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Die Offiziellen verwandeln Nawalny in eine Zielscheibe für den Wahlkampf


Propaganda Material geliefert, die nun aus Nawalny den Hauptgegner des Kremls im Kontext der bevorstehenden Wahlen zur Staatsduma machen. Das Image des Oppositionellen und seiner Anhänger wird mit Negativem aufgefüllt. Offiziell wird beispielsweise darauf verwiesen, dass Nawalny ein wahrer Agent ausländischer Geheimdienste sei, der unter anderem versuche, dem Volk die geistige Klammer in Gestalt des Sieges im Krieg wegzunehmen. Die Logik dieser Handlungen ist solch eine, dass, wenn die Herrschenden gegen diese Inkarnation des gegenüber Russland feindseligen Westens kämpfen, so geht es schon nicht um den Erfolg irgendeiner Partei, sondern um das Schicksal des Landes. Und dies muss jegliche Einschränkungen und sogar die Repressalien gegen die Opposition rechtfertigen. Die Nawalny Die durch den Stab von Alexej Nawalny für den 14. Februar angekündigten Protestaktionen liefen ohne Vorfälle ab. Sie haben lediglich Material den föderalen TV-Kanälen und anderen Ressourcen der staatlichen -Vertreter an sich wird man jedoch offensichtlich nicht zu den Wahlen zulassen. Das heißt, das Risiko aufgrund des eigenen Schreckgespenstes zu verbrennen, ist minimal.

Die in Moskau und Petersburg für den 14. Februar geplanten „Ketten der Frauensolidarität“ fanden statt, ohne dass gegen sie Maßnahmen einer Einflussnahme durch die Polizei ergriffen wurden. Obgleich um diese Aktionen auch gewisse negativ eingestellte Bürger aufgetaucht waren, die offenkundig entsprechend einer gemeinsamen Absicht handelten, war ein gewaltsames Eingreifen der Rechtsschützer nicht erforderlich gewesen. Die Informationen, die aus den Regionen und gleichfalls aus Moskau eintrafen, bestätigten ebenfalls, dass die Polizei nicht angefangen hatte, durch die Höfe Personen mit eingeschalteten Lampen von Mobiltelefonen hinterherzulaufen.

Allerdings waren selbst die Hauptressourcen der Nawalny-Vertreter gezwungen gewesen, auf Überlegungen zum Thema des Massencharakters dieser Aktionen und deren ernsthaften Einflusses auf die Situation im Land zu verzichten. Dabei wurde die Bitte des Koordinators der Nawalny-Stäbe Leonid Wolkow, aktiv entsprechende Fotos und Videos in den sozialen Netzwerken zu verbreiten, von den Aktivisten natürlich erfüllt. Und folglich blieben die Herrschenden als auch ihre Gegner insgesamt bei ihren Meinungen. Erstere zeigten, dass sie sich doch nicht auf klare Provokationen einlassen können. Die zweiten bestätigten für sich selbst ihr Renommee wahrer Nichteinverstandener. Und haben damit nur weiter Material für die staatliche Propaganda geliefert, die in der letzten Zeit hinsichtlich Nawalnys scheinbar irgendwelche neue Vorgaben erhalten hat. Dies bestätigt direkt die große Aufmerksamkeit der föderalen TV-Kanäle für den Gerichtsprozess, in dessen Verlauf die Staatsanwaltschaft den Versuch unternommen hat, die Schuld des Oppositionellen hinsichtlich des Falls einer Verleumdung eines der wenigen noch lebenden Kriegsveteranen nachzuweisen. Die Fernsehkanäle kosten einfach die scharfe Äußerungen Nawalnys gegen den Betroffenen aus. Da es sie aber beinahe nicht gibt, kommen jegliche seiner Attacken gegen die Richterin, die Staatsanwältin und Zeugen der Anklage zum Zuge.

