Nach Abschluss der von Moskau verkündeten 36stündigen Weihnachtsfeuerpause haben die russischen Truppen weiter Schläge gegen den Gegner in der Zone der militärischen Sonderoperation geführt. Einheiten der Streitkräfte der Russischen Föderation haben die Offensive in der Richtung Bachmut (Artjomowsk) und westlich von Donezk wiederaufgenommen. Neben den Waffen, deren Lieferungen in die Ukraine aus den USA und anderen NATO-Ländern offiziell bekanntgegeben wurde, setzt der Gegner im Bereich der Sonderoperation auch neue Kampfmittel und hochpräzise Geschosse ein, die in der Lage sind, den russischen Truppen einen großen Schaden zuzufügen.
Auf einigen angesehenen Media-Kanälen sind Informationen aufgetaucht, dass unweit von Donezk Bruchstücke und Fragmente von Panzerabwehrartilleriegeschossen 155 BONUS (Bofors 155 Bonus) aufgetaucht, die selbst die Navigation zu den gepanzerten Objekten des Gegners vornehmen. Dies ist eine sehr wichtige Information für die russischen Militärs, da solch extrem präzise Panzerabwehrmunition in der Lage ist, mit einer großen Wahrscheinlichkeit gepanzerte Ziele auf der Fahrt, in der Offensive, aber auch in der Verteidigung zu vernichten, wenn Panzer, Schützenpanzer und Radpanzer im Einsatz sind. Die Artilleriegeschosse 155 Bonus (deren Masse 47 Kilogramm ausmacht) kann praktisch die Besatzung jeglicher Haubitze des NATO-Kalibers 155 Millimeter beim Erhalt der Koordinaten des Ziels einsetzen. Diese Cluster-Geschosse werden als einfache Geschosse abgefeuert, doch beim Anflug zum Ziel werden zwei als Submunition wirkende EFP-Sprenggeschosse (explosive penetrierende Projektile) aus der entsprechenden Kassette freigegeben, die selbst per Multiband-Infrarotsensoren oder Laser einer Lichterkennungstechnologie das Ziel erfassen – beispielsweise aufgrund eines laufenden Motors oder durch ein Scannen der Silhouette des zu vernichtenden Objekts durch den Sprengkopf.
„Bisher ist unbekannt, wie viele solcher Geschosse in den Artillerieeinheiten der Streitkräfte der Ukraine sind“, sagte der Militärexperte und Generalleutnant im Ruhestand Jurij Netkatschjow. „Man kann lediglich annehmen, dass eine bestimmte Partie im Umfang von mindestens einhundert Stück für eine Erprobung der Cluster-Artillerie-Geschosse unter Winterbedingungen bereits in den Donbass gebracht wurde. Derartige Geschosse sind durch Spezialisten aus Frankreich (durch das Unternehmen Nexter) und Schweden (Bofors) entwickelt worden und befinden sich in der Bewaffnung der Armeen der Länder, die diese Munition entwickelten, sowie in den Streitkräften der USA, Norwegens und Finnlands“. Der Experte präzisierte, dass laut offenen Angaben Entwicklungsarbeiten für derartige lenkbare Cluster-Munition in der Russischen Föderation, in der Volksrepublik China und in Indien vorgenommen werden. „Jetzt aber gibt es keinerlei ausreichend vollständige Informationen darüber, in welchem Stadium sich solche Arbeiten befinden und ob solche Geschosse in die Bewaffnung aufgenommen worden sind“.
Über die Lieferungen der französisch-schwedischen Cluster-Munition in die Ukraine war in den Massenmedien nichts gemeldet worden. Und ihr Einsatz konnte zu einer Überraschung für die Einheiten der Russischen Föderation werden. „Dies ist besonders gefährlich, wenn Moskau eine überraschende strategische Offensive vornimmt. Und in der Richtung des Hauptschlages ist beispielsweise nur eine Salve einer Artillerie-Batterie der ukrainischen Streitkräfte (sechs bis acht Geschütze) aus 155-Millimeter-Haubitzen in Richtung der Angreifenden in der Lage, eine Panzerkompanie (10 bis 13 gepanzerte Fahrzeuge vom Typ T-72) zu vernichten, die eine Verlegung vornimmt oder sich zu einer Gefechtsordnung aufstellt“, erklärte General Netkatschjow gegenüber der „NG“. „Die Munition fliegt mittels des Wärme-Suchsensors des Gefechtskopfes entsprechend einer parabelförmigen Bahn zum arbeitenden Motor des gepanzerten Objekts, trifft es. Es kommt zu einem Brand, einer Detonation, und das Ziel ist vernichtet. Derart ist einer der Arbeitsalgorithmen der Artillerie-Cluster-Munition Bofors 155 BONUS“.
Im Verlauf der Neujahrsfeiertage berichteten die Medien über ein neues Paket militärischer Hilfe für Kiew von den USA und von NATO-Ländern (Frankreich und Deutschland) über eine Summe von mehr als drei Milliarden Dollar. Es umfasst Offensivwaffen, die in den Armeen der Länder des Nordatlantikpaktes eingesetzt werden. Über Lieferungen der Cluster-Munition Bofors 155 BONUS in die Ukraine wird nichts gemeldet. In dem neuen Hilfspaket gibt es aber andere Mittel zur Bekämpfung gepanzerter Objekte des Gegners.
Bereits bis Ende März werden aus der BRD für die Streitkräfte der Ukraine 40 „Marder“-Schützenpanzer und eine Batterie eines Patriot-Luftabwehrraketen-Komplexes geliefert. Gemeldet wird, dass durchaus Lieferungen von „Leopard“-Panzern aus der BRD möglich seien. Darüber erfolgen gegenwärtig politische Diskussionen in Berlin. Die Zeitung „Rheinische Post“ berichtete, dass „180 Panzer Leopard 1 auf eine Lizenz für den Export in die Ukraine warten. Freilich meldete das russische Staatsfernsehen am Mittwoch nicht ohne Häme und reale Tatsachen verzerrend, dass es für Berlin wohl Probleme mit den „Marder“-Lieferungen gebe, wobei auf einen Beitrag im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ verwiesen wird.
Antti Edvard Häkkänen, der Chef von Finnlands Verteidigungskomitee, erklärte derweil bereits in einem Interview für den einheimischen TV-Kanal MTV Uutisille, dass die Offiziellen Finnlands die Frage über eine Übergabe von Kampfpanzern Leopard 2 an die Ukraine erörtern würden und bereit sein würden, dies zu tun, wenn auf gesamteuropäischer Ebene beschlossen werde, solch eine Praxis zu beginnen. Die Perspektive von „Leopard“-Lieferungen für die ukrainischen Streitkräfte signalisiert Polen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron informierte gleichfalls über die Übergabe leichter Radpanzer vom Typ AMX-10 RC an die Streitkräfte der Ukraine, die sich im Tschad, im Irak, in Kosovo und in Mali gut bewährt haben. Mit einer 105-Millimeter-Kanone besitzen sie eine wirksame Feuerkraft für das Treffen der hauptsächlichen Typen von Panzern und anderen Gefechtsfahrzeugen, beispielsweise von Panzern und Schützenpanzerwagen aus russischer und sowjetischer Produktion. Und das Allrad-Fahrgestell sichert eine größere Manövrierfähigkeit im Vergleich zu (Ketten-) Panzern.
Die umfangreichste Hilfe werden wie stets die Vereinigten Staaten gewähren. Das Pentagon hat offiziell über Lieferungen von 50 Schützenpanzern „Bradley“ mit 500 TOW-Raketen (Panzerabwehrlenkflugkörper), 250.000 25-Millimeter-Geschosse, aber auch von 100 gepanzerten M113-Transportfahrzeugen, 138 HMMWV (geländegängige Fahrzeuge), lenkbare Excalibur-Geschosse, Geräte für ein unbemanntes Verminen, luftgestützten Raketen, Munition für HIMARS-Komplexe und Sea-Sparrow-Raketen usw. informiert.
Laura K. Cooper, stellvertretende Staatssekretärin im Verteidigungsministerium der Vereinigten Staaten für Russland, Ukraine, Eurasien (seit 2017), erklärte, dass die Kampfhandlungen zwischen Moskau und Kiew „einen kritischen Moment durchmachen. Und wir müssen alles Mögliche tun, um den Ukrainern zu helfen und sich weiter zu verteidigen“. Cooper teilte mit, dass dies „hinsichtlich des Gesamtwertes zum gegenwärtigen Zeitpunkt das größte Hilfspaket im Sicherheitsbereich ist und unser unverändertes Festhalten an einer Unterstützung für die Ukraine reflektiert“. Besonders unterstrich sie, dass dieses Paket erstmals Lieferungen von Bradley-Schützenpanzern für die Ukraine umfasse, die als „Panzer-Killer“ bekannt sind, da sie mit Panzerabwehrraketen ausgerüstet sind.
„Der Westen beginnt eine neue Welle wirksamster Waffen-Lieferungen für Kiew, die entsprechend der Absicht der USA und der NATO in der Lage sind, eine Überlegenheit bei den konventionellen Waffen der ukrainischen Streitkräfte über der russischen Armee zu schaffen. Während in der Russischen Föderation der Ausbildungsprozess einberufener Militärs fortgesetzt wird, erfolgt in der Ukraine die Aufstellung mehrerer Reserve-Armeekorps“, teilte der Militärexperte und Oberst im Ruhestand Nikolaj Schulgin der „NG“ mit. „Und gerade dahin werden die neuen Waffen aus den USA und der NATO geliefert“.
Er lenkte die Aufmerksamkeit darauf, dass laut Angaben aus offenen Quellen in diesen Tagen die Aufstellung des neuen 10. Armeekorps im Dnepropetrowsker Verwaltungsgebiet abgeschlossen werde. „Noch ein Armeekorps wird im Verwaltungsgebiet Poltawa aufgestellt“, sagt der Experte. „In dieser Region erfolgt die Bildung von vier neuen Brigaden, der 116. in Oposchnja, die 117. in Matwejewka, die 118. gesonderte mechanisierte Brigade in Golopwatsch, aber auch die 34. gesonderte Marineinfanterie-Brigade in Komsomolsk sowie das 229. Logistik-Bataillon in Matjastschewka. Die Ausbildung des Offizierskorps erfolgt auf der Basis des 179. Ausbildungszentrums in Poltawa. Außerdem wird noch ein Armeekorps in der Westukraine formiert“. In ein paar Monaten soll auch die Ausbildung ukrainischer Militärspezialisten für eine Nutzung der NATO-Waffen abgeschlossen werden, die an die Ukraine geliefert werden. Eine Analyse von Informationen aus den Massenmedien und sozialen Netzwerken erlaubt die Annahme, dass die oben genannten Verbände bis Anfang März bereit sein werden, eine strategische Offensive der Streitkräfte der Ukraine zu beginnen, deren Hauptschlag gegen die Krim oder die Westküste des Asowschen Meeres gerichtet sein wird.