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Eine unabwendbare und planmäßige…


Im Falle von Lieferungen von Raketen mit großer Reichweite an Kiew werde Russland Schläge gegen neue Objekte in der Ukraine führen, erklärte unverblümt der russische Präsident Wladimir Putin in einem Interview für den staatlichen Fernsehkanal „Rossia 1“.

„Wenn sie geliefert werden, werden wir daraus die entsprechenden Schlussfolgerungen ziehen und unsere Vernichtungsmittel einsetzen, von denen wir genug haben, um Schläge gegen jene Objekte zu führen, gegen die wir vorerst keine führen“, sagte das Staatsoberhaupt, das am 24. Februar den Beginn der sogenannten militärischen Sonderoperation in der Ukraine befohlen hatte. Und er betonte, dass „das Hickhack um zusätzliche Waffenlieferungen“ mit dem Ziel eines In-die-Länge-ziehens des Konflikts erfolge und mit der Notwendigkeit eines Wettmachens der Verluste an Gefechtstechnik durch die ukrainischen Streitkräfte zusammenhänge.

Das Ukraine-Programm Bidens

Am 1. Juni gab das Weiße Haus die Bereitstellung eines neuen Pakets von Militärhilfe für Kiew im Umfang von 700 Millionen Dollar bekannt, das die Lieferung von vier Mehrfach-Raketenwerfern HIMARS und Munition dazu umfasst. Zuvor hatte man in der Administration des Weißen Hauses mitgeteilt, dass die Reichweite der Raketen für die zu liefernden Komplexe keine 80 Kilometer überschreiten werde.

In Washington betonte man, dass die Ukraine den USA versichert hätte, die amerikanischen Mehrfach-Raketenwerfer nicht gegen Ziele auf dem Territorium Russlands einzusetzen. Die offizielle Sprecherin des russischen Außenministeriums Maria Sacharowa erklärte am vergangenen Donnerstag erwartungsgemäß, dass die Versicherungen Kiews hinsichtlich eines Nichteinsatzes der Mehrfach-Raketenwerfer der USA gegen Ziele auf dem Territorium Russlands nichts wert seien und man ihnen nicht glauben dürfe und könne.

Und am letzten Mai-Tag veröffentlichte US-Präsident Joseph Biden in der Zeitung „The New York Times“ ein Programm seiner weiteren Handlungen in der Ukraine. Er erklärte, dass das Ziel Amerikas ein einfaches und verständliches sei: „Wir wollen, dass die Ukraine zu einem demokratischen, unabhängigen, souveränen und prosperierenden Land wird, das über Mittel für die Zügelung einer Aggression und für die Selbstverteidigung verfügt“.

Unter Berufung auf eine Erklärung des ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij, wonach dieser Konflikt letzten Endes „unbedingt durch diplomatische Anstrengungen beendet wird“, schrieb Biden:

„Jegliche Verhandlungen reflektieren reale Tatsachen. Wir haben unverzüglich eine erhebliche Menge an Waffen und Munition in die Ukraine geschickt, damit es auf dem Schlachtfeld kämpfen kann und stabilste Positionen am Verhandlungstisch einnimmt. Eben daher habe ich entschieden, dass wir die Ukrainer mit moderneren Raketensystemen und Munition zu versorgen, die ihnen erlauben werden, genauer wichtigste Ziele auf dem Schlachtfeld in der Ukraine zu treffen und zu vernichten“.

Biden gab bekannt, dass die USA auch weiterhin „in die Ukraine moderne Waffen inklusive „Javelin“-Panzerabwehrwaffen, Stinger-Luftabwehrraketenkomplexe, starke Artillerie- und präzise Raketensysteme, Funkortungsstationen, Drohnen, Mi-17-Hubschrauber und Munition liefern werden“. Und sie werden „finanzielle Hilfe im Umfang von Milliarden Dollar leisten, die der Kongress billigte“.

Washington wird weiterhin die Ostflanke der NATO durch Truppen und Gefechtstechnik aus den USA und anderen verbündeten Ländern verstärken. Ein Beitritt Finnlands und Schwedens zur Allianz werde nach Meinung von Biden erlauben, die amerikanische und die transatlantische Sicherheit zu festigen.

