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Für die Opposition wird die Versammlungsfreiheit aufgehoben


In der Staatsduma sind Änderungen zum Gesetz über Meetings vorgelegt worden, die de facto das Prinzip des Informierens über die Organisierung friedlicher Aktionen durch ein Genehmigungsprinzip ersetzen. Entgegen dem Artikel 31 der Verfassung werden die Priorität von ablehnenden Entscheidungen seitens der Behörden und der Mechanismus einer Anerkennung jeglicher Versammlung von Bürgern als eine öffentliche Veranstaltung eingeführt. Als ein Verbot ausländischer Finanzierung von Straßenaktivitäten wird tatsächlich solch ein Format des Artikulierens der öffentlichen Meinung wie die Sammlung von Mitteln für die Durchführung von Protesten verboten. Warteschlangen bei Einzel-Mahnwachen werden nun als eine nichtsanktionierte Aktion angesehen. 

Formell sind die zwei in der Staatsduma vorgelegten Gesetzentwürfe durch den Abgeordneten der regierenden Partei „Einiges Russland“ Dmitrij Wjatkin unterzeichnet worden. Jedoch ist er scheinbar nicht mehr als der Vollstrecker von Entscheidungen, die an ganz anderen Stellen getroffen wurden.  

Aufgrund irgendwelcher Erwägungen mussten diese Entscheidungen auf einmal so schnell wie möglich umgesetzt werden, weshalb es nicht gelungen ist, das Bestehen eines koordinierenden Zentrums für die Sonderoperation zu verschleiern. Allerdings haben möglicherweise die bisherigen Rahmen juristischer Konventionen für die Herrschenden jetzt keine Bedeutung mehr. Und daher kann man die Angelegenheiten so abwickeln: Die Kommission des Föderationsrates für den Schutz der staatlichen Souveränität hatte gerade erst vorgeschlagen, Beschränkungen für eine ausländische Finanzierung öffentlicher Aktionen festzulegen. Und das Dokument ist schon in der Datenbank des Unterhauses für Gesetzesvorlagen.

Der Vorsitzende der erwähnten Kommission Andrej Klimow teilte mit, dass vorgeschlagen werde, „eine Regelung für die Modalitäten der Finanzierung öffentlicher Veranstaltungen, eine Einschränkung der ausländischen Finanzierung und die Verhängung einer ordnungsrechtlichen Haftung für den Verstoß gegen die Modalitäten der Finanzierung einzuführen“. Bei Wjatkin ist dies alles in einer der Vorlagen genau festgeschrieben worden. Und das bedeutet, dass dieser Text nicht mit der heißen Nadel gestrickt werden konnte, sondern im Voraus vorbereitet worden ist. Dabei bedeutet die Aufteilung der Änderungen für das Gesetz über Meetings in zwei Teile eher, dass man irgendeine operativer durchbringen muss, die andere aber kann man auch noch ein wenig diskutieren.

Allem nach zu urteilen wird gerade dem Verbot einer ausländischen Finanzierung der Vorrang eingeräumt werden. Im Großen und Ganzen wird letztere aber lediglich ein Vorwand sein. Tatsächlich wird in dem Gesetzentwurf überhaupt für die Opposition die Möglichkeit für das Sammeln von Mitteln für Protestaktion blockiert. Jeder Mensch muss bei der Geldüberweisung seine kompletten Angaben ausweisen. Das gleiche müssen auch Rechtspersonen tun. Wenn eine Kundgebung nicht stattgefunden hat, sind ihre Organisatoren verpflichtet, das Geld zurückzugeben. Und wenn eingesparte Mittel übriggeblieben sind, sind sie in einem proportionalen Verhältnis zurückzuerstatten. Es ist klar, dass solch eine Buchhaltung nur für wenige realisierbar ist.

Für die Nutzung anonymer oder unzulässiger Spenden, beispielsweise von NGOs mit dem Status eines ausländischen Agenten, wird eine Haftung vorgesehen. Augenscheinlich haben sich die Herrschenden bisher noch nicht ausgedacht, was für eine Haftung eingeführt werden soll – eine ordnungsrechtliche oder bereits eine strafrechtliche. Der Organisator kann sie umgehen, wenn er nachweist, dass er nicht von vornherein Informationen über den Erhalt unrechtmäßiger Gelder gehabt hatte. Wie die Praxis der Rechtsanwendung zeigt, ist es einfach irreal, dies vor der Polizei, Staatsanwaltschaft oder selbst vor Gericht zu tun. 

