Auf zwei russischen Militärflugplätzen ereigneten sich in der Nacht zum Sonntag (dem 5. Dezember) Explosionen. Offizielle Informationen über die Ursachen und Folgen der Zwischenfälle waren mehr als spärlich. Die Blogger-Community diskutierte aber den ganzen Tag lang die Version einer ukrainischen Attacke. Damit ergibt sich ein Präzedenzfall: Der Gegner führte nicht einfach einen Schlag gegen Kräfte und die Infrastruktur, die im Rahmen der militärischen Sonderoperation eingesetzt werden, sondern gegen eine Komponente der nuklearen Triade der Russischen Föderation – gegen die strategischen Luftstreitkräfte. Dies ist eine offiziell formulierte Bedingung, die die Möglichkeit eines Einsatzes von Kernwaffen durch Russland bestimmt.
Laut Angaben von Nachrichtenagenturen ist es zu Zwischenfällen auf den Militärflugplätzen von Engels im Verwaltungsgebiet Saratow und Djagilewo im Verwaltungsgebiet Rjasan gekommen. Im letzteren Fall wurde die Explosion eines Tankfahrzeuges gemeldet, und berichtet wurde auch von Toten und mehreren Verletzten sowie beschädigter Technik. Den Standort der Luftstreitkräfte in Engels wurde von einer Drohne angegriffen, wobei dort abgestellten Flugzeugen Schaden zugefügt wurde. Und laut offiziellen Angaben sind drei Militärangehörige ums Leben gekommen, zwei Flugzeuge wurden beschädigt.
Offizielle Vertreter hatten den ganzen Sonntag konkrete Angaben in den Kommentaren vermieden. Der Pressesekretär des Präsidenten, Dmitrij Peskow, hatte lediglich präzisiert, dass man das Staatsoberhaupt über das Geschehene informiert hätte. Und der Gouverneur des Verwaltungsgebietes Saratow, Roman Busargin, verwendete den sattsam bekannten Euphemismus „Knall“ und teilte mit, dass „die Informationen über die Vorfälle auf den Militärobjekten von den Sicherheits- und Rechtsschutzstrukturen überprüft werden“.
Derweil diskutierten Experten und Blogger eine einzige Version, wobei sie annahmen, dass die Zwischenfälle zum Ergebnis ukrainischer Attacken geworden waren. Stationierungsorte der russischen Luftstreitkräfte waren bereits zu einem Ziel der Streitkräfte der Ukraine geworden. Bekannt ist mindestens ein gescheiterter Schlag gegen den Flugplatz Schaikowka im Verwaltungsgebiet Kaluga per Drohne, die am 7. Oktober von Seiten der Grenze herbeigeflogen war. Inoffiziell war von einem angeblichen ukrainischen Diversionsakt am 30. Oktober auf dem Flugplatz Weretja im Verwaltungsgebiet Pskow berichtet worden. Kiew hat sich auch die Explosionen auf dem Militärflugplatz Saki auf der Krim am 9. August zugeschrieben, obgleich das Verteidigungsministerium der Russischen Föderation unterstrichen hatte, dass „es keinerlei Feuereinwirkung“ damals gegeben hätte. (Wer dem in Russland geglaubt hat, ist freilich unbekannt. – Anmerkung der Redaktion)
Die Explosion auf dem Stützpunkt der Luftstreitkräfte in Engels ist aber etwas, was völlig aus dem Rahmen fällt. Dort sind strategische Bombenflugzeuge stationiert, die unter anderem bei der militärischen Sonderoperation gegen die Ukraine eingesetzt werden. Vor einigen Tagen hatten noch westliche Medien Satellitenaufnahmen des Flugplatzes veröffentlicht, auf denen deutlich auszumachen war, wie dicht die Flugzeuge stehen und dies bei Nichtvorhandensein von Schutzbauten und Tarnungsmitteln, was nunmehr viele Militär-Kommentatoren besonders empört. Wenn der Zwischenfall tatsächlich zum Ergebnis der Attacke einer ukrainischen Drohne geworden war, ergibt sich die Frage nach der Zuverlässigkeit des Schutzes des Stützpunktes durch die Einheiten der Luftverteidigung.
