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Die von Moskau angezettelten Kampfhandlungen führen zu einer Kultur-Blockade Russlands


Zum Tag des Vaterlandsverteidigers (der in Russland am 23. Februar begangen wird und mit dem Tag des Gedenkens an die von Stalin 1944 angeordnete Deportation des inguschischen und des tschetschenischen Volkes zusammenfällt) ist bekannt geworden, dass Emir Kusturica das Angebot von Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu angenommen hat, Chefregisseur des Zentralen akademischen Theaters der russischen Armee zu werden. Der serbische Regisseur, der schon lange mit Musikauftritten bei verschiedenen Festivals durch Russland tingelt, schickt sich an, theatralische Remakes sowohl seiner („Zeit der Zigeuner“ aus dem Jahr 2007 und „Das Leben ist ein Wunder“ aus dem Jahr 2004) als auch sowjetischer Filme („Die Kraniche ziehen“, aus dem Jahre 1957 und Gewinner der Goldenen Palme bei den Filmfestspielen von Cannes 1958) auf die Theaterbretter zu bringen. Vor dem Hintergrund der sich anschließenden Ereignisse erlangte solch eine überraschende Ernennung politische Wesenszüge.

Im Zusammenhang mit den Ereignissen in der Ukraine haben Theaterschaffende mehrere antimilitaristische offene Briefe unterschrieben. In einem von ihnen, unter denen auch die Volkskünstler Oleg Bassilaschwili und Alisa Freindlich ihre Unterschriften setzten, heißt es: „Unter uns sind Kinder und Enkel jener, die im Großen Vaterländischen Krieg gekämpft haben. In jedem von uns leben genetische Erinnerungen. Wir wollen nicht, dass Menschen ums Leben kommen. Wir wollen daran glauben, dass das 21. Jahrhundert zu einem Jahrhundert der Hoffnung, Offenheit und eines Dialogs, zu einem Jahrhundert des Gesprächs des Menschen mit dem Menschen, zu einem Jahrhundert der Liebe, des Mitleids und der Barmherzigkeit wird“. Einzelne Theaterschaffende handelten radikaler. So hat aus politischen Motiven der künstlerische Leiter des Moskauer Majakowskij-Theaters, der Litauer Mindaugas Karbauskis, der gerade den 10. Jahrestag der erfolgreichen Leitung des berühmten Ensembles begangen hatte, den Posten verlassen. Die Nachricht über den Weggang eines zweiten Moskauer Litauers hatte beinahe die Hauptstadt erschüttert. Doch das Wachtangow-Theater dementierte die Informationen. Rimas Tuminas hatte dagegen den Posten des künstlerischen Leiters in dem von ihm gegründeten Kleinen Theater von Vilnius – im Zusammenhang mit einem Antrag von Litauens Kulturminister. Der Regisseur brachte Verständnis für die Bitte der Offiziellen seiner Heimat auf und verwies darauf, dass er nunmehr zu einem absolut freien Künstler werde (im Wachtangow-Theater sind vor kurzem die Funktionen der ersten Person an den Direktor übergeben worden).

Ja, aber Wladimir Maschkow kann für sein Auftreten in den sozialen Netzwerken, in denen der zur Kremlpartei „Einiges Russland“ gehörende Schauspieler die Entscheidung über die Anerkennung der Unabhängigkeit der LVR und DVR durch Russland unterstützte, mit seiner besten Rolle, die von Abram Schwarz, und einer der Legenden des Moskauer Theaters „Tabakerka“ (benannt nach dem berühmten russischen Schauspieler und Regisseur Oleg Tabakow – Anmerkung der Redaktion) bezahlen. Der Inhaber der Urheberrechte auf das Theaterstück „Matrosenstille“, der Sohn von Alexander Galitsch und Menschenrechtler Grigorij Michnow-Waitenko hat die Absicht, den Verleih des Stücks zu verbieten, wenn er sich von der Aufrichtigkeit der Worte Maschkows überzeugt, und im Falle einer Verletzung des Verbots – Anklage zu erheben.

Die von Moskau begonnene Abhaltung der „Sonderoperation“ in der Ukraine hat sich auch direkt auf die kulturellen Beziehungen mit Staaten Europas und den USA ausgewirkt. Das Konzert der Wiener Philharmoniker am Sonntag, dem 27. Februar in der Carnegie Hall von New York sollte unter der Stabführung von Valerij Gergijew und mit dem Pianisten Denis stattfinden. Die Auftritte der beiden wurden ungeachtet des anfänglichen Protests des Ensembles, das Musiker unabhängig von ihren politischen und religiösen Ansichten einlädt, wurden abgesagt. Am Pult stand nun Yannick Nézet-Séguin. Gergijew kann als ein Musiker, der bekanntlich die Handlungen von Russlands Präsident unterstützt, kann weitere Verträge verlieren. So hat die Mailänder La Scala, in der Gergijew als Dirigent und Regisseur die Tschaikowskij-Oper „Pique Dame“ inszeniert, ihn vor das Ultimatum gestellt: Entweder er verurteilt den russischen Truppeneinmarsch in die Ukraine oder er wird von der Inszenierung suspendiert. Gleiches erfolgt auch in Deutschland: Wenn Gergijew keine verurteilende Erklärung abgibt, wird er den Posten des Chefdirigenten der Münchner Philharmoniker verlieren. Das Thema der Suspendierung von Putin-Freund Gergijew wird in Europa seit 2014 durch die westlichen Medien angesprochen, als der Dirigent den Beitritt der Krim zu Russland (in einer anderen, der westlichen Lesart: die Annexion der Krim durch Russland – Anmerkung der Redaktion) unterstützte, doch zu direkten Handlungen seitens der Arbeitgeber ist die Sache erst jetzt gekommen.

Vor diesem Hintergrund überrascht es auch nicht, dass ausländische Künstler Verträge mit russischen Institutionen aufkündigen. Und der Eurovision Song Contest, dessen Finale im Mai in Mailand stattfinden soll (wenn er nicht aufgrund der internationalen Lage ganz abgesagt wird), wird ohne einen russischen Auftritt erfolgen.