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Der Fall Nawalny – ein Prüfstein für russische und deutsche Diplomaten


Zwischen Deutschland und Russland entbrennt ein diplomatischer Krieg. Die Situation um die angenommene Vergiftung von Alexej Nawalny ist in eine Sackgasse geraten. Das Bundeswehr-Speziallabor, das Analysen des russischen Politikers von der Berliner Klinik „Charité“, wo er behandelt wird, erhalten hatte, hat es abgelehnt, sie an die russische Seite weiterzugeben. Dabei wird behauptet, dass Nawalny durch eine Substanz aus der „Nowitschok“-Gruppe vergiftet worden sei. Zur gleichen Zeit hatten die Omsker Ärzte, bei denen Nawalny anfänglich behandelt worden war, keine Spuren einer Vergiftung bei ihm festgestellt.  

Eine Reihe deutscher Politiker forderte die Verhängung „empfindlicher Sanktionen“ gegen Russland, zu denen ihrer Meinung nach ein „Einfrieren“ oder gar ein völliger Abbruch der Bauarbeiten für die Gaspipeline „Nord Stream 2“ gehören würde. In der Tat, solch eine Maßnahme wurde zu einem ernsthaften Schlag gegen die russisch-deutschen Beziehungen werden und einen erheblichen Schaden nicht nur „Gazprom“, sondern auch 120 ausländischen Firmen aus zwölf Ländern, die am Bau der Gasleitung und der Schaffung einer Infrastruktur auf dem europäischen Kontinent für sie beteiligt sind, zufügen. 

Die Botschafter sowohl des einen als auch des anderen Landes wurden bereits in die Außenministerien beider Länder einbestellt, wo man von ihnen Erklärungen forderte. Der deutsche Botschafter Géza Andreas von Geyr legte „die eindeutige Haltung der Bundesregierung“ zu dieser Frage dar: „Herr Nawalny wurde Opfer eines in Russland verübten Verbrechens, nachweislich mit dem in Russland entwickelten Nervenkampfstoff aus der Nowitschok-Gruppe. Es liegt somit nun an Russland, sich … zu erklären“, erklärte der Botschafter der BRD.

Er teilte mit, dass im Zusammenhang mit „der Nutzung eines verbotenen chemischen Kampfstoffs die OVCW (Organisation für das Verbot chemischer Waffen), die für die Überwachung des Chemiewaffenabkommens zuständig ist, und der auch Russland angehört, unterrichtet und einbezogen“ worden sei. 

Dass sich Moskau und Berlin an der Schwelle eines ernsten Konflikts befinden, belegt die Pressemitteilung vom 9. September über die Einbestellung des Außerordentlichen und Bevollmächtigten Botschafters der BRD in Moskau, von Geyr, ins Außenministerium der Russischen Föderation. In dem bewertet man die Handlungen der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit Nawalny „als eine grobe feindselige Provokation gegen Russland, die Folgen für die russisch-deutschen Beziehungen haben werde, aber auch eine ernsthafte Verkomplizierung der internationalen Situation nach sich ziehe“. Russland warnte Deutschland offiziell vor der Gefahr einer Untergrabung der bilateralen Beziehungen. Der ständige Vertreter Russlands bei der UNO, Wassilij Nebensja bestätigte noch einmal: Die Weigerung Berlins, Moskau Angaben zum Zwischenfall mit Nawalny zur Verfügung zu stellen, werde als „ungeheuerliche feindselige Provokation gegen Russland“ aufgefasst, die bestimmt die russisch-deutschen Beziehungen untergraben werde. 

Laut letzten Meldungen sei die deutsche Seite bereit, Moskau Angaben zum Gesundheitszustand Nawalnys zu übergeben, aber nur mit seiner Zustimmung. Wahrscheinlich wird die Lösung des Problems in der Bildung einer Sondergruppe unter Beteiligung deutscher, russischer und neutraler Kriminologen und Mediziner bestehen, wie dies in einer gemeinsamen Erklärung der Vorsitzende der russisch-deutschen Parlamentariergruppe Pavel Zavalny (Einiges Russland) und der Vorsitzende der deutsch-russischen Parlamentariergruppe, Dr. Robby Schlund (AfD), zur Situation um Nawalny vorgeschlagen wird. 

Aber unabhängig davon, zu was für Schlussfolgerungen diese Untersuchung kommen wird, die allem Anschein nach unter Beteiligung der OVCW vorgenommen wird, ist den russisch-deutschen Beziehungen bereits ein signifikanter Schaden zugefügt worden. Vom Wesen her sind sie zum Zustand wie zu Beginn der Verfolgung der „Ostpolitik“ durch die BRD zurückgekehrt, die dazu berufen war, den Ballast des Kalten Krieges zu zerstören, der Europa in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts an den Rand des Ausbruchs eines „heißen Krieges“ gebracht hatte.