An der Tagung des Ausschusses des Nordatlantischen Rates der NATO für Rüstungsfragen hat am 26. Oktober erstmals die Ukraine teilgenommen. Früher war die Arbeit bei solchen Treffen ein Prärogativ ausschließlich der Mitgliedsländer der Allianz. Und in Kiew betrachtet man das Ereignis als eine Andeutung dafür, dass man in Brüssel direkten Kurs auf eine Aufnahme der Ukraine in die Organisation genommen habe. Dies deutete unzweideutig auch der jüngst in Kiew weilende Pentagon-Chef Lloyd Austin an.
Die Führung der Streitkräfte der Ukraine hatte mehrfach über einen Übergang der Armee und der Flotte des Landes zu den NATO-Standards berichtet. Und daher hatten die Vertreter Kiews bei der Erörterung von Fragen im Zusammenhang mit Waffen der Allianz bei der Tagung des erwähnten Ausschusses mit ihren neuen Partnern in einer Sprache gesprochen.
Das Verteidigungsministerium der Ukraine teilt mit, dass bei dem Treffen, an dem der Chef des Ministeriums Alexander Nosov teilgenommen hatte, die Seiten über „Innovationen im verteidigungstechnischen Bereich, Transformationen im Zusammenwirken mit der Wissenschaft und dem Rüstungskomplex sowie das Erreichen eines optimalen Verhältnisses von militärischen Bedürfnissen und den Haushaltsmöglichkeiten“ gesprochen hätten. Die letzte Frage ist für die Ukraine und die NATO-Länder besonders aktuell. Kiew, das der Allianz beitreten möchte, gibt für die Verteidigung und Sicherheit mehr als fünf Prozent des Bruttoinlandsproduktes des (BIP) Landes aus, während die meisten Länder der Allianz für diese Zwecke rund oder weniger als zwei Prozent des BIP ausgeben. (Russland diesbezüglich einen Anteil von 2,7 Prozent des BIP in diesem Jahr vorzuweisen. – Anmerkung der Redaktion)
Die ukrainischen Streitkräfte brauchen neue Arten von Waffen und die Organisierung deren Herstellung. All dies können die Länder des Nordatlantikpaktes sichern. Dank der Organisierung einer kollektiven Verteidigung und aktiven Militärhilfe seitens der USA reichen den meisten NATO-Ländern zwei Prozent vom BIP, um ihr Verteidigungspotenzial auf dem erforderlichen Stand zu halten und eine ernsthafte militärische Bedrohung für Russland und dessen Verbündeten darzustellen. Die Führung der Ukraine, die gegenüber der Russischen Föderation Gebietsansprüche hat und auf deren Territorium der Militärkonflikt im Donbass in einer halbaktiven Phase andauert, würde sich natürlich sehr gern dem kollektiven Verteidigungssystem der Allianz anschließen. Wollen aber die Führungskräfte der NATO die Ukraine endgültig in ihre Arme nehmen, bleibt fraglich. Bei einem offiziellen NATO-Beitritt der Ukraine werden die Donbass-Probleme auch für die Allianz aktuell. Doch es will wohl keiner von den Vertretern der EU seine Soldaten in einen realen Krieg schicken.
Eine andere Sache ist die Hilfe der NATO für die Ukraine in Form von Waffen. Die Allianz ist imstande, Kiew ganze Militärprogramme und Pläne vorzuschlagen. Und augenscheinlich ging es auch darum jüngst in Brüssel. Von einer neuen Portion an Militärhilfe für die ukrainischen Streitkräfte sprach auch Pentagon-Chef Lloyd Austin, der am 19. Oktober in Kiew weilte. Er hatte erklärt, dass die USA seit 2014 über 2,5 Milliarden Dollar für die Bedürfnisse der Streitkräfte der Ukraine bereitgestellt hätten – für die Gewährleistung der territorialen Integrität des Landes und den Schutz seiner Territorialgewässer. „Wir gewähren auf regulärer Grundlage in allen Regionen Hilfe. Und dies ist unsere Pflicht gegenüber unseren Partnern. Und Sie können erwarten, dass wir unsere Unterstützung fortsetzen werden“, sagte Austin.