Augenscheinlich ist, dass ein Auffüllen bzw. Ausmalen des Images von Nawalny mit jeglichem geeigneten Negativen erfolgt. Und während man früher dies mit dem Versuch der Offiziellen erklären konnte, eine Anti-PR-Kampagne im Zusammenhang mit den Nachforschungen über den Palast in Gelendschik am Schwarzen Meer zu veranstalten, so ist nun offensichtlich eine andere Aufgabe gestellt worden. Dies ist offenkundig die Schaffung eines gewissen Hauptgegners des Kremls und der Regierungspartei aus dem Oppositionspolitiker an sich und seiner ganzen Struktur im Verlauf der anstehenden Kampagne zu den Staatsduma-Wahlen. Die Sache ist die, dass es für „Einiges Russland“ bei diesen Wahlen vom Wesen her keinen gibt, gegen den sie kämpfen kann. Die Parteien der Duma-Opposition werden beginnen, untereinander um das Protestelektorat zu ringen. Und für die Vertreter von „Einiges Russland“ wird es irgendwie sogar peinlich werden, jene als ihre Konkurrenten darzustellen. Dies bedeutet, dass man den Sieg von „Einiges Russland“ in Gestalt einer Verfassungsmehrheit künstlich schaffen muss. Aber dies kann bereits wahre Unruhen nach sich ziehen. Daher hat man in der Administration des Präsidenten allem nach zu urteilen beschlossen, sich mit den politischen System-Strukturen über deren Anteile und Quoten zu einigen und einen Kampf gerade gegen Nawalny zu entfesseln. Und dies rechtfertigt übrigens jegliche drakonischen Gesetze der letzten Monate.

Dabei ist Nawalny bereits zu einem direkten Agenten ausländischer Geheimdienste erklärt worden (bisher ohne irgendwelche konkreten Beweise – Anmerkung der Redaktion). Und bald wird er zum Hauptverfolger der Veteranen, und dies mit einem gewissen nazistischen Touch. Danach wird man ihn und die nächsten Anhänger wie hartgesottene Betrüger, politische Verführer Minderjähriger und bösartige COVID-Dissidenten verurteilen. Aber das Wichtigste ist, dass dies alles als eine Inkarnation der feindseligen Pläne des Westens gegen unser Land bezeichnet wird, das jener in seiner dynamischen Entwicklung auszubremsen trachtet. Das heißt, das Syndrom der belagerten Festung kann auf einem neuen Niveau untersetzt werden: Nun, der Feind sei schon nicht mehr vor den Toren, sondern sei ins Innere eingedrungen.

Viele Experten haben früher das Augenmerk darauf gelenkt, dass sich die aus dem Staatssäckel finanzierte Werbekampagne für Nawalny für die Herrschenden ins Gegenteil verkehren könne. Scheinbar tut dies jedoch den Kreml nicht stark zu beunruhigen. Erstens zeigen die soziologischen Untersuchungen scheinbar, dass das Antirating des Oppositionellen ein gewaltiges bleibe. Und die Anzahl seiner Verehrer nehme kaum zu. Zweitens ist Nawalny bereits unter die Räder der Repressionsmaschine geraten. Und dies bedeutet, er wird vollkommen kontrolliert. Drittens wird offensichtlich keine politische Kraft unter dem Namen Nawalnys zu den Wahlen zugelassen werden.

Alexej Muchin, Generaldirektor des Zentrums für politische Informationen, nimmt an: „Die Offiziellen haben begriffen, dass es nicht geklappt hat, Nawalny zu isolieren. Es gibt eine Resonanz aufgrund seiner Aktionen. Daher hat man beschlossen, seine Vergangenheit aufzudecken, seine Tätigkeit zur Zerstörung des politischen Systems von Russland zu zeigen. Ein Risiko gibt es aufgrund solch eines Rummels immer. Natürlich werden die Anhänger Nawalnys versuchen, sein Antirating in eine Unterstützung zu konvertieren“. Der Experte betonte, dass „Einiges Russland“ wohl doch eine Taktik realer Taten realisieren werde, obgleich sie in der Perspektive auch den Faktor Nawalny in der Wahlkampfrhetorik ausnutzen könne. Seiner Meinung nach „wäre jedoch dieses Nutzen selbst für die taktischen Wahlkampfziele ein Fehler für „Einiges Russland“, denn Nawalny wird so aus einem verallgemeinerten bzw. zusammengefassten Bild, das er gegenwärtig darstellt, zu einem Faktor des politischen Lebens. Dies ist aber nicht der Fall“.

