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Die nächste Spielzeit im Bolschoi-Theater wird eine russische sein


Zum Abschluss der 246. Spielzeit hat das Moskauer Bolschoi-Theater Pläne für die Zukunft bekanntgegeben. Es gibt wenig Intrigierendes in ihnen. Aber allein schon die eigentliche Tatsache ihrer Vorstellung ist tröstlich. Unter den gegenwärtigen Bedingungen, die das Planen für zwei, drei Spielzeiten im Voraus über den Haufen geworfen haben, musste die Leitung des Hauses sicherlich von Null an handeln und nur einheimische Künstler ins Kalkül ziehen.

Im Grunde genommen hatte bereits die noch laufende Spielzeit Verluste eingesteckt: Die Premieren des Balletts „Die Kunst der Fuge“ in einer Inszenierung von Alexej Ratmanskij und der Oper „Chowanschtschina“, an der Tugan Sochijew und Simon McBurney arbeiten sollten, sind auf unbestimmte Dauer vertagt worden. Unklar bleibt das Schicksal von „Lohengrin“. Stattgefunden hat nur der Premieren-Block. Die Frühjahrsvorstellungen waren abgesagt worden. Und die Sommer-Vorstellungen mit russischen Sängern (an der Premiere vom 24. Februar hatten vor allem Ausländer inklusive des Dirigenten teilgenommen) haben ebenfalls nicht stattgefunden. Wagner bleibt für das russische Theater (mit Ausnahme des von Valerij Gergijew geleiteten Mariinski-Theater) auch eine harte Nuss.

Tugan Sochijew hatte das Amt des musikalischen Chefs des Theaters verlassen, was natürlich eine zusätzliche Belastung für die zum Ensemble gehörenden Dirigenten und die Producer-Abteilung, die kurzfristig nach neu zu engagierenden Künstlern suchen musste, verursachte. Zu einem solchen wurde Artjom Abaschew, der im Winter die Arbeitsbeziehungen mit der Permer Oper abgebrochen hatte. Im Bolschoi hatte man ihm „Rusalka“, „Carmen“ (auf der Historischen Bühne) und „Don Juan“ anvertraut. Entsprechend den Beobachtungen der „NG“ hat die Arbeit des 39jährigen Abaschews die hinsichtlich ihrer gestalterischen Lösungen bescheidende Inszenierung der Mozart-Oper spürbar geschmückt. Es ist offensichtlich, dass auch die Leitung des Theaters zufrieden war, da Abaschew in der kommenden Spielzeit im Bolschoi als inszenierender Dirigent sein Debüt geben wird – mit der Anton-Rubinstein-Oper „Der Dämon“. Ihm zur Seite wird Wladislaw Nawstawschews stehen, der sich mit zwei Arbeiten auf der Kammermusikalischen Bühne empfohlen hat, wobei eine von ihnen für den russischen Theaterpreis „Goldene Maske“ nominiert wurde. Die Auswahl des Werkes überrascht in diesem Fall. Während im Repertoire Werke der ersten Garde fehlen (es gibt nicht eine Glinka-Oper, Rimskij-Korsakow ist praktisch vollkommen vom Spielplan genommen worden), wendet sich das Theater plötzlich einer Oper zu, die durch ihre dramaturgische „Sprödigkeit“ bekannt ist, was offenkundig war, als im Stanislawskij- und Nemirowitsch-Dantschenko-Musiktheater (dessen Direktor im Übrigen Wladimir Urin gewesen war) die erfolglose Inszenierung des „Dämons“ erfolgte. Es ist eine Sache, wenn in der Hauptrolle Dmitrij Chworostowskij singt (mit ihm hatte Dmitrij Bertman in der Moskauer Philharmonie eine theatralisierte Version inszeniert, geplant waren auch Inszenierungen in Europa, aber der Bariton hat sie leider nicht mehr erleben können). Aber das Bolschoi hat kein Engagement eines Stars angekündigt.

Ja, aber eine andere Opernpremiere ist dagegen aus der Reihe der Repertoire-Hits: Verdis „Der Troubadour“ wird Roman Feodori, der künstlerische Leiter des Krasnojarsker Theaters des jungen Zuschauers, inszenieren. Der Name des Dirigenten ist aber bisher nicht bekannt.

Mit der dritten Opernpremiere der Spielzeit wird im Bolschoi einer der vielversprechendsten jungen Dirigenten – der Weißrusse Dmitrij Matwijenko – debütieren. Zusammen mit Alexander Molotschnikow wird er an dem Doppelpack „Francesca da Rimini“ von Sergej Rachmaninow – „Eine florentinische Tragödie“ von Alexander (von) Zemlinsky arbeiten. Nun hat auch Moskau die Mode hinsichtlich Komponisten erreicht, die im Schatten von Gustav Mahler und Arnold Schönberg gestanden hatten. Angefangen, die Musik von Alexander (von) Zemlinsky in das russische Musikleben einzuführen, hatte Wladimir Jurowskij. Ihn unterstützte sein Nachfolger im Staatsorchester, Wassilij Petrenko. In der vergangenen Spielzeit hatte die Moskauer „Neue Oper“ „Die tote Stadt“ von Erich Wolfgang Korngold vorgestellt, in der kommenden wird hier die Inszenierung der Zemlinsky-Oper „Der Zwerg“ geplant.

Von den anderen bedeutenden Ereignissen sei die Weltpremiere des Balletts „Pique Dame“ zur Musik von Jurij Krasawin (genauer gesagt mit seiner Bearbeitung der Oper von Tschaikowski) erwähnt. Den Arbeiten mit Wjatscheslaw Samodurow nach zu urteilen (die kürzliche „Tanzmanie“ auf der Neuen Bühne des Bolschoi-Theaters), schreibt er ausgezeichnet für das Tanztheater. Das Ballett inszeniert Jurij Posochow, der Autor der mit „Goldenen Masken“ gewürdigten Arbeiten „Die Möwe“, „Nurejew“ und „Ein Held unserer Zeit“.

Zwei andere Ballettpremieren sind Wiederaufnahmen relativ neuer Produktionen – die „Chopiniana“ zur Musik von Frédéric Chopin in einer Choreografie von Michail Fokin (für die Inszenierung sind Natalia Bolschakowa und Wadim Guljajew engagiert worden) in einem Paar mit dem „Grand Pas Classique“ aus dem Ballett „Paquita“ zur Musik von Léon Minkus (seine Arbeit wird Jurij Burlaka zum neuen Leben erwecken).

Die kammermusikalische Bühne (die lange als Pokrowskij-Kammermusik-Theater in Moskau bekannt war – Anmerkung der Redaktion) wird für eine grandiose Rekonstruktion geschlossen. Im Haus an der Nikolskaja-Straße wird eine neue multifunktionale Bühne an der Stelle des niedergebrannten Restaurants „Slawischer Basar“ entstehen. Die Aufführungen des Kollektivs werden im Schloss an der Jausa erfolgen, das gerade die Truppe des Theaters an der Bronnaja verlassen hat.

Die Gastspiel-Pläne des Bolschoi-Theaters sind mit freundschaftlichen Richtungen verbunden. Nach Moskau werden Theater aus Minsk und Nur-Sultan kommen. Und das Bolschoi wird in der nächsten, der 247. Spielzeit russische Städte besuchen (Kaliningrad, Jakutsk, Tscheljabinsk und Kasan).