangriffe geführt, von denen 28 unter Einsatz von Drohnen des Typs „Shahed-136“ erfolgten. Moskau dementiert diese Angaben nicht und unterstreicht, dass dank der vorgenommenen Schläge in der Ukraine „die Arbeit der energieintensiven Fertigungsstätten der Rüstungsindustrie unterbrochen, aber auch die Verlegung ausländischer Waffen, Munition und Reserven in die Gebiete der Kampfhandlungen per Bahn blockiert wurde“.
Daneben hat die Schwarzmeerflotte begonnen, sich aktiver an der Lösung der Aufgaben der militärischen Sonderoperation zu beteiligen, aber auch ihre Rückwärtigen Dienste sowie technischen Einheiten und Schiffe, die im Bereich des Asowschen Meeres konzentriert worden sind. Laut einigen Angaben werde eine Seekriegsmarine-Infrastruktur in Mariupol geschaffen. Der Bürgermeister dieser Stadt, Oleg Morgun, bekundete bereits die Hoffnung, dass im Hafen von Mariupol ein Stützpunkt der Schwarzmeerflotte etabliert werde.
In den Medien tauchten Meldungen über einen Angriff gegen eine Eisenbahnbrücke im Verwaltungsgebiet Odessa mittels unbemannter Schnellboote der Schwarzmeerflotte, die die Bahnverbindung mit Rumänien sicherte, auf. Jetzt ist scheinbar dieser Weg blockiert worden. Und für den Transport materieller Ressourcen in den Süden der Ukraine aus dem Westen werden Bahnstrecken genutzt, die durch Moldawien verlaufen. Gegen den küstennahen Bereich bei Odessa hat Russland ebenfalls einen Schlag mit Schiffsbekämpfungsraketen vom Typ „Onyx“ geführt. Und zwei russische Su-24M-Bombenflugzeuge haben vier Bomben über der Schlangeninsel abgeworfen. „Es sei angemerkt, dass bis dahin nur im Sommer vergangenen Jahres Schläge gegen die Schlangeninsel durch die Luftstreitkräfte der Russischen Föderation geführt wurden“, teilte der „NG“ Generalleutnant Netkatschjow mit. „Man kann sagen, dass die Schwarzmeer-Richtung für Russland erneut zu einer hauptsächlichen wird. Was indirekt eine mögliche Vorbereitung auf eine Offensive von Kräften der Schwarzmeerflotte vom Meer aus gegen Odessa und Nikolajew belegt“.