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Das Nawalny-Team formuliert bereits einen Mythos um seinen Führer


Alexej Nawalny, der allmählich in der Berliner Charité nach der vermutlichen Vergiftung mit „Nowitschok“ genest, hält denjenigen für die höchsten Form des modernen Menschen, der selbst in den sozialen Netzwerken schreiben und Likes ohne lange Überlegungen posten kann. Vorerst aber ist in seinem Namen auf Instagram geschrieben worden, dass er nur Treppen hoch und runter laufen könne. Derweil schafft das Nawalny-Team bereits über ihn einen Mythos wie über den Hauptfeind der amtierenden Herrschenden, was angeblich auch beinahe zu traurigen Folgen geführt hätte.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt erheben der Koordinator des Netzes der Regionalstäbe, Leonid Wolkow, und die Leiterin der Abteilung für investigative Nachforschungen der Stiftung für Korruptionsbekämpfung, Maria Pewtschikh, Anspruch auf die Rolle der Hauptschöpfer des Epos über Nawalny. Jeder von ihnen vergisst dabei nicht, eine klare Sache, sich unaufdringlich in die Reihen der nächsten Mitstreiter des Führers einzutakten.

Wolkow beispielsweise erklärte, dass der Hauptauftraggeber der Operation gegen Nawalny ohne lange Ermittlungen klar sei. Die Erfolge des „Smart Votings“ vom 13. September analysierend, zog er die Schlussfolgerung, dass in einer Reihe von Regionen die Menschen durchaus für die Wahl offen radikaler Gegner der Herrschenden herangereift seien. Die Logik Wolkows ist solch eine: Da es offenkundig sei, dass der „Hauptfeind von Wladimir Putin“ Alexej Nawalny sei, weshalb auch befohlen worden sei, ihn umzubringen, seien die regionalen Koordinatoren solche Haupt-„Anti-Putin-Leute“ in ihrem Subjekt der Russischen Föderation. Ja, und da haben also die Nawalny-Leute es vermocht, jeweils zwei Koordinatoren zu Abgeordneten der Stadtparlamente von Nowosibirsk und Tomsk zu machen. Und weitere vier hatten es in anderen Regionen bis auf die zweiten Plätze gebracht.

Da Wolkow den Höhepunkt der Wahlkampagne sozusagen im Einmannbetrieb bewältigte, erklang die Anspielung auf seine eigene Rolle recht klar. Noch unumwundener sprach sich Pewtschikh in einem BBC-Interview aus, wobei sie zu verstehen gab, dass sie praktisch an allen spektakulären investigativen Nachforschungen Nawalnys „beteiligt“ gewesen sei. Es sei daran erinnert, dass Pewtschikh sich als die Person geoutet hatte, die das Plastikfläschchen aus dem Tomsker Hotelzimmer von Nawalny in den Westen gebracht hatte. Und in bzw. auf diesem Behältnis befanden sich überraschend außer Wasser auch Spuren eines Giftkampfstoffes aus der „Nowitschok“-Gruppe. Übrigens, alles mitzunehmen, was Nawalny hätte berühren können, hatte gerade Wolkow angewiesen. Augenscheinlich hatte ihm der Aufenthalt am 20. August in der europäischen Ferne von Tomsk erlaubt, einen kühlen Kopf zu bewahren. 

Nawalny selbst aber probiert, zu den elementaren Anfängen zurückzukehren – aufs Neue den Beruf eines Bloggers zu erlernen. Auf jeden Fall ist so in seinem Namen unter dem Foto auf Instagram mit den ersten eigenständigen Schritten des Oppositionspolitikers auf einer Krankenhaustreppe geschrieben worden. Nawalny teilt mit, dass er anfangs überhaupt keine Worte nicht einmal im Kopf bilden konnte. Jetzt aber hat er sich doch daran erinnert, wie man es so bewerkstelligen muss, um zu denken. Und jetzt erwartet er, dass er dennoch nach einer gewissen Zeit zur „Höchsten Form des Wesens der Modernen Gesellschaft“ – des Menschen, der schnell durch Instagram blättern kann und ohne Überlegungen versteht, wo man Likes posten muss“ – gelangen wird.