Wenn man die andere Gesetzesvorlage – angenommen von Wjatkin – untersucht, wird klar, dass es nur wenige Oppositionelle schaffen können, es bis zum Stadium der Sammlung von Mitteln für die Durchführung eines Meetings zu schaffen. Gegenwärtig ist im Artikel 5 des Gesetzes ausgewiesen worden, dass drei Tage vor der voraussichtlichen Aktion ihre Organisatoren den Behörden mitteilen müssen, ob sie die Vorschläge hinsichtlich einer Änderung der Zeit oder des Orts akzeptieren oder ablehnen. Nun aber soll sich das Prozedere ändern: Wenn keine Zustimmung, sich – sagen wir einmal – an den Stadtrand zu begeben, und dies auch noch um 6 Uhr morgens, so wird die Aktion auch an diesem konkreten Tag nicht durchgeführt.  

Und noch eine interessante Neuerung. Dies ist die Möglichkeit für die Behörden, anstelle des beispielsweise angemeldeten Umzugs und dann der angemeldeten Kundgebung nur eines der Formate zu billigen. Wenn aber der Organisator nicht damit einverstanden ist, wird die Veranstaltung gecancelt. Implementiert werden soll auch solch eine „Gummi-“ Norm: „Per Gerichtsbeschluss bezüglich einer Zivilrechts-, Verwaltungs- oder Strafsache kann als eine öffentliche Veranstaltung ein gleichzeitiger Massenaufenthalt und (oder) eine Bewegung von Bürgern an öffentlichen Plätzen anerkannt werden, die auf ein Artikulieren und die Ausprägung von Meinungen, das Stellen von Forderungen hinsichtlich unterschiedlicher Fragen des politischen, Wirtschafts-, sozialen und kulturellen Lebens des Landes und zu Fragen der Außenpolitik abzielen“. Dies ist eine Antwort auf das Oppositions-Know-how: Wir veranstalten kein Meeting, sondern beispielsweise die Sammlung von Unterschriften oder die Abgabe von Appellen und Gesuchen in der Administration des Präsidenten. Übrigens, Warteschlangen bei Einzel-Mahnwachen werden jetzt auch eine Abstimmung erfordern. 

Es wird offenkundig Missbräuche bei der Anwendung und Auslegung auch solch einer neuen Bestimmung wie die hinsichtlich einer ungenauen Agitation geben. Wenn die Organisatoren auf einmal anfangen, den Bürgern nicht von jenen Zielen der Aktion zu erzählen, die in der Benachrichtigung ausgewiesen wurden, oder eine andere Teilnehmerzahl, Umzugsstrecke usw. versprechen, so sind sie verpflichtet, einen neuen Antrag zu stellen. Und der vorherige wird bereits als ein nichtgenehmigter angesehen. Doch das „Sahnehäubchen auf der Torte“ ist ganz und gar nicht die Tatsache, dass in dem Gesetz ein Regelwerk für das Verhalten der Medienvertreter bei Protestaktionen, für die der Staat spezielle Erkennungszeichen ausarbeiten will, auftauchen wird. 

Die Krone der gesetzesschöpferischen Gedanken ist das, dass die Herrschenden offensichtlich begriffen haben, dass man das Recht auf Versammlungsfreiheit einfach nehmen und aufheben kann. „Im Falle dessen, dass im Ergebnis einer Notsituation, eines Terroraktes oder bei Bestehen einer realen Gefahr für deren Entstehen (Verübung) die Sicherheit der Teilnehmer der öffentlichen Veranstaltung nicht gewährleistet werden kann“, schlägt das staatliche Organ dem Organisator „unverzüglich“ vor, den Zeitpunkt und den Ort der Aktion zu ändern. Wenn aber Verdachtsmomente hinsichtlich einer Gefahr am Vorabend des Meetings oder direkt am Veranstaltungstag aufgetreten sind, wird dem Organisator sofort mitgeteilt, dass nichts stattfinden wird. Aber er wird unbedingt das Recht haben, irgendwann später einen neuen Antrag zu stellen.