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Das Ausland wird den russischen Bürgern schon nicht mehr helfen


Die Staatsduma hat operativ die Arbeit am zweiten Paket der Gesetzesvorlagen des Präsidenten, die auf eine Realisierung der erneuerten Verfassung abzielen, aufgenommen. Zu einer Priorität dieser Portion von „Verfassungs-“ Änderungen wurde die Blockierung einer möglichen äußeren Beeinflussung der Situation im Land und der Entscheidungen, die durch die Herrschenden der Russischen Föderation getroffen werden. Die korrigierte Fassung von Artikel 79 des Grundgesetzes spricht von einer Nichtanwendung internationaler Normen, deren Auslegung ihm widerspricht. Bisher befasst sich damit das Verfassungsgericht. Aber dann kann sich scheinbar auch das Prozedere vereinfachen. Aus den von Wladimir Putin eingebrachten Änderungen zum 121. Protokoll folgt, dass sich Russland bei Bedarf vom Westen insgesamt abschotten kann, aber auch von unterschiedlichen gesamtstaatlichen Organisationen. Und dies buchstäblich aufgrund jeglichen Anlasses. 

Die Staatsduma plant, für die gesetzgeberische Absicherung der Oberhoheit der Verfassung auf dem Territorium der Russischen Föderation nach dem 23. Oktober in 1. Lesung abzustimmen. Und das bedeutet: Insgesamt wird dieses ganze Paket von Präsidenteninitiativen bereits Anfang November angenommen. Das kapitalste ist das Dokument mit dem Titel „Über die Vornahme von Änderungen an einzelnen Gesetzesakten der Russischen Föderation“. In ihm geht es um eine Korrektur von 125 derzeit geltenden Gesetzen. 

In all ihnen soll bald ein und derselbe Passus auftauchen: „Die Beschlüsse zwischenstaatlicher Organe, die auf der Grundlage von Bestimmungen internationaler Verträge der Russischen Föderation und in deren Auslegung, die der Verfassung der Russischen Föderation widerspricht, gefasst wurden, sind in der Russischen Föderation nicht umzusetzen. Solch ein Widerspruch kann in der Art und Weise festgestellt werden, die durch ein föderales Verfassungsgesetz festgelegt worden sind“. Wie speziell in einem Erklärungsschreiben zu den Änderungen am Familiengesetzbuch betont wird, „wird für die Rechtssicherheit in der Frage der Auslegung der Regeln internationaler Verträge vorgeschlagen, festzulegen, dass der Widerspruch dieser Regeln hinsichtlich der Verfassung der Russischen Föderation und der Grundlagen der Rechtsordnung und Moral in der Art und Weise festgestellt werden kann, die durch ein föderales Verfassungsgesetz festgelegt worden sind“. 

Erwähnenswert ist, dass der Zusatz zum Familiengesetzbuch nicht von ungefähr mittels einer einzelnen Gesetzesvorlage eingebracht wurde. Der Kreml brauchte einfach zumindest irgendeine Präsidenteninitiative in den Händen, die man in den Augen der meisten Bürger als eine positive Entscheidung darstellen könnte. Der Hinweis darauf, dass, auch wenn die generelle Regel – die internationalen Normen haben gegenüber den innerrussischen den Vorrang – in der Familiengesetzgebung geblieben ist, ihre Wirkung nicht nur durch die universelle Bedingung über die Übereinstimmung mit der Verfassung, sondern auch noch durch gewisse „Grundlagen der Rechtsordnung und Moral“ eingeschränkt wird. Erklärt wird dieser Passus so: Nun, „die Familienbeziehungen sind ein besonderer Bereich für eine rechtliche Regelung, in dem eine dominierende Bedeutung moralisch-ethische Werte haben“. Zur Erläuterung, was es mit dieser Gesetzesvorlage auf sich hat, ist bereits über alle Informationskanäle erklärt worden, dass dies ein Entgegenwirken gegen die Gay-Propaganda und andere übermäßige Toleranz sei. 

Streng genommen sind alle Änderungen an den geltenden Gesetzbüchern – der Strafprozessordnung, dem Schiedsgerichtskodex oder dem Zivilgesetzbuch – durch einzelne Dokumente ausgefertigt worden. Dies ist eine Regel der Gesetzgebung. Aber gerade die Aktualisierung des Familiengesetzbuches soll jene bittere Pille versüßen, die das Schlüsseldokument aus dem Paket der Gesetzesvorlagen der russischen Bevölkerung verschreibt. Darin werden auf maximale Weise jene normativen Akte erwähnt, deren Geltung Beanstandungen und Ansprüche des Bürgers gegenüber dem Staat oder ganz und gar einen Rechtsstreit mit ihm auslösen kann. Es sei daran erinnert, dass im Falle von Misserfolgen in solchen Streitfällen mit den Behörden und Offiziellen die jeweilige Person das Recht hat, sich an internationale Instanzen zu wenden. Dies ist vor allem der Europäische Menschenrechtsgerichtshof (EHRC), dessen Jurisdiktion über sich die Russische Föderation anerkennt. Und bereits die Straßburger Rechtsprechung beginnt, die russischen Offiziellen auf die einen oder anderen Sünden hinzuweisen, und fordert, sie auszumerzen und mit Geld wiedergutzumachen. Ja, und einer solcher Fälle, der mit den Klagen der ehemaligen Aktionäre des Erdölkonzerns YUKOS zusammenhing, führte auch eines Tages zur Kooptierung eines speziellen Verfahrens in das Gesetz über das Verfassungsgericht, wonach schädliche äußere Empfehlungen im Zusammenhang mit einem Widerspruch zur Verfassung als nicht umsetzbare anerkannt werden. 

Nun aber wird die Liste der öffentlichen, sozialen und Wirtschaftsbereiche, in denen eine harte Bedingung für internationale Normen angewendet wird, wesentlich erweitert. Es wird beispielsweise für die Verbraucher, Flüchtlinge, Veteranen und Behinderten, aber auch für die Patienten psychiatrischer Kliniken schwieriger, ihre Rechte zu verteidigen. Dafür wird es aber für Notare und Versicherungsgesellschaften einfacher, sich mit den Bürgern auseinanderzusetzen. Und die Vertreter der Ölkonzerne und Atomenergiewirtschaft werden ganz und gar irgendwelchen Aufschreien aus dem Ausland keine Aufmerksamkeit schenken können. Übrigens, in den Gesetzen über die Staatsgrenze und über die Modalitäten für die Einreise in die Russische Föderation und Ausreise aus ihr wird auch die entsprechende Klausel auftauchen. Und sie wird noch in die Gesetze über gesellschaftliche Vereinigungen, über die Gewerkschaften, über die nationale und kulturelle Autonomie und Rechte der kleinen Völker usw. eingefügt. Aktuell sieht gleichfalls die Blockierung einer äußeren Beeinflussung des Landes, zum Beispiel in den Gesetzen „Über die Vernichtung der chemischen Waffen“, „Über die Immunprophylaxe in Bezug auf Infektionskrankheiten“, „Über die Luftreinhaltung“ und anderen ähnlichen aus. Solch eine Änderung am Gesetz über die Investitionstätigkeit in Form von Investitionen wird wohl aber dem Land kaum einen Nutzen bringen. Und es werden nicht wenige solcher zweifelhaften Korrekturen vorgeschlagen.  

Eine gesonderte Erwähnung verdient auch der Mechanismus zur Umsetzung all dieser Änderungen von ein und demselben Typ. Ein Vergleich des Wortlautes der Verfassung vom 4. Juli sowie der Änderungen an den Gesetzen über das Verfassungsgericht und über die internationalen Verträge der Russischen Föderation zeigt, dass gerade die Institution von Valerij Sorkin (Leiter des russischen Verfassungsgerichts – Anmerkung der Redaktion) sowohl die noch nicht in Kraft getretenen internationalen Verträge, denen gegenüber sich die Haltung der Herrschenden verändert hat, als auch die geltenden blockieren kann, wenn es Verdachtsmomente gibt, wonach sie irgendwer nicht zu Gunsten der Russischen Föderation interpretiert. Und das Verfassungsgericht wird noch auf Anfragen bzw. gemäß Anträgen des Präsidenten und der Regierung die Erfüllung von Beschlüssen internationaler Gerichte jeglicher Art – angefangen bei eben jenem EHRC und UN-Gerichtsinstanzen und bis hin zu den zahlreichen kommerziellen Schiedsgerichten – verbieten. 

In der Beschreibung des Mechanismus zur Verteidigung gegen äußere Gefahren ist aber irgendetwas Unausgesprochenes zu spüren. Zum Beispiel ist dies jene Nuance, in der in den vorzunehmenden Änderungen ein gewisses namenloses föderales Verfassungsgesetz erwähnt wird. Und es wird nicht direkt von einem Gesetz über das Verfassungsgericht gesprochen. Ergo kann man annehmen, dass in der Zukunft wahrscheinlich ebenfalls die Bildung irgendeiner besonderen staatlichen Struktur nicht ausgeschlossen ist, die auch für den allumfassenden Kampf gegen verderblichen Einfluss des Westens auf das Land und seine Bürger verantwortlich sein wird.