In der „Nesawisimaya Gazeta“ ist unter einem Pseudonym ein Beitrag veröffentlicht worden, der der Festnahme des einstigen Journalisten bekannter Moskauer Zeitungen Iwan Safronow aufgrund des Vorwurfs des Staatsverrats gewidmet ist. In der Geschichte Russlands ist dies die zweite Festnahme eines Militärjournalisten entsprechend solch einer Anschuldigung. Die erste erfolgte im Dezember 2001 und hing mit dem Fall von Grigorij Pasko zusammen. Damals war der Journalist zu vier Jahren Freiheitsentzug verurteilt worden. Er war der Spionage zugunsten Japans bezichtigt worden. Bisher ist schwer zu beurteilen, was man Safronow konkret anlasten wird und hat er sich bewusst auf die Zusammenarbeit mit einem ausländischen Geheimdienst, wie die Untersuchungsbehörden meinen, eingelassen. Oder hat man ihn unter irgendeinem Vorwand „blind“ ausgenutzt, ohne ihn selbst über die konkreten Ziele in Kenntnis zu setzen? Die heftige Reaktion der Community der unabhängigen Presse auf seine Festnahme belegt jedoch die zunehmende Kluft in den Beziehungen des Staates und der unabhängigen Presse.
Oleg Nikiforov
In Moskau ist Iwan Safronow, Berater des Leiters von Roskosmos, festgenommen worden. Gegen ihn wurde Anklage entsprechend dem Artikel 275 des Strafgesetzbuches der Russischen Föderation (Landesverrat) erhoben. Den auf dessen Grundlage Angeklagten drohen bis zu 20 Jahre Freiheitsentzug. Safronow wurde als ein Journalist berühmt. Doch laut Angaben des Inlandgeheimdienstes FSB habe er Angaben, die ein Staatsgeheimnis darstellen, gesammelt und Geheimdiensten eines der NATO-Länder übergeben. Die Festnahme wurde durch die Medien-Community schmerzhaft aufgenommen. Dieser Tage hatten Medien-Mitarbeiter gerade die Journalistin Swetlana Prokopjewa verteidigt (man verurteilte sie wegen „öffentlicher Rechtfertigung des Terrorismus“). Und am 7. Juli veranstaltete man bereits Mahnwachen zur Unterstützung von Iwan Safronow. Einige Reporter ziehen Parallelen zwischen seinem Fall und dem spektakulären Fall des investigativen Journalisten Iwan Golunow.
Iwan Safronow arbeitete im „Kommersant“ und in „Vedomosti“ und schrieb über die Tätigkeit des militär-industriellen Komplexes.
Er schrieb auch über die Raumfahrtindustrie sowie über die militärische und militärtechnische Zusammenarbeit der Russischen Föderation mit anderen Ländern. Zum Berater des Roskosmos-Chefs für Informationspolitik war er im Mai ernannt worden. In der russischen Raumfahrtagentur hat man bereits erklärt, dass die Festnahme nicht mit der gegenwärtigen Arbeit Safronows zusammenhänge. Und der Chef der Korporation, Dmitrij Rogosin, erklärte, dass der keinen Zugang zu geheimen Informationen gehabt hätte.
Safronows Kollegen betonen: Er zeichnete sich durch eine patriotische Gesinnung aus, besaß einen tadellosen Ruf, und er wurde mehrfach durch die Geheimdienste im Zusammenhang mit seiner Arbeit im Kreml-Pool überprüft.
Vorgebracht werden alternative Versionen hinsichtlich dessen, womit die Festnahme des Ex-Journalisten zusammenhängt. Entsprechend einer von ihnen könne das Vorgefallene mit der Veröffentlichung eines Textes durch Sadfronow im „Kommersant“ im Jahr 2019 über den Verkauf russischer Technik, insbesondere von Su-35-Jagdflugzeugen an Ägypten zusammenhängen. Dieser Beitrag hatte die Gefahr der Anwendung von Sanktionen gegen Ägypten seitens der USA provoziert. Es sei betont, dass der Vater des Festgenommenen, auch Iwan Safronow, ebenfalls im „Kommersant“ tätig war und unter ungeklärten Umständen ums Leben kam, ohne es geschafft zu haben, seine Nachforschungen über russische Waffenlieferungen nach Syrien und in den Iran über Weißrussland in der Redaktion abzuliefern. Wladimir Schelonkin, Chefredakteur des „Kommersant“, erklärte, dass er nicht wisse, womit die Festnahme Safronows zusammenhängen könne, wobei er betonte, dass keinerlei Prüfungen im Blatt erfolgen würden. Geäußert werden auch andere Vermutungen. Den Fall könnten hochrangige Beamte initiiert haben, die durch weniger auffällige Veröffentlichungen Safronows gekränkt worden sind. Oder aber der Verfall könne zur Einflussnahme auf Rogosin genutzt werden.
Die Situation im Zusammenhang mit der Festnahme von Iwan Safronow kommentierte der Pressesekretär des Präsidenten, Dmitrij Peskow. Seinen Worten zufolge „hängt sie nicht mit der früheren journalistischen Tätigkeit zusammen“. Wie Peskow erklärte, habe man Präsident Wladimir Putin nicht über den Fall Safronows in Kenntnis gesetzt, da dafür keine Notwendigkeit bestanden habe.