„Wir streben nach keinem Krieg zwischen der NATO und Russland. Obgleich ich nicht mit Herrn Putin einverstanden bin und seine Handlungen für empörende halte, werden die USA nicht beginnen, Versuche zu seinem Sturz in Moskau zu unternehmen. Solange die Vereinigten Staaten und unsere Verbündeten keinem Angriff ausgesetzt werden, werden wir nicht beginnen, direkt an diesem Konflikt teilzunehmen, und wir werden keine amerikanischen Truppen entsenden, um in der Ukraine zu kämpfen… Wir stacheln die Ukraine nicht zur Führung von Schlägen außerhalb ihrer Grenzen auf… Wir wollen keine Verschleppung dieses Konflikts, um Russland Schmerz zuzufügen“, erklärte der US-amerikanische Präsident.

Er betonte gleichfalls, dass er „auf die ukrainische Regierung keinen Druck ausüben“ werde, „weder privat noch öffentlich“, damit sie sich auf territoriale Zugeständnisse einlasse, da „dies den geltenden Prinzipien widersprechen wird“.

Biden ist der Auffassung, dass die Verhandlungen der Ukraine mit Russland nicht aufgrund der Weigerung von Kiew abgebrochen wurden. „Sie sind in eine Sackgasse geraten, da Russland die Sonderoperation fortsetzt, um so viel Territorien wie möglich zu besetzen. Die USA werden die Arbeit zur Stärkung der Ukraine und zur Unterstützung deren Anstrengungen, die auf eine Beendigung des Konflikts auf dem Verhandlungswege abzielen, fortsetzen“.

Nach Aussagen des Hausherrn im Ovalen Kabinett sei es ein lebenswichtiges nationales Interesse der USA, den Frieden in Europa zu sichern und zu zeigen, dass ein Starker nicht immer Recht habe. „Andernfalls wird das Überleben anderer friedlicher Demokratien gefährdet. Und dies kann der auf Regeln beruhenden internationalen Ordnung ein Ende bereiten, indem die Türen für eine Aggression an anderen Orten geöffnet werden“, erklärte Biden.

„Ich weiß, viele Menschen in der Welt beunruhigt die Frage nach einem Einsatz von Kernwaffen. Gegenwärtig sehen wir keine Anzeichen dafür, dass Russland beabsichtige, solche Waffen in der Ukraine einzusetzen… Erlauben Sie, auf eine maximal klare Weise zu sagen: Jeglicher Einsatz von Kernwaffen in diesem Konflikt ist für uns und für die übrige Welt völlig inakzeptabel. Und er kann die härtesten Konsequenzen nach sich ziehen“, unterstrich Biden.

Abschließend verkündete er: „Die Amerikaner werden bis zu Ende zusammen mit dem ukrainischen Volk sein, da wir wissen, dass man für die Freiheit zahlen muss. Wir haben jedes Mal so gehandelt, als Feinde der Freiheit versuchten, völlig unschuldige Menschen einzuschüchtern und zu unterdrücken. Genauso werden wir auch jetzt vorgehen. Wladimir Putin hatte keine solche Geschlossenheit und Stärke unserer Antwort erwartet. Er hatte sich geirrt. Wenn erdenkt, dass wir zu schwanken beginnen und dass in den bevorstehenden Monaten bei uns eine Spaltung erfolgt, wird er sich zweifach irren“.

Am Tag nach dem programmatischen Auftritt Bidens zog der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij eine ernüchternde Bilanz des russischen Angriffskrieges, der inzwischen seinen 110. Tag erlebt. „Die russische Armee hat bereits fast den gesamten Donbass zerstört. Mit Stand des heutigen Tages befinden sich etwa 20 Prozent unseres Territoriums unter der Kontrolle der Eroberer“, erklärte er in seiner Videoansprache für das Parlament von Luxemburg.

Die Administration des Weißen Hauses sei gezwungen, betont die Zeitung „The Washington Post“, die neuen Erfolge Russlands zu berücksichtigen, das die Taktik eines Aufreibens der Kräfte des Gegners anwende. Für Biden ist dies zu einer Überprüfung seiner Qualitäten als ein militärischer Führer geworden. An seine Adresse werden Huldigungen aufgrund des Zusammenschlusses der Koalition der Anhänger der Ukraine laut, die dieses Land bewaffnen und ihm helfen, das Vorrücken der russischen Truppen aufzuhalten. Jetzt aber hat sich in der Militäroperation eine Wende vollzogen, und dies löst Besorgnis aus. Die dringlichste Aufgabe für Biden ist, die Panik der europäischen Verbündeten zu dämpfen, die angefangen haben, von einem Frieden um jeden Preis zu sprechen, da sie die Kosten eines langwierigen Konfliktes fürchten.

