Die Staatsduma (das Unterhaus des russischen Parlaments) hat die Live-Übertragungen von ihren Sitzungen im Internet eingestellt. Vorerst laut vorläufigen Informationen vorübergehend. Und zwar bis zum Abschluss der Sonderoperation, die bereits den 238. Tag andauert (seit dem 24. Februar). Bereits in der kommenden Woche wird man augenscheinlich aus den Änderungen zum Reglement der Staatsduma sowohl die Dauer als auch die Intensität des Entweichens der Abgeordneten vor den aufmerksamen Blicken von außen her beurteilen. Und gerade in solch einem neuen geschlossenen Regime soll der Gesetzentwurf über Freiwillige, das heißt über bewaffnete Formationen vom Typ privater Söldnerfirmen erörtert werden. Es scheint, dass das Dokument bestimmte Einwände gerade seitens jener ausgelöst hatte, die sich eben mit solch einer Tätigkeit auch befassen.
Die Tagung der Staatsduma vom 18. Oktober hatte gerade auch zufälligerweise mit einem geschlossenen Teil begonnen: Der Vizepremier der Regierung der Russischen Föderation, Marat Chusnullin, informierte über eine mögliche Umsiedlung von Einwohnern des Verwaltungsgebietes Cherson aufgrund des anhaltenden ukrainischen Beschusses in andere Regionen des Landes. Später war eine Übertragung im Internet nicht zu finden. Und dann tauchten die Mitteilungen auf, dass dem auch weiter so sein werde.
Die Nachrichtenagenturen zitierten gleichgeschaltet Worte einer gewissen Quelle in der Staatsduma: Der Rat des Unterhauses, das heißt dessen Leitung inkl. Fraktionschefs, hätten beschlossen, dass „ein erheblicher Teil der Tagesordnung der Sitzungen mit einer Behandlung von Maßnahmen zur Unterstützung der Soldaten und Offiziere, die Aufgaben der militärischen Sonderoperation erfüllen, aber auch mit der Erörterung aller Fragen, die mit der gesetzgeberischen Absicherung der Sonderoperation zusammenhängen, verbunden ist“. Kurz gesagt: Die gesetzgeberische Arbeit wird unter dem Siegel „für den Dienstgebrauch“ oder gar „Streng geheim“ vorgenommen werden.
Und eine Quelle der „NG“ an der Ochotnyj Rjad (Moskauer Straße, in der die Staatsduma ihren Sitz hat – Anmerkung der Redaktion) bestätigte, dass dies wirklich nur der Beginn einer Operation sei, um die Staatsduma aufmerksamen Blicken von außen zu entziehen. In der kommenden Woche werden – allem nach zu urteilen – bereits die entsprechenden Änderungen am Reglement verabschiedet. Und da kann es auch weitere Überraschungen geben, zum Beispiel die Einstellung eines äußeren Zugangs zur Gesetzesbasis der Staatsduma, eine Einschränkung des Betretens des Gebäudes für Besucher und gar irgendeines Teils von Assistenten der Abgeordneten, die als Freiwillige unentgeltlich arbeiten. Nicht ausgeschlossen ist, dass es auch bestimmte Entscheidungen hinsichtlich einer Akkreditierung von Massenmedien getroffen werden, obgleich bisher erklärt wurde, dass sich das Arbeitsregime für die Presse nicht ändern werde. Das heißt: Alle Geheimnisse, die man nicht ins Internet stellen darf, werden die Journalisten scheinbar ungehindert mit eigenen Augen beobachten können. Wenn man aber von der gegenwärtigen Logik der Handlungen der Staatsduma-Führung ausgeht, stellt sich die Frage: Wo ist aber die Garantie dafür, dass sich unter den Medienvertretern nicht feindselig eingestellte Oppositionelle oder sogar direkte Agenten des kollektiven Westens befinden?
Und für solche gibt es in der Staatsduma einiges, um sich genauer anzusehen. Für den 27. Oktober ist beispielsweise die Verabschiedung des berüchtigten Gesetzes über die Freiwilligen, sprich: über die Legalisierung privater Söldner-Firmen insgesamt anberaumt worden. Gemäß diesem Gesetz sollen die sogenannten bzw. sattsam bekannten Freiwilligen vollkommen zu den Bedingungen agieren, die offiziellen Armee-Vertragsmilitärs geboten werden. Zumindest die finanzielle Vergütung, die Lebensversicherung, Wiedergutmachungen für Verwundungen und Zahlungen an Hinterbliebene von Gefallenen sind genauso festgeschrieben worden und somit identische.
Der Hauptunterschied besteht aber darin — dem Wortlaut der Änderungen nach zu urteilen -, dass „die Freiwilligen-Formationen durch das Verteidigungsministerium auf Beschluss des Präsidenten der Russischen Föderation geschaffen werden können“. Das Ziel ist eine Unterstützung „für die Erfüllung der Aufgaben, die den Streitkräften der Russischen Föderation in der Zeit einer Mobilmachung, des Geltens des Kriegszustands, in Kriegszeiten, bei Ausbruch von bewaffneten Konflikten, bei der Durchführung konterterroristischer Operationen, aber auch bei einem Einsatz der Streitkräfte der Russischen Föderation außerhalb der Russischen Föderation übertragen worden sind“. Im Großen und Ganzen ist dies etwa das, womit sich auch – sagen wir einmal – die weltbekannte private Söldner-Firma „Wagner“ befasst.
Der Chef des Duma-Ausschusses für Verteidigung, Andrej Kartapolow (Kremlpartei „Einiges Russland“), wies vollkommen solch eine Bewertung dieses Dokuments zurück, womit er noch mehr diesen Standpunkt bestärkte. Der bisherige Plan, das Gesetz am 18. Oktober zu verabschieden, ist jedoch nicht aufgegangen. Es kursieren Informationen, wonach allzu große Vollmachten des Verteidigungsministeriums auf eine Ablehnung seitens der einflussreichsten Organisatoren eben jener Freiwilligen gestoßen seien.
Post Scriptum
Derweil hat die gegenwärtige Situation in Russland eine neue Wende erfahren. Zu Beginn der Mittwoch-Tagung des russischen Sicherheitsrates gab Kremlchef Wladimir Putin bekannt, dass er einen Erlass über die Verhängung des Kriegszustands in den vier Regionen unterzeichnet habe, die jüngst nach vom Westen nichtanerkannten Referenda der Russischen Föderation beigetreten sind. Ab 00.00 Uhr des 20. Oktober wird dieser Kriegszustand also in den Donbass-Republiken DVR und LVR sowie in den Gebieten Cherson und Saporoschje gelten. Ein Endtermin ist im Erlass des Präsidenten nicht ausgewiesen worden. In den angrenzenden Verwaltungsgebieten wird das Regime eines sogenannten mittleren Grades des Reagierens verhängt. In allen anderen Regionen Russlands – das Regime einer Basis-Bereitschaft.