Diese Unterstützung äußerte sich laut Medienangaben in neuen Lieferungen an Waffen und Verteidigungsressourcen durch das Pentagon über eine Summe von rund 60 Millionen Dollar. Beispielsweise erhielt die Ukraine dieser Tage zusätzliche Panzerabwehrraketenkomplexe vom Typ „Javlin“ von den USA, die als letale Waffen angesehen werden. Diese Lieferung wurde „im Rahmen einer zusätzlichen Dringlichkeitshilfe von den USA, worüber im Verlauf des Septemberbesuchs von Wladimir Selenskij in Washington Vereinbarungen erzielt worden waren“, vorgenommen. Vorausgesagt werden andere Lieferungen letaler Waffen aus den Vereinigten Staaten. Auf der entsprechenden Liste stehen taktische Raketen, Artilleriesysteme für Salvenfeuer und eventuell relativ neue Kampfschiffe usw. Medien der Ukraine melden, dass Kiew und Ankara bereits vereinbart hätten, dass die Türkei im Land zwei Betriebe für die Herstellung und Instandsetzung von Kampfdrohnen des Typs „Bayraktar-TB2“ und anderer Modifikationen errichten werde.
Eine besondere Rolle im Prozess der Erhöhung des Verteidigungspotenzials der Ukraine spielt Großbritannien. Die Zeitung „The Times“ meldete unter Berufung auf einen ukrainischen Diplomaten in der vergangenen Woche, dass die Verteidigungsministerien der Ukraine und Großbritanniens Gespräche über den Verkauf taktischer Brimstone-Luft-Boden-Raketen an Kiew führen würden. Sie können mit großer Präzision Ziele vernichten, die sich mit einer Geschwindigkeit von mehr als 100 km/h bewegen.
London unterstützt auch indirekt die militärischen Ambitionen der Ukraine im Marinebereich. Die ukrainischen Seestreitkräfte haben bereits den Eisbrecher „James Clark Ross“ von Großbritannien erworben, den man in der russischen Experten-Community als eines der Hauptmittel „bei einem möglichen gewaltsamen Passieren der Meerenge von Kertsch“ ansieht. Der Botschafter der Ukraine in Großbritannien, Wadim Pristaiko, berichtete, dass London helfen werde, die Fähigkeiten der ukrainischen Seekriegsflotte zu verstärken. „Ich bin davon überzeugt, dass in der nächsten Zeit zwei bereits im Einsatz befindliche Schiffe erworben werden. Sie werden sofort in die Seekriegsflotte integriert. Und begonnen werden die Arbeiten zum Bau von zwei Marinehäfen. Gestartet wird auch der Bau von Schiffen einer kleineren Klasse in der Ukraine und in Großbritannien“. Pristaiko betonte, dass man zuerst ein Militärschiff für die Ukraine in Großbritannien bauen werde. Und danach werde man die Technologien an ukrainische Werften übergeben. Die ersten Schiffe, die die Briten der Ukraine übergeben würden, würden Minenräumschiffe sein, die in der Lage sind, die Küste vor einer Minengefahr zu schützen.
„Es ist nicht ausgeschlossen, dass der „Bau von zwei Marinehäfen“ nichts anderes als die Einrichtung von zwei Flottenstützpunkten in Otschakow und Berdjansk ist, über die man schon lange in der Experten-Community spricht“, erklärte der „NG“ der Militärexperte, der Oberst im Ruhestand Nikolaj Schulgin, der der Auffassung ist, dass der Präsident der Ukraine Wladimir Selenskij neue Militärprojekte bereits bald erörtern könne, wenn er Großbritannien besucht. Dort wurde er bereits vom britischen Premierminister Boris Johnson erwartet, der vor der Begegnung mit Selenskij Russlands Präsident Wladimir Putin anrief. Erörtert wurden natürlich die Probleme des Donbass erörtert. Dieses Problem lasse Johnson offensichtlich nicht in Ruhe. „Dabei wird London zu einem der wichtigen militärstrategischen Partner der Ukraine. Und dies macht hellhörig“, konstatiert Schulgin.