In der vergangenen Woche sind die europäischen Staats- und Regierungschefs scheinbar zu sich gekommen und vereinbarten die Einführung eines Embargos in Bezug auf russische Lieferungen von Tanker-Erdöl. Und Deutschland hat sich bereit erklärt, leistungsstarke Luftabwehrsysteme und Panzer in die Ukraine zu liefern. Die Zukunft der Konfrontation Russlands und des Westens ist aber nach wie vor nebulös. Und dabei ist kein Ende für die Ausgaben auszumachen.

Die Krise in der Ukraine geht aus der Phase eines aufgeregten Optimismus hinsichtlich des hartnäckigen Widerstands der ukrainischen Militärs in eine andere Phase über, die dem langen und aufreibenden und an einen Fleischwolf erinnernden Korea-Krieg ähnlicher ist. Der amerikanische Schriftsteller, Journalist und Historiker David Halberstam hatte ihn als einen „grauen und sehr fernen Konflikt, als einen Krieg, der sich endlos ohne eine ersichtliche Hoffnung auf eine Regulierung hingezogen hatte“, bezeichnet.

In der gegenwärtigen Situation bleibt dem amerikanischen Präsidenten nichts anderes als darauf zu bestehen, dass nur die Ukrainer selbst entscheiden können, wie dieser Konflikt enden soll. Das Programm Bidens könne, wie einige amerikanische Experten meinen, als eine Skizzierung der Konturen für einen „verdeckten Deal“ mit Russland angesehen werden, um zu irgendeinem Zeitpunkt zu offenen Verhandlungen zwecks Beilegung des Konflikts überzugehen.

Ein aufgewühltes Meer von Geld

Der Kongress der USA verlangt vom Weißen Haus und vom Pentagon eine gründliche und effektive Kontrolle jeder Waffe und jedes Dollars, die die USA im Rahmen der Gewährung der Militärhilfe für die Ukraine lieferten bzw. ausgegeben haben. Die unkontrollierten Ausgaben des Pentagons können zu einer Ursache für den Verlust einer Unterstützung seitens der Gesetzgeber in Bezug auf neue Waffenlieferungen für Kiew werden. Dies meldete die US-amerikanische Tageszeitung „Politico“.

Wie das Blatt betonte, sei der Kongress darauf aus, gegen neue Pakete militärischer Hilfe aufgrund des Ausbleibens einer erforderlichen Kontrolle der Verwendung der Mittel und der Waffenlieferungen aufzutreten. Die Senatorin aus dem Bundesstaat Massachusetts Elizabeth Warren, die auch Mitglied des Ausschusses für die US-Streitkräfte ist, teilte der Zeitung mit, dass die Kontrolle der Waffen sowohl für die vergangenen als auch künftigen Finanzierungsanforderungen „kritisch wichtig“ sei. „Die Regierung der USA setzt Milliarden Dollar für eine humanitäre, wirtschaftliche und militärische Hilfe ein, um dem ukrainischen Volk zu helfen… Und das amerikanische Volk erwartet eine strenge Kontrolle seitens des Kongresses und eine komplette Berichterstattung seitens des Verteidigungsministeriums“, erklärte die Senatorin von der Demokratischen Partei.

Der offizielle Pentagon-Sprecher, Oberstleutnant Anthony Semmelroth, erklärte seinerseits, dass ein Krieg stets mit Risiken und Verlusten an Waffen und Technik verbunden sei. Das Risiko eines Verlusts der Kontrolle über die Waffen sein einer der vielen Faktoren, die das Verteidigungsministerium üblicherweise bei jeglicher Weitergabe von Waffen beurteile. „Im Falle mit der Ukraine wäre dieses Risiko bis auf ein Minimum reduziert worden, wenn Russland die Truppen vom Territorium der Ukraine abziehen würde“, merkte Oberstleutnant Semmelroth an.