Eine Drohne (oder gar eine Flügelraketen) konnte vom Territorium der Ukraine aus gestartet werden, was ein Versagen des gesamten Systems der Luftverteidigung wie einst beim Flug von Mathias Rust 1987, der direkt neben dem Kreml auf dem Roten Platz in Moskau gelandet war, bedeutet. Von der Grenze bis nach Engels sind es 600 Kilometer – mehr als bis Moskau. Es wird als wenig wahrscheinlich angesehen, dass Kiew über solche Waffen verfügt, ungeachtet der am Vorabend von dort eingegangenen Erklärungen über angeblich erfolgreiche Tests einer Kampf-Drohne mit einer Reichweite von 1000 Kilometern. Die westlichen Länder hatten scheinbar der Ukraine die Lieferungen ihrer Apparate mit solch einer Reichweite versagt, obgleich man die Möglichkeit einer Übergabe von Technologien und Komponenten nicht ausschließen kann. Und wenn aber eine ukrainische Diversionsgruppe eine „konventionelle“ Drohne vom Territorium Russlands aus gestartet hat, so ist dies ein ernsthafter Fehlschlag der Gegenaufklärung.
Experten lenkten die Aufmerksamkeit auf noch einen Aspekt. In dem Grundsatzpapier „Grundlage der Staatspolitik der Russischen Föderation auf dem Gebiet einer nuklearen Zügelung“ sind die Bedingungen aufgezählt worden, die Möglichkeit eines Einsatzes von Kernwaffen definieren. Einen von ihnen ist „das Einwirken des Gegners auf kritisch wichtige staatliche oder militärische Objekte der Russischen Föderation, deren Ausschaltung zu einem Scheitern von Antworthandlungen der Nuklearstreitkräfte führt“. Der Angriff gegen den Luftwaffenstützpunkt mit strategischen Bombenflugzeugen kann als ein gewisser nuklearer „Casus Belli“ angesehen werden.
Daher hat die neue Welle einer Eskalation nur wenige in Erstaunen versetzt. Am Montag wurde durch die russischen Militärs ein erneuter massiver Raketenangriff gegen Ziele auf dem Territorium der Ukraine geführt. Den Einwohnern in den Ortschaften haben die Offiziellen empfohlen, Zuflucht in Luftschutzbunkern zu suchen. Berichtet wurde, dass eine Reihe von Infrastrukturobjekten getroffen wurde und als Folge es zu neuen Blackouts sowie zu Problemen mit der Wasserversorgung und dem Bahnverkehr gekommen ist. Die russische Attacke hatte man schon mehrere Tage lang erwartet, aber vor dem Hintergrund der Verhandlungen zum AKW Saporoschje und zum Export russischer Düngemittel hatte man sie sozusagen in der „Hinterhand gehalten“. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Explosionen auf den russischen Militärflugplätzen letztlich förderten, dass sie doch vorgenommen wurde.
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Gegen 20.00 Uhr des Montags gab das russische Verteidigungsministerium eine offizielle Erklärung ab, mit der es die Tatsache der Schläge gegen die russischen Militärflugplätze durch die Ukraine eingestand. Laut Angaben des Verteidigungsministeriums „wurden zwecks Außerdienststellung russischer Flugzeuge der weitreichenden Luftwaffe Versuche unternommen, Schläge mit reaktiven Drohnen aus sowjetischer Produktion zu führen“. Dabei „wurden durch die Mittel der Luftverteidigung der Luft- und Kosmos-Streitkräfte Russlands die in geringer Höhe fliegenden ukrainischen Drohnen abgefangen“. Jedoch „wurde durch das Herunterfallen und durch eine Explosion von Bruchteilen der reaktiven Drohnen auf den russischen Militärflugplätzen die Verkleidung von zwei Flugzeugen unerheblich beschädigt“. Das russische Verteidigungsministerium bestätigte gleichfalls, dass „drei russische Militärs des technischen Personals“, die sich auf dem Flugplatz (von Engels) befunden hatten, tödliche Verletzungen erlitten hätten, weitere vier verletzte Militärangehörige seien in medizinische Einrichtungen gebracht worden.