Unabhängige Zeitung

Private Tageszeitung

Die ukrainische Offensive löst politische Aufgaben


Das Verteidigungsministerium der Russischen Föderation hat bereits zweimal über eine Zerschlagung der ukrainischen Offensive im Verwaltungsgebiet berichtet, wobei es Angaben über immer wesentlichere Verluste der angreifenden Seite anführte. Offizielle Vertreter Kiews haben relativ schnell aufgehört, Kommentare abzugeben, womit eine Überprüfung der Angaben nicht möglich ist. Inoffiziell wird in Medien und militärischen Telegram-Kanälen von recht bescheidenen Veränderungen der Frontlinien entsprechend den Ergebnissen der ersten Tage einer Aktivierung der Kampfhandlungen berichtet.

Erste Meldungen über massierte Schläge der Streitkräfte der Ukraine im Verwaltungsgebiet Cherson wurden am 29. August verbreitet. Anfangs hatten einige ukrainische offizielle Vertreter und Accounts in den sozialen Netzwerken dies als eine „Gegenoffensive gegen Cherson“ bezeichnet, die schon lange von Kiew angekündigt worden war, bzw. man hatte sie angedeutet.

Erklärt wurde, dass die erste Linie der russischen Verteidigung durchbrochen worden sei. Und von beinahe einer Blockierung der russischen Gruppierung am Westufer des Dneprs war da die Rede. Danach aber hatte der Eifer der Kommentatoren spürbar nachgelassen. Und der Generalstab der ukrainischen Streitkräfte umgeht dieses Thema in seinen Berichten mit einem Schweigen.

Soweit man aus inoffiziellen Meldungen urteilen kann, werden die Angriffshandlungen seitens Kriwoi Rog in Richtung Berislaw und seitens Nikolajews in Richtung Cherson durchgeführt. CNN meldete unter Berufung auf eine ukrainische Militärquelle, dass die ukrainischen Streitkräfte vier Dörfer an verschiedenen Frontabschnitten eingenommen hätten. „Wir werden sehen, wie es weiterhin laufen wird“, sagte die Quelle, die Cherson als Ziel nannte. Laut Angaben russischer Militär-Telegram-Kanäle würden eine Reihe von Ortschaften im Verlauf der Gefechte wechselseitig von Seiten eingenommen werden. Dabei sei es den Streitkräften der Ukraine angeblich gelungen, am Ostufer des Flusses Ingulez, im Raum von Dawydow Brod voranzukommen. Zur gleichen Zeit hat sich der gegenseitige Beschuss verstärkt, und in Cherson wurde in den frühen Morgenstunden des 30. August eine ukrainische Diversionsgruppe vernichtet.

Das russische Verteidigungsministerium hatte bereits am Abend des 29. August die Zerschlagung der Offensive gemeldet, wobei es die Aufmerksamkeit auf angeblich kolossale Verluste der Angreifer konzentrierte. „Im Verlauf der Gefechte sind 26 ukrainische Panzer, 23 Schützenpanzerwagen und andere gepanzerte Gefechtsfahrzeuge vernichtet worden. Abgeschossen wurden zwei Su-25-Jagdflugzeuge. Die Verluste des Gegners unter den Militärs machten mehr als 560 Menschen aus“, teilte man damals im Verteidigungsministerium mit. Laut aktuelleren Angaben hätten die Verluste der ukrainischen Streitkräfte weiter zugenommen. Für den 30. August beispielsweise wurden mehr als 1200 Militärs gemeldet, die vernichtet worden seien, 48 Panzer, 46 Schützenpanzerwagen, 37 andere gepanzerte Gefechtsfahrzeuge, aber auch acht Pickups mit großkalibrigen Maschinengewehren. Und am 4. September informierte Igor Konaschenkow, Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums: „Im Verlauf eines Tages an Kampfhandlungen hat der Gegner in der Richtung Nikolajew – Kriwoi Rog elf Panzer verloren, 17 Schützenpanzerwagen, darunter vier Schützenpanzerwagen „Bradley“ aus US-Fertigung, zehn andere gepanzerter Gefechtsfahrzeuge, fünf Pickups mit großkalibrigen Maschinengewehren und über 150 Militärs“. Im Verteidigungsministerium ist man sich sicher, dass den Befehl zur Offensive der Präsident der Ukraine, Wladimir Selenskij, erteilt habe. Damit werde augenscheinlich unterstrichen, dass sie politische und keine militärischen Ursachen und Ziele habe.

Die Kampfhandlungen dauern an, und Beobachter rätseln herum, was sich abspielt. Es sei wenig wahrscheinlich, dass dies ein realer Versuch sei „Cherson zurückzuerobern“, worauf zu Beginn der Aktivierung der Kampfhandlungen angespielt worden war. Unter Berücksichtigung der offenkundig unzureichenden Ressourcen der ukrainischen Streitkräfte dafür haben sie objektiv wenig Erfolgschancen. Realistischer sieht die Aufgabe aus, die Front zu sondieren und zumindest zeitweilig an einzelnen Abschnitten von ihr vorzurücken, was man als einen militärischen Sieg darstellen kann. Die Kehrseite solch eines Vorgehens sind hohe Verluste und die wahrscheinliche Perspektive, einen russischen Gegenschlag hinzunehmen.

„Die Aktivierung und Offensive haben ähnliche äußere Merkmale, aber eine unterschiedliche innere Durcharbeitung“, betonte Alexander Chodakowskij, Kommandeur des Bataillons „Osten“ der Truppen des Innern des Innenministeriums der Donezker Volksrepublik. „Eine Offensive hat ursprünglich das Ziel, irgendwelche Abschnitte zu erreichen. Und dafür werden Ressourcen unter Berücksichtigung von Verlusten und eines erhöhten Verbrauchs von Gefechtssätzen. Eine Aktivierung aber eignet sich gut für politische Aufgaben. Im militärischen Sinn aber gestaltet sie sich auf dem Prinzip „wie es halt laufen wird“. Wenn sich ein Wunder ereignet und der Gegner schwankt, kann man auch voranrücken. Wenn sich kein Wunder ereignet, muss man aus der Aktivierung alle möglichen Dividenden mittels der Medien herauspressen. Das heißt: Wenn im ersten Fall das Ergebnis wichtig ist und für dieses die Handlung geplant wird, so ist im zweiten Fall die Handlung wichtig. Und das Ergebnis ist sekundär. Dies ist solch ein Prozess des Prozesses willen“.