Zuvor hatte Verteidigungsminister Lloyd Austin eingestanden, dass die Offiziellen der Vereinigten Staaten nicht über eine ausreichende Menge an Ressourcen für ein Nachverfolgen der Waffen hätten, die auf die Schlachtfelder der Ukraine entsandt werden. Er betonte, dass die ukrainischen Offiziellen um die Situationen wissen würden, in denen übergebene Waffen in die Hände des Gegners geraten, und sich auf eine Lösung dieser Schwierigkeiten bei der Logistik konzentrieren würden.

Eine Warnung von Interpol

Am 5. Juni zitierte die englische Zeitung „The Daily Express“ eine Erklärung des Interpol-Generalsekretärs Jürgen Stock, der die Länder des Westens, die Waffen in die Ukraine entsenden, warnte. Stock wies auf die große Gefahr hin, die mit solchen Lieferungen verbunden sei.

Der Chef der internationalen kriminalpolizeilichen Organisation sagte, dass die in die Ukraine entsandten Waffen mit der Zeit mit großer Wahrscheinlichkeit in die Hände von Kriminellen und in den Graubereich der Wirtschaft gelangen könnten. Er rief die Interpol-Mitglieder zu einer Zusammenarbeit beim Nachverfolgen dieser Waffen auf, um derartige Gefahren zu beseitigen.

Stock erinnerte die Interpol-Mitgliedsländer daran, dass nach Abschluss von Militärkonflikten der internationale Waffenmarkt mit Waffen überfüllt sei, vor allem mit Schusswaffen. „Wenn die Kanonen in der Ukraine schweigen werden, werden illegale Waffen auftauchen. Wir wissen dies, da es so nach vielen Konflikten gewesen war. Kriminelle befassen sich sogar zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit der Suche nach ihnen“, merkte der Chef der internationalen Polizei an.

Nach Beginn der international heftig kritisierten russischen Sonderoperation haben die westlichen Länder begonnen, Kiew moderne Waffen zu liefern. Am 31. Mai hatte Präsident Biden bekanntgegeben, dass Washington der Ukraine zusätzliche Hilfe gewähren werde, indem Raketensysteme und Munition dorthin geliefert werden.

Im vergangenen Jahr verließen nach 20 Jahren Konflikt die USA und ihre Verbündete Afghanistan (die sowjetischen Truppen waren nach zehn Jahren Präsenz 1989 aus dem Land am Hindukusch abgezogen – Anmerkung der Redaktion). Sie haben dort eine große Menge an moderner Gefechtstechnik zurückgelassen, die in die Hände der „Taliban“-Bewegung (die Organisation ist in der Russischen Föderation offiziell verboten, obgleich ein Vertreter von ihr offiziell beim Außenministerium in Moskau akkreditiert worden ist, und befindet sich aufgrund ihrer terroristischen Tätigkeit unter UN-Sanktionen) gerieten.

„Kriminelle Gruppierungen versuchen, das Chaos und die Zugänglichkeit der Waffen auszunutzen, wobei sogar solcher, die sich in der Bewaffnung der Armee befinden, inklusive schwere Systeme. Sie geraten auf den kriminellen Markt, und dies verursacht Probleme. Nicht ein Land und nicht eine Region können im Alleingang damit fertig werden, da diese Gruppierungen auf internationaler Ebene agieren“, sagte Stock. Der Ukraine-Konflikt könne ebenfalls eine „Waffen-Schwemme“ nach Europa und außerhalb des Kontinents auslösen. „Wir nehmen an, dass sie nicht nur in Nachbarländer gebracht werden, sondern auch auf andere Kontinente“, unterstrich der Interpol-Chef.

Abschließend sei angemerkt, dass der Abgeordnete der Staatsduma (des russischen Unterhauses – Anmerkung der Redaktion) und frühere Kommandierende der Luftlandetruppen Russlands, Generaloberst Wladimir Schamanow (Kremlpartei „Einiges Russland“) in einem Interview erklärte, dass es schwierig sei vorauszusagen, was die Ukraine nach der Sonderoperation Moskaus erwarte. Nach seinen Worten könne die Demilitarisierung des Landes parallel zur von Moskau erklärten Entnazifizierung fünf bis zehn Jahre dauern könne. Der General unterstrich, dass die Etablierung von Machtorganen, deren Vertreter „sich nicht durch eine Zusammenarbeit mit diesen Neonazis schmutzig gemacht haben“, eine sehr schwierige werde. Aber Russland wird mit Sicherheit die im Kiewer Sprachgebrauch als Kollaborateure bezeichneten Gefolgsleute finden.