Derweil befürchtet man in der Journalisten-Community, dass, da Fälle zum Artikel 275 des Strafgesetzbuches der Russischen Föderation gewöhnlich hinter verschlossenen Türen verhandelt werden, es ein Minimum an Möglichkeiten geben werde, um die Arbeit der Untersuchungsbehörden und die vorgelegten Beweise zu beurteilen. Kollegen des Journalisten aus dem „Kommersant“ und aus „Vedomosti“, aber auch Vertreter anderer Medien sind sich sicher, dass man versuche, Safronow wegen seiner beruflichen Tätigkeit zu bestrafen, und führten Mahnwachen am FSB-Gebäude an der Lubjanka durch. Mehrere Personen sind festgenommen worden.
Wie der Leiter der Menschenrechtsorganisation „Agora“, Pawel Tschikow, mitteilte, seien Mitarbeiter der Rechtsschutzorgane zwecks Durchsuchung in die Wohnung gekommen, in der die Chefredakteurin des Magazins „Kholod“ („Die Kälte“), Taisia Bekbulatowa lebt, die eine gewisse Zeit lang eng mit Safronow Kontakte unterhalten hatte.
Die Verteidigung Safronows plant der Anwalt der Organisation „Menschenrechtspostkarten“, Oleg Jelisejew, zu übernehmen, der an dem spektakulären Fall des Journalisten des Internetportals „Meduza“, Iwan Golunow, teilgenommen hatte. Diesem Reporter hatten Polizeimitarbeiter als Vergeltung für seine investigativen Beiträge Drogen untergeschoben, um ihn strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Die Verhaftung Golunows hatte eine große gesellschaftliche Resonanz ausgelöst. Die Vorwürfe gegen ihn wurden letztlich fallengelassen. Und mehrere hochrangige Polizeibeamte sind entlassen worden.
Die Empörung der Medien heizt der dieser Tage zu Ende gegangene Gerichtsprozess gegen die Pskower Journalistin Swetlana Prokopjewa an, die man aufgrund eines publizistischen Beitrags zu einer Geldstrafe von 500.000 Rubel (knapp 6.200 Euro) wegen der „öffentlichen Rechtfertigung von Terrorismus“ verurteilte, wobei ihr eine Freiheitsstrafe von bis zu sechs Jahren drohte. Ungeachtet dessen, dass sich die Umstände dieser spektakulären Fälle stark unterscheiden, halten Journalisten deren regelmäßiges Auftreten für ein Symbol des zunehmenden Drucks der Vertreter der bewaffneten Organe auf Mitarbeiter der Massenmedien und für den Versuch, in Russland Reporter einzuschüchtern.
Die Situation verfolgten Autoren gesellschaftspolitischer Telegram-Kanäle. „Mädels, und dann fragt man, warum die Presse und die Leute den Geheimdienstlern nicht vertrauen und schlecht zu ihnen stehen. Nun, worin besteht das Problem, den Anwalt nicht zuzulassen?“ stellt sich der „Gnadenlose PR-Mann“ (https://t.me/prbezposhady) die Frage. „Gibt es etwas, was man ihm vorwerfen kann? Es macht schon Sinn, dies zu tun. Zum Beispiel Videos vertraulicher Begegnungen, entlarvende Beweise des Leerens von geheimen Verstecken, Computerdaten. Ein Stein mit WiFi wäre auch nicht schlecht… Der wichtigste Gedanke besteht darin, dass am Misstrauen zwischen den Behörden und der Gesellschaft bei weitem nicht die Gesellschaft Schuld hat. Und dann werden wir zu verstehen versuchen: Wie ist es doch dazu gekommen, dass das Vertrauensrating immer fällt und fällt.“
Der „Adäquate“ (https://t.me/politadequate) hebt die Schnelligkeit hervor, mit der die Polizeimitarbeiter die Teilnehmer der Mahnwache vom Lubjanka-Platz wegbrachten, wobei er die Aufmerksamkeit darauf lenkt, dass die Rechtsschützer die heute an der Botschaft Tadschikistans beobachtete Menschenmenge ignoriert hätten. „Für die Journalisten bei den Einzel-Mahnwachen ein Protokoll für die soziale, verstehst du, Distanz. Dem nichtgenehmigten Auflauf von Tadschiken, bei denen ästhetische Meinungsverschiedenheiten mit der eigenen Botschaft aufgetreten sind — nichts außer eine Aufsicht über die Ordnung“, schreibt der „Adäquate“. „Es ist klar, dass den einen und den anderen Prozess ganz verschiedene Leute und allem Anschein nach auch Strukturen steuern. Das breite Publikum aber interessiert das nicht. Das Publikum wird das Ausbleiben von Einförmigkeit bemerken. Es wird, sei es in die eine Richtung oder in die andere Richtung, zu dem Schluss gelangen, dass es Doppelstandards und wird sie als äußerst unlöbliche bezeichnen.
„Wir werden nicht sofort ausrufen „Das kann nicht sein!. Oh weh, jegliches kommt vor, darunter auch so etwas, woran man ungern glauben möchte. Wir schließen uns denjenigen an, die sagen: Es wird mehr Information gebraucht. Es ist mehr Offenheit der Untersuchung nötig“, ermahnen „Laute Müsli“ (https://t.me/mysly) zur Vorsicht.