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Kunst wird für das Volk immer unerschwinglicher


Die staatliche Hermitage hat die Anhebung der Preise für Eintrittskarte bekanntgegeben. Ab dem 1. Dezember verteuert sich der Besuch des Hauptkomplexes des Museums und des Hauptstabes am Petersburger Schlossplatz von 500 bis auf 700 Rubel (umgerechnet etwa 7,70 Euro). Das weltberühmte Museum hat bewusst die Winter-, die Übergangszeit ausgewählt. Einen Monat vor den Neujahrsferien geht die Anzahl der Besucher traditionsgemäß zurück. Dabei erhöht die Hermitage die Zahl der vergünstigten Kategorien. Bereits seit dem 1. Oktober ist der Besuch des Hauptkomplexes des Museums donnerstags nicht nur für Rentner, sondern auch für Minderjährige bis zum Alter von 18 Jahren sowie College- und Hochschulstudenten zu einem kostenlosen geworden.

Die Entscheidung der Hermitage über eine Anhebung der Eintrittspreise, die von der Öffentlichkeit mit Bedauern aufgenommen wurde, hat verständliche Ursachen. Der Erlos wird erlauben, die Bewachung der Objekte zu verstärken, die Arbeiten mit der Sammlung fortzusetzen, ein zugängliches Ambiente zu organisieren usw. Die Einnahmen aus dem Verkauf von Eintrittskarten werden zu einen immer wichtigeren Bestandteil des Etats einer jeglichen Kultureinrichtung. Sei es nun ein Museum, ein Theater oder eine Philharmonie. Besonders in den Regionen, wo es keine ernsthaften Sponsoren gibt oder die Kultur nach dem Prinzip finanziert wird, was übrig bleibt, wird für die Kultur ausgegeben.

Übrigens, 700 Rubel für einen Besuch der Hermitage ist in einem größeren Kontext gesehen gar nicht so viel. Eine Eintrittskarte für das Puschkin-Museum in Moskau kostet 950 Rubel, für die Tretjakow-Galerie – 700 Rubel. Schaut man aber auf die Einkommen der meisten Bürger Russlands, ergibt sich ein anderes Bild: Ein Museumsbesuch durch die ganze Familie kostet mehr als einen Pappenstiel. Und wenn mit einer Führung – so wird dies ein ganz und gar rundes Sümmchen.

Die Preise für Theater-Karten sind in Russland in aller Munde. Und die Nachricht über Karten für eine Aufführung im Moskauer Tschechow-Künstlertheater mit Nikolaj Tsiskaridse (in der kürzlichen Premiere des Bulgakow-Stücks „Die Kabale der Scheinheiligen“ spielte er Ludwig XIV.) für 70.000 Rubel (umgerechnet etwa 770 Euro) schockieren schon nicht, obgleich sie aber in Erstaunen versetzen. Dabei hatte sich Tsiskaridse selbst in seinen Kommentaren hinsichtlich des Ansteigens der Preise für die Einführung von Obergrenzen ausgesprochen. Der Rektor der A.-Ja-Waganowa-Akademie für russisches Ballett ist zurecht der Auffassung, dass der Preis einer Theaterkarte das durchschnittliche Monatsgehalt in Russland nicht übersteigen könne.

Die Ticketfirmen fixieren derweil sowohl eine Zunahme der Nachfrage als auch ein Ansteigen der Durchschnittspreise. Laut Angaben des Internetportals Yandex-Afisha hat sich im ersten Halbjahr dieses Jahres der Durchschnittspreis für Theaterkarten um 15 Prozent bis auf rund 5000 Rubel erhöht. Und obgleich die Theater oder Konzertorganisationen das Vorhandensein von Eintrittskarten zu sehr hohen, praktisch unerschwinglichen Preisen eingestehen, akzentuieren die Leitungen stets eine Verstärkung des Blocks der sozialen Preise.

Die Kultureinrichtungen wetteifern um die Führungsrolle beim Verkauf hinsichtlich der sogenannten „Puschkin-Karte“ (für Besucher im Alter von 14 bis 22 Jahren). Es sei angemerkt, dass der Besitzer einer „Puschkin-Karte“ für die 5000 Rubel, die der Staat subventioniert, einmal, maximal zweimal in ein hauptstädtisches Theater gelangen kann, wenn es klappt, eine Eintrittskarten beim Verkaufsbeginn zu ergattern. Was sollen aber die Menschen im Alter von 23 bis 59 Jahren machen? Einen Klappsitz oder unbequeme Sitze erhaschen und auf die Möglichkeit, das Geschehen auf der Bühne zu verfolgen, verzichten (was beispielsweise im Falle eines Balletts ausgeschlossen ist)?

Die Frage, wie der Kulturbereich geregelt werden sollte, steht seit langem auf der Tagesordnung. Die Bewegung ist da offensichtlich – in die Richtung marktwirtschaftlicher Verhältnisse. Derweil muss die Zugänglichkeit zu Kultureinrichtungen und generell zur Kultur doch zu gleichen Bedingungen existieren, besonders für die junge Generation. Der Staat muss schon heute den Kultur-Code der Generation ausprägen, die morgen die Tagesordnung – die politische, die ökonomische und die soziale – bestimmen wird. Eine Unzugänglichkeit der Kultur führt zu einer geistigen Verarmung ganzer Cluster der Bevölkerung und als Folge des Kultur-Codes der ganzen Nation, des Kultur-Codes des Landes.

Die Grenze zwischen Kommerzialisierung und Humanisierung ist eine filigrane, eine delikate, für die es keine eindeutige Lösung gibt. Der Übergang der Kulturinstitutionen zu marktwirtschaftlichen Formen der Arbeit ist zweifellos ein Merkmal unserer Zeit. Doch jeder Leiter und Gründer sollte aber dennoch die Gefahr einer Ausgrenzung von Segmenten der Gesellschaft im Kulturbereich begreifen, um das kulturelle Rückgrat der Nation zu bewahren.