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Proteste in Chabarowsk heizen Russlands Fernen Osten auf


Die gesamte vergangene Woche dauerten in der Verwaltungsregion Chabarowsk die nichtgenehmigten Proteste im Zusammenhang mit der Festnahme von Gouverneur Sergej Furgal und dessen Überführung nach Moskau an. Der Vertreter der Liberal-Demokratischen Partei Russlands (LDPR) wird der Beteiligung an der Ermordung mehrere Geschäftsleute aus dem Fernen Osten in den Jahren 2004-2005 bezichtigt. Furgal befindet sich derzeit in der Moskauer U-Haftanstalt des Inlandsgeheimdienstes, obgleich dieser Fall überhaupt nicht durch den FSB, sondern durch das Untersuchungskomitee aufgeklärt wird. Freilich treten auf den Straßen von Chabarowsk und anderen Städten der Region die Menschen nicht nur für die „Freiheit für Furgal“ auf, sondern auch gegen die respektlose Haltung des föderalen Zentrums.

Jetzt hat der Unmut über Moskau begonnen, auch andere Regionen der Russischen Föderation zu erfassen. Ende der vergangenen Woche waren beispielsweise die nichtgenehmigten Aktionen in Wladiwostok und Birobidschan (Verwaltungszentrum des Jüdischen Autonomen Bezirks – Anmerkung der Redaktion) offenkundig mit den Manifestationen von Chabarowsk synchronisiert. Die Polizei fing nicht an, die Proteste mit wenigen Teilnehmern auseinanderzutreiben. Protokolle hinsichtlich einer Reihe von Aktivisten wurden später ausgefertigt. Klar ist jedoch, dass, wenn sich die Aktionen außerhalb der Verwaltungsregion Chabarowsk ausdehnen werden, so sich die Behörden entscheiden müssen – und zwar zwischen einer schlechten und einer noch schlechteren Variante. Die erste ist die einer Unterdrückung der Proteste. Einerseits wird man so zeigen können, dass Chabarowsk eine zufällige Ausnahme ist. Andererseits aber werden die „Natschalniki“ – die Spitzenvertreter – im Primorje-Gebiet und im Jüdischen Autonomen Bezirk (JAB) in den Augen der Einwohner nicht gerade gut aussehen. Und im JAB läuft derzeit die Wahlkampagne für die Gouverneurswahl. Für das föderale Zentrum ist natürlich die schlechteste Variante das Aufheizen des gesamten Fernen Ostens. Und daher wird wohl den regionalen Behörden am ehesten die Anweisung erteilt, „sich (die „Ruhestörer“ – Anmerkung der Redaktion) zu greifen und nichts aus dem Ruder laufen zu lassen“. Etwa solch eine Vorgehensweise wird auch in Chabarowsk zur Anwendung kommen, nachdem dort ein vom Präsidenten ernannter zeitweiliger Gouverneur eingesetzt wurde. Der Chef der LDPR, Wladimir Schirinowskij, hat bereits angekündigt, dass der Erlass von Wladimir Putin über den Ersatz für Furgal am 20. Juli kommen werde. Und dieser Mann werde angeblich erneut ein Vertreter der LDPR sein. Wenn sich diese Prognose bewahrheitet, so beweist Moskau damit sozusagen, dass im Fall von Furgal keine politische Komponente vorliegt.

Dann wird aber freilich die Version über die kommerzielle Komponente eine Untermauerung erhalten, von der Schirinowskij bereits gesprochen hatte – die vom Kampf um die Kontrolle des Unternehmens „Amurstahl“. In den staatlichen Medien kommt dieses Thema aber nicht vor. Und der Kreml lässt die Risiken außer Acht, die sich aus Ereignissen ergeben, die das (staatlich gelenkte) Fernsehen nicht zeigt. Dabei wird die Entwicklung der Ereignisse entsprechend der Variante „ein Nachfolger aus der LDPR“ für letztere zu einer Art Crash-Test. Wenn die Proteste fortgesetzt werden, so bedeutet dies, dass die Positionen der Partei in der Region in Vielem bereits null und nichtig sind. 

Derweil sind in der vergangenen Woche die LDPR zusammen mit der KPRF und „Gerechtes Russland“ bis zu solch einem Grade radikaler geworden, dass sie sich Erklärungen über eine Zerstörung des sattsam bekannten „Krim-Konsens“ der parlamentarischen Opposition mit den Herrschenden erlaubten. Das erfolgte auf der hastigen Annahme von Änderungen an der Wahlgesetzgebung durch die Staatsduma, die für die Wahlen zum Unterhaus die Technologien für die Abstimmung einführen, die beim Verfassungsplebiszit am 1. Juli getestet wurden. Dies ist insbesondere die mehrtägige Willensbekundung der Wähler sowohl in den üblichen Abstimmungslokalen als auch an jeglichen anderen dafür geeigneten Plätzen. 

„Einiges Russland“ hatte den Gesetzentwurf mit einer Mehrheit durchgedrückt, doch die dritte Lesung dennoch auf den 21. Juli verschoben. Wonach die Oppositionellen loszogen, um sich in der Zentralen Wahlkommission über das harte Verhalten der Regierungspartei zu beschweren. Dort hatte man gerade Experten zwecks Erörterung unerlässlicher Veränderungen die Regeln für die Wahlen aller Ebenen versammelt. Die Abgeordneten veranstalteten in der Zentralen Wahlkommission die Diskussion, die an der Ochotnyj Rjad (Straße im Moskauer Stadtzentrum, an der sich der Sitz der Staatsduma befindet – Anmerkung der Redaktion) nicht stattgefunden hatte. Die Institution von Ella Pamfilowa (Chefin der Zentralen Wahlkommission – Anmerkung der Redaktion) erwies sich aber als der Hauptlobbyist der bevorstehenden Veränderungen. Vorgeschlagen wird, sie bereits im Verlauf der gegenwärtigen Wahlkampagne zur Wirkung zu bringen.

Dabei hatte Pamfilowa in der vergangenen Woche vorgeschlagen, doch das Datum für den einheitlichen Abstimmungstag (EAT) zu ändern, womit diese Kampagne mit den einzuführenden Neuerungen koordiniert wird. Es wurde bereits ausgerechnet, dass der März die beste Zeit sei. Und die Verlegung des EAT in den Frühling erlaubt außerdem, die Entscheidung des Verfassungsgerichts über die Möglichkeit zu aktualisieren, den Tag der Duma-Wahlen im Rahmen eines Jahres zu ändern. Dann wird verständlicher, warum sich „Einiges Russland“ mit den jetzigen Gesetzesänderungen beeilte. Denn damit werden für vorgezogene Wahlen die technologischen Grundlagen geschaffen.