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Die ukrainischen Streitkräfte setzen bereits weitreichende amerikanische ATACMS-Raketen ein


In Russland will man eine Zunahme der Herstellung hochpräziser Waffen erreichen. Der russische Industrie- und Handelsminister Sergej Manturow, Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin haben an der Einweihung eines Gebäudes eines künftigen Raketenbaubetriebes des Konzerns „Almaz-Antej“ im Industriepark „Rudnewo“ der Wirtschaftssonderzone „Technopolis Moskau“ teilgenommen. Und am Vorabend wurde auf einer Tagung im Nationalen Zentrum für Verteidigungsführung der Russischen Föderation die Frage nach der „Herstellung von Artilleriewaffen, reaktiven Raketenwerfer-Systemen und hochpräziser Munition“ erörtert. Um Lieferungen moderner Raketen- und Artilleriewaffen und Munition, vor allem auf Kosten der westlichen Sponsoren, sorgt sich auch die Ukraine.

Die Streitkräfte der Ukraine haben in der Nacht zum 17. Oktober erstmals US-amerikanische weitreichende ATACMS-Raketen gegen Ziele in Berdjansk eingesetzt (und laut einigen Meldungen den russischen Fliegerkräften erhebliche materielle Schäden zugefügt – Anmerkung der Redaktion). Die USA hatten nicht sofort die Tatsache der Übergabe dieser Raketen an Kiew bestätigt. Obgleich noch vor einem Monat westliche Medien unter Berufung auf Quellen im Pentagon gemeldet hatten, dass bereits im Oktober dieses Jahres in den ukrainischen Streitkräften ca. 20 bis 30 ATACMS-Raketen auftauchen würden. Die amerikanischen Blätter „Politico“ und „The Washington Post“ berichteten, dass die Vereinigten Staaten der Ukraine ATACMS mit Kassetten-Gefechtsköpfen liefern würden. Und am 17. Oktober meldeten sie, dass diese Raketen erstmals gegen russische Positionen zum Einsatz gekommen seien. Der Präsident der Ukraine, Wladimir Selenskij, bestätigte die Tatsache des Einsatzes von ATACMS: „Besonderer Dank gilt den Vereinigten Staaten. Unsere Vereinbarungen mit Präsident Biden werden umgesetzt. Sie werden sehr genau verwirklicht. Die ATACMS-Raketen haben sich bewährt“. Experten der „NG“ äußerten die Annahme, dass die Raketeneinheiten der ukrainischen Streitkräfte, die bodengestützte Startanlagen M270 MLRS und M142 HIMARS haben, wahrscheinlich Modifikationen der ballistischen ATACMS-Raketen erhalten würden, deren Gefechtskopf mit 950 Gefechtselementen ausgerüstet werden kann, die in der Lage sind, flächenmäßig verteilte Ziele (Menschen und leichte Unterstellungen, Flugplätze usw.) in einer Entfernung von bis zu 165 Kilometern zu treffen.

„Diese Raketen sind sehr schwer abzuschießen, da sie weitaus schneller als die Flügelraketen vom Typ Storm Shadow und SCALP, die Großbritannien und Frankreich bereits im Sommer für die Bedürfnisse der ukrainischen Streitkräfte geliefert hatten, fliegen“, erklärte der „NG“ der Militärexperte und Generalleutnant im Ruhestand Jurij Netkatschjow.

Nach seiner Meinung hätten die ukrainischen Streitkräfte gerade ATACMS-Raketen gegen Ziele bei Berdjansk einsetzen können, da sie über eine ballistische Flugbahn und eine recht große Geschwindigkeit verfügen würden und über eine recht große Entfernung ab der Gefechtslinie fliegen könnten. Ob sie von russischen Luftabwehrmitteln vernichtet wurden, ist verständlicherweise im Verteidigungsministerium der Russischen Föderation nicht informiert worden. Im Tagesreport des russischen Verteidigungsministeriums wurde lediglich gesagt, dass „fünf operativ-taktisch Raketen und vier lenkbare GLSDB-Bomben aus USA-Fertigung abgefangen“ worden seien.

„Die Streitkräfte der Ukraine werden augenscheinlich nicht viele amerikanische Raketen vom Typ ATACMS haben. Doch deren Vorhandensein auf der Seite Kiews stellt eine große Gefahr dar. Und daher wird das Kommando der russischen Truppen Schlussfolgerungen ziehen“, meint General Netkatschjow. „Erstens wird es wichtige strategische Objekte – Lager und Depots sowie die auf Flugplätzen dislozierte Luftwaffe usw. – von der Gefechtslinie weiter ins Hinterland verlegen. Zweitens wird es nach Möglichkeit die Luftverteidigung solcher Objekte verstärken. Drittens wird es die Aufklärung von bodengestützten Startanlagen vom Typ M270 MLRS und M142 HIMARS intensiver fortsetzen, von denen aus ATACMS-Raketen gestartet werden können. Und viertens wird es die eigenen Attacken mit hochpräzisen weitreichenden Raketen verstärken. Gerade aus diesem Grunde wurden im Verteidigungsministerium der Russischen Föderation auch Maßnahmen erörtert, die auf eine Erhöhung des Umfangs ihrer Herstellung abzielen“.

Nach Aussagen von Netkatschjow hätte Verteidigungsminister Sergej Schoigu bei der Beratung zu Fragen nach Lieferungen und den Entwicklungsperspektiven für Artilleriewaffen und Mehrfachraketenwerfer-Systeme erklärt, dass unter den Bedingungen der militärischen Sonderoperation (die bereits über 600 Tage andauert – Anmerkung der Redaktion) „es besonders wichtig ist, schnell die Reserven der Vernichtungsmittel aufzufüllen“. Und daher sei es erforderlich, „die Herstellung von Artilleriesystemen und reaktiven Raketenwerfer-Systemen zu forcieren, aber auch die Zeiträume für deren Lieferungen an die Truppen zu verringern“. Wie Schoigu betonte, habe die Regierung der Russischen Föderation der Rüstungsindustrie das Recht eingeräumt, alle Reserven einzusetzen, darunter die Mobilmachungskapazitäten. Und für das russische Verteidigungsministerium habe sie „das Prozedere für den Abschluss von Verträgen vereinfacht, den Umfang der Erprobungen reduziert sowie die Anforderungen an die Auswahl von Bauteilen unter der Bedingung einer Wahrung der Qualität der Enderzeugnisse heruntergeschraubt“.

In der Russischen Föderation sorgt man sich ebenfalls um eine Aufstockung des Umfangs der Montage von Komplexen für die Luftverteidigung. Der Beginn der Fertigung von Luftabwehrmitteln im Raketenbaubetrieb des Konzerns „Almaz-Antej“ ist für das vierte Quartal des kommenden Jahres geplant. „Bis Mitte kommenden Jahres versprechen die USA und die NATO den Streitkräften der Ukraine Lieferungen ihrer F-16-Jagdflugzeuge und zusätzliche Raketenwaffen. Somit wird eine Forcierung der Produktion moderner Luftverteidigungskomplexe in Russland für deren Bekämpfung bei weitem nicht unnötig sein“, meint General Netkatschjow.

Post Scriptum

Zum Abschluss seines China-Besuchs erklärte Russlands Staatsoberhaupt Wladimir Putin am Mittwoch, dass die Lieferung von ATACMS-Raketen an die Ukraine die Situation an der Frontlinie nicht grundlegend verändern würde. Überdies bewertete er diese Lieferungen als einen Fehler der USA und versäumte es nicht zu betonen, dass Russland auf diese zusätzliche Bedrohung reagieren könne.