Der Chef der Politischen Expertengruppe Konstantin Kalatschjow sagte der „NG“: „Natürlich macht man aus Nawalny ein Schreckgespenst. Das Thema „Nawalny ist ein westlicher Agent“ ergibt sich aus der Konfrontation mit dem Westen. Von daher auch das Suchen nach einer ausländischen Spur. Dies erfolgt, weil die Offiziellen begreifen, dass es schon nicht gelingt, das Phänomen Nawalnys zu verschweigen. Daher hat man beschlossen, ihn zu dämonisieren, soweit dies möglich ist, d. h., seine Erkennbarkeit in ein Antirating umzuwandeln. Dies ist eine Aufgabe, nicht nur für ein komfortables Eintreten in die (Wahl-) Kampagne, sondern auch für die Zukunft“. Ergo versuchen die Herrschenden, die Opposition als das größere der Übel darzustellen, und rufen auf, für sie (die Herrschenden) als das geringere zu votieren. Aber solch eine aufdringliche Propaganda kann eine Gegenwirkung auslösen. Es kann der Unwille zunehmen, der offiziellen Auslegung Glauben zu schenken. „Effizienter wäre, seitens der Herrschenden gleichzeitig mit dem Herunterspielen Nawalnys das Vertrauen sich gegenüber zu erhöhen, beispielsweise durch die Annahme populärer Image- und wirtschaftlicher Entscheidungen“, konstatierte der Experte. Auch wenn „das Thema der belagerten Festung“ funktioniert, so kann man selbst in einer Festung entweder alle verhungern lassen oder an die Menschen Getreide ausgeben“.

Alexej Makarkin, 1. Vizepräsident des Zentrums für politische Technologien, erläuterte der „NG“, dass man aus Nawalny die Figur eines inneren Feindes gemacht habe, wobei man sich auf drei Grundpfeiler stütze. Er sei ein westlicher Agent, habe einen Veteranen beleidigt und involviere Minderjährige in die Politik. Das Feindbild sei nicht nur für die Wahlkampagne bestimmt, obgleich in der Perspektive auch für sie. Der Experte erinnerte daran, dass die Duma-Wahlkampagne im Jahr 2003 unter ähnlichen Bedingungen einer Konfrontation mit dem Westen stattgefunden habe. Damals aber sei sie auch noch eine antioligarchische im Zusammenhang mit der Verhaftung von Michail Chodorkowskij gewesen. Und dies habe damals funktioniert. Die liberalen Parteien BRK (Bund der rechten Kräfte) und „Jabloko“ waren erstmals nicht in die Staatsduma eingezogen, während „Einiges Russland“ erstmals die Mehrheit erlangte. Makarkin zweifelt aber, dass jetzt eine derartige Kampagne aktiv unterstützt werde. Schließlich ist das Bedürfnis nach Vereinbarungen mit dem Westen in der Gesellschaft ein starkes. Dies gibt es sogar unter der Putinschen Mehrheit, freilich mit dem Einwand „zu für uns vorteilhaften Bedingungen“. Außerdem spielen bei den Wahlen jetzt, im Unterschied zu den Jahren 2003 und 2016, doch die sozial-ökonomischen Probleme eine große Rolle. Ergo wird es wohl kaum gelingen, auf der Grundlage innerer und äußerer Feinde einen Triumpf von „Einiges Russland“ bei den Wahlen zu sichern. „Jedoch ist jetzt der Boden für einen Protest gereift. Und das Volk zu einer neuen Aktion am (Moskauer) Berg der Verneigung zu holen, scheint nicht möglich zu sein. Ja, und da wird die Figur eines inneren Feinds in Gestalt von Nawalny geschaffen. Und den Herrschenden ist es gelungen, dies zu tun. Laut Umfragen des Levada-Zentrums haben die Moskauer Proteste von 2019, die man als Elite- und hauptstädtische bezeichnet hatte, mehr Sympathien als die diesjährigen ausgelöst“, erläuterte Makarkin. Derweil trage seiner Meinung nach solch eine Position der Offiziellen Risiken in sich, denn da gibt es eine noch größere Kluft zwischen den Generationen, aber auch einen Unterschied zwischen dem Internet- und dem Fernsehpublikum. Außerdem liege das Vertrauensrating für Nawalny dank dem Rummel auf einem Rekordstand von 5 Prozent. Seine Figur erlange größere Dimensionen. „Dies ist sehr viel für Nawalny. Doch dies ist dennoch die Minderheit. Daher wird während der Kampagne für die Duma-Wahlen das Thema der inneren und äußeren Feinde sicher ausgenutzt werden. Dies wird natürlich „Einiges Russland“ nicht erlauben, einen triumphalen Sieg zu erlangen. Es erlaubt aber, die ihrigen zu halten, diejenigen, die mit Putin und „Einiges Russland“ geblieben sind. Die Menschen werden aber hauptsächlich darauf gucken, was die Offiziellen noch anbieten und neben Nawalny sagen können“, betonte Makarkin.