Unabhängige Zeitung

Private Tageszeitung

„Einiges Russland“ siegte bei den Wahlen, aber nicht ohne Ausfälle


Entsprechend den Ergebnissen des einheitlichen Abstimmungstages (EAT) vom 13. September hat „Einiges Russland“ (ER) den Status nicht nur der regierenden, sondern auch einer agierenden Partei bestätigt. Nicht in einer der elf regionalen gesetzgebenden Versammlungen (Regionalparlamente) haben die Vertreter von „Einiges Russland“ die Mehrheit an andere abgegeben. Einzelne Wahlkampagnen niederer Ebene haben allerdings gezeigt, dass es immer schwieriger wird, solche Wahlen aus Moskau zu kontrollieren. In Tomsk wurden zwei Kandidaten von Alexej Nawalny Abgeordnete, die Stadtduma von Tambow hat die Partei „Rodina“ („Heimat“) unter Führung des ehemaligen Bürgermeisters, der mehrere Jahre im Gefängnis abgesessen hat, im Sturm eingenommen.

Hier und da musste ER doch Platz machen, um den neuen Projekten Plätze zu sichern, die die Präsidialadministration scheinbar unterstützt hatte – „Neue Leute“, „Für die Wahrheit!“ und „Grüne Alternative“. Diese Parteien können nun, ohne die Sammlung von Unterschriften Kandidaten für die Staatsduma aufstellen. 

Somit wurde eine der Aufgaben, die sich das föderale Zentrum für den diesjährigen EAT gestellt hatte, erfolgreich gelöst. Bei dieser Troika handelt es sich erstens um universelle Spoiler für die gegenwärtigen Parlamentsparteien KPRF, LDPR und „Gerechtes Russland“. Zweitens sind die neuen Politstrukturen nicht mehr als hübsche, dennoch aber auch mit einem Markennamen versehene Verpackungen, um beliebige Kandidaten in die Staatsduma zu bringen. Kurz gesagt: Auf dem Alten Platz (Platz in Moskau, an dem sich die Präsidialadministration befindet – Anmerkung der Redaktion) hat man offensichtlich bereits Sekt getrunken. 

Die Erfolge der Newcomer betrachtet man in ER an sich vom Prinzip her nicht als irgendeine eigene Niederlage, obgleich ein erheblicher Teil des durch sie gewonnenen Elektorats zweifellos der regierenden Partei hätte zufallen können. Allerdings vermochte die jedoch bei den Wahlen zu zeigen, dass sie außer diesem Ehrenstatus das Potenzial für eine politische Mobilisierung hat. Am Tag nach dem EAT erklangen von allen Gipfeln der Partei „Einiges Russland“ nur zufriedene Kommentare. Der Parteivorsitzende Dmitrij Medwedjew konstatierte beispielsweise noch in der Nacht einen flächendeckenