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Die Verbündeten der USA werden zu Geiseln der eigenen Loyalität


Donald Trump hat beschlossen, einen Teil der US-amerikanischen Soldaten aus Deutschland nach Polen zu verlegen. Damit will er Berlin seinen Unmut über den Beitrag der Deutschen zum Verteidigungshaushalt der NATO demonstrieren. Die Verbündeten der Allianz würden nicht genug Geld für die Zügelung der „russischen Aggression“ bereitstellen. In dem mehr als 2 Milliarden Dollar ausmachenden Budget der Organisation beläuft sich der Beitrag der Vereinigten Staaten auf 22 Prozent. Auf Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien entfallen weitere rund 50 Prozent. Die meisten der anderen europäischen NATO-Mitgliedsländer bringen aber jeweils weniger als zwei Prozent ein. Für den Geschäftsmann und Pragmatiker ist dies ein mehr als signifikantes Ungleichgewicht.  

Vor einigen Jahren gab der polnische Generalstab Landkarten für taktische Manöver der Länder des Warschauer Vertrages bei der Abwehr eines Überfalls der NATO frei. Auf denen führte die UdSSR auf dem Territorium eine Militäroperation unter Einsatz taktischer Kernwaffen durch. Warschau explodierte buchstäblich durch die Kommentare bezüglich der Heimtücke der Russen. Der Militärattaché der USA in Moskau kommentierte damals lakonisch die Situation: „Wenn Sie wüssten, was für Landkarten bei uns liegen!“. Die „Jungeuropäer“ vergessen in ihrem Wunsch, zu einer zuverlässigen Stütze der Euro-Integration zu werden, dass Loyalität kein Unterpfand für Sicherheit ist. Der Stützpunkt der Nationalen Raketenabwehr in der Siedlung Redzikowo im Norden Polens und die Errichtung eines sogenannten „Fort Trump“ reizen nur Moskau. Der Ex-Chef des Generalstabs der russischen Armee, Armeegeneral Juri Balujewskij, erklärt direkt, dass, „während früher die Raketen über die Köpfe unserer Nachbarn hinwegflogen, so sind sie jetzt auf sie gerichtet“. Dies ist eine Reaktion auf das Heranrücken der militärischen NATO-Infrastruktur an die Grenzen der Russischen Föderation. Derweil legt man dies in Brüssel anders aus: Russland sei an die Grenzen des Nordatlantikpaktes gekommen.  

Wenn man sich in Warschau im Status eines „Frontstaates“ festlegen möchte, indem man ausländische Streitkräfte auf seinem Territorium aufnimmt, so muss man auch die damit verbundenen Nachteile hinnehmen. Und die sind bekannt. Russland antwortet mit der Stationierung operativ-taktischer Raketenkomplexe „Iskander“ im Kaliningrader Gebiet, der Ausrüstung der Baltischen Flotte mit Schiffen, die „Kaliber“-Flügelraketen an Bord haben, und der Einheiten der Landstreitkräfte der Armee mit „atomaren Monstern des Kalten Krieges“ – mit  Tjulpan- und Pion-Mörsern auf Selbstfahrlafetten (Tulpe- bzw. Pfingstrose-Mörser – lt. NATO-Code M1975 bzw. M-1975 – Anmerkung der Redaktion). Deren hauptsächliche Munition ist eine nukleare. 

Bei den jüngsten Gesprächen in Wien zwecks Verlängerung des Vertrags über die Begrenzung der nuklearen Atomwaffen (New-Start- bzw. Start-3-Abkommen) hatte die amerikanische Seite mehr die neue russische Nukleardoktrin und nicht das interessiert, wie das Abkommen in den neuen Realitäten übersteht. Der stellvertretende Generalkommandant des United States Strategic Command, Generalleutnant Thomas A. Bussiere, erklärte direkt: „Wir hatten die Gelegenheit, mit den russischen Generälen kurz unsere Fragen und Besorgnisse zu erörtern und Aspekte dieser am 2. Juni veröffentlichten Doktrin zu klären“. Das heißt der „Grundlagen der Staatspolitik auf dem Gebiet der nuklearen Zügelung“. Dort sind zusätzliche Faktoren aufgezählt worden, die die Annahme einer Entscheidung über den Einsatz von Kernwaffen durch die russische Führung beeinflussen können. Erstens ist dies „die Erweiterung der Gruppierungen allgemeiner Streitkräfte auf den an die Russische Föderation und deren Verbündeten angrenzenden Territorien und in den angrenzenden Seegebieten, in deren Bestand sich Kernwaffenträgermittel befinden“. Zweitens, die „Stationierung von Raketenabwehrsystemen und -mitteln sowie von Flügel- und ballistischen Raketen mittlerer und kürzerer Reichweite durch die Staaten, die die Russische Föderation als einen potenziellen Gegner betrachtet“.

Warschau entspricht allen Punkten: ein Raketenabwehr-Stützpunkt, ein „Fort Trump“ – ein Punkt für materiell-technisches Gut für die Stationierung eines Kontingents der USA und der Erwerb von Trägermitteln für nuklearen Fliegerbomben – der Mehrzweckkampfflugzeuge der fünften Generation F-35 Lightning II. Vor diesem Hintergrund ist Japans Position bezeichnend. Tokio hat es abgelehnt, auf seinem Territorium ein Objekt der amerikanischen Raketenabwehr Aegis Ashore zu stationieren. Das Bündnis — schön und gut, doch man möchte sich im Land der aufgehenden Sonne nicht wegen fremder geopolitischer Interessen in Gefahr bringen. Sie – die Japaner – haben zumindest eine sehr klare Vorstellung von den Folgen atomarer Bombardements.   

https://www.ng.ru/editorial/2020-06-28/2_7896_editorial.html