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Das Militärbündnis mit China besiegelt das Ende der Demokratisierung Russlands


Wladimir Putin hat bei der jüngsten Tagung des Diskussionsklubs „Waldai“ gesagt, dass, obgleich Russland keines Militärbündnisses mit der Volksrepublik China bedürfe, man dies in Moskau nicht ausschließe. Theoretisch könne man sich so etwas durchaus vorstellen.

In Peking hat man natürlich diese Äußerung nicht unbeachtet gelassen. Dort bestätigte man: Die Variante der bilateralen Beziehungen, bei der die Russische Föderation und China einander militärische  Hilfe gegen einen gemeinsamen Feind gewähren, sollte keiner verwerfen. Es wäre naiv zu denken, dass Putins Worte eine Improvisation waren. Ausländische Kommentatoren betonten, dass sich der russische Präsident, bevor er sich in eine Tirade erging, die ein breites internationales Echo auslöste, der wohlwollenden Reaktion Pekings versichert hätte. 

Es stellt sich die Frage: Warum ist die Idee, die Beziehungen beider Länder auf das Niveau einer Militärallianz zu heben, jetzt publik gemacht worden? Die Antwort ist offensichtlich. Russland und China werden einem überaus starken Druck seitens der USA ausgesetzt. Gegen Moskau sind Sanktionen verhängt worden. Man bezichtigt es einer Einmischung in die amerikanischen Wahlen, einer Anwendung chemischer Waffen, um den Oppositionspolitiker Alexej Nawalny zu vergiften, und der Verfolgung von Dissidenten im Land. Und China ist die zweitgrößte Volkswirtschaft des Planeten, die Washington als die Hauptbedrohung für seine Stellung als dominierende Weltmacht ansieht. 

Kurzum, Moskau und Peking sind Leidensgefährten. Aber nur wenige der Experten im Westen sind der Annahme, dass ein Streit mit Russland zu einer militärischen Auseinandersetzung ausufern könne. Keiner schickt sich an, aufgrund der Ukraine oder Syriens einen Weltbrand zu entfachen. Der Westen in Gestalt der NATO wird Russland keine tödliche Herausforderung stellen. Auf dem Spiel steht nicht die Existenz Russlands als ein unabhängiger Staat, sondern der Verbleib der Führung von Tschekisten und Militärs an der Macht. Die ist es, die behauptet, dass das Land, auf das weniger als zwei Prozent des weltweiten BIP aus nomineller Sicht entfallen unbedingt eine Großmacht bleiben müsse. Und deshalb Ressourcen für Abenteuer mal in Libyen, mal in der Zentralafrikanischen Republik einsetzt. 

China ist in einer anderen Situation. Für die Republik ist Taiwan chinesisches Land. Unter den Bedingungen, unter denen die USA die Waffenlieferungen für die Insel verstärken, dort Militärberater haben und regelmäßig Schiffe in die Formosa-Straße (Taiwan-Straße) entsenden, hat die Gefahr eines militärischen Konflikts zwischen beiden Staaten drastisch zugenommen. Nicht geringer werden auch die Spannungen im Südchinesischen Meer, wo die Vereinigten Staaten demonstrative Militäraktionen durchführen, um eine Expansion Pekings zu vereiteln.  

Ja, und Russland und China haben einen gemeinsamen potenziellen Gegner. Doch der Grad der Gefahr, die von ihm ausgeht, ist nicht von gleicher Art. Russland war historisch und bleibt ein Teil Europas. Die europäischen Werte, Demokratie, Redefreiheit und die Achtung gegenüber den Menschenrechten sind auch für die Bürger Russlands keine leeren Worte. Wozu also, stellt sich die Frage, sich durch harte Bande mit einem riesigen Land verbinden, das sich zu anderen Kanons bekennt, die auf den Lehren des Marxismus und Konfuzianismus beruhen? 

Zumal es einen erfolglosen Präzedenzfall gibt, den sowjetisch-chinesischen Vertrag über Freundschaft, ein Bündnis und gegenseitige Hilfe von 1950. Er verlor seine Gültigkeit aufgrund ideologischer Zerwürfnisse zwischen der KPdSU und der KPCh. Es kam sogar zu einzelnen bewaffneten Auseinandersetzungen Ende der 1960er. 

Das neue Russland und China haben nach Entfernung der ideologischen Komponente aus den Beziehungen das freundschaftliche Zusammenwirken wiederhergestellt. Es entwickelt sich auf der Grundlage des Vertrags über gute Nachbarschaft, Freundschaft und Zusammenarbeit aus dem Jahr 2001. Die Seiten verpflichteten sich, einander die Wahl des Entwicklungsweges zu achten sowie in Fragen des Schutzes der staatlichen Einheit und territorialen Integrität zu unterstützen. Im Falle des Aufkommens einer Bedrohung für den Frieden oder der Gefahr einer Aggression nehmen Moskau und Peking unverzüglich Kontakt auf und führen Konsultationen durch. Angesichts der Bestimmungen dieses Vertrages scheint es redundant und unklug zu sein, einen neuen Militärpakt abzuschließen. Er würde das Ende einer Demokratisierung Russlands besiegeln.