Die russisch-amerikanischen Konsultationen zur Verlängerung des Vertrags über den Abbau der Offensivwaffen START-3 sind scheinbar endgültig in eine Sackgasse geraten. Der Vorschlag des Sonderbeauftragten des US-Präsidenten Donald Trump für Abrüstungsfragen, Marshall S. Billingslea, ein neues Abkommen unter der Bedingung eines Einfrierens der Kernwaffenarsenale „gleich morgen“ zu unterschreiben, hat keinen Widerhall in Moskau gefunden. Und die Initiative von Präsident Wladimir Putin, ohne jegliche Bedingungen die Geltungsdauer „zumindest für ein Jahr“ zu prolongieren, wurde in Washington zurückgewiesen.
„Die wäre ein historisches Abkommen, das für die USA, Russland und die Welt von Vorteil isr“, beharrt Marshall S. Billingslea.
„Sie wollen das Thema der nichtstrategischen Kernwaffen, die sogenannten taktischen Kernwaffen in den praktischen Umlauf bringen“, kontert der russische Außenminister Sergej Lawrow.
Das Wesen des Streits. In dem Versuch, seine globale Überlegenheit zu demonstrieren, hat Washington beschlossen, Peking an den START-Vertrag zu binden. Dabei sollte Moskau es an den Verhandlungstisch bringen. Das hat nicht geklappt. Denn in diesem Fall hätten entweder Russland und die USA ihre nuklearen Arsenale bis auf den Stand Chinas verringern oder das Reich der Mitte seine bis auf den Stand der Opponenten bringen müssen. Dabei hatte es das Weiße Haus kategorisch abgelehnt, eine Einbeziehung der nuklearen Verbündeten aus der NATO – Großbritannien und Frankreich – in das Abkommen zu erörtern. Da wurde ein neuer Trick erfunden: in den neuen START-Vertrag auch noch die taktischen Kernwaffen einzubeziehen. Gerade über die spricht auch Marshall S. Billingslea.
Das Paradoxe der taktischen Kernwaffen besteht darin, dass weder wir noch die Amerikaner in der mehr als 30jährigen Geschichte des Abrüstungsprozesses geklärt haben, wie viele es von denen überhaupt gibt. Mit den strategischen ist es einfacher. Gemäß START-3 können wir nicht mehr als 1550 nukleare Blöcke, die auf 700 Trägern installiert sind, besitzen. Was aber die taktischen angeht – die frei fliegenden Fliegerbomben, die Gefechtsköpfe der Flügelraketen, Torpedos, Artilleriegeschosse sowie See- und Landminen -, so gibt es da keine genauen Informationen.
In der ganzen Zeit der „Gespräche und Verhandlungen“ zum START-Vertrag sind die Seiten lediglich zu einem Gentlemen’s Agreement gekommen, wonach die taktischen Kernwaffen nicht auf Trägermitteln installiert werden. Auch hatte das russische Verteidigungsministerium irgendwie eingestanden, dass es alle nuklearen Landminen, Artilleriegeschosse und frei fliegenden Fliegerbomben verschrottet hätte. Etwas haben auch die Amerikaner abgebaut. Allerdings ist nach Schätzungen von Experten das Arsenal der beiden Länder dadurch nicht wesentlich kleiner geworden. In ihm können nach wie vor über 20.000 solcher Erzeugnisse aufbewahrt werden.
In den USA ist man der Auffassung, dass dieses Arsenal auch im Verlauf lokaler Militärkonflikte anwendbar sei. Zum Beispiel die Fliegerbombe B61-12 mit den Sprengkraft-Varianten von 0,3, 1,5, 10 und 50 Kilotonnen. Ihre Trägermittel sind die Jagdflugzeuge F-16, der Eurofighter und die ganz neuen F-35 Lightning. Eben jene, die derzeit Polen aktiv einkauft. Und wie sich jüngst herausstellte – auch Finnland. Von Helsinki bis Sankt Petersburg muss solch ein Flugzeug ein paar Dutzend Minuten fliegen.
Der nukleare Sprengsatz, der über Hiroshima und Nagasaki abgeworfen wurde, hatte ein Sprengkraft von 20 Kilotonnen. Er vernichtete alles in einem Radius von mehr als 10 Kilometer. Es kann angenommen werden, dass die B61-12-Bombe ein erheblich geringeres Territorium treffen wird, wobei sie sich in die Konzeption des „inakzeptablen Schadens“ einfügt. Dabei führt sie aber zu keiner ernsthaften Zuspitzung eines Konfliktes, in dessen Verlauf strategische Gefechtsladungen mit einer Sprengkraft von Megatonnen zum Einsatz kommen, die nicht einfach Wohnviertel, sondern ganze Länder auf der Landkarte ausradieren.
Vor dem Hintergrund des von Donald Trump verkündeten Programms zur Modernisierung des Nukleararsenals mit einem Wert von 1,5 Billionen Dollar wird der Militär-Industrie-Komplex der USA jeglichem der Gewinner bei den US-Präsidentschaftswahlen nicht erlauben, den Prozess der Erschließung dieser Mittel zum Scheitern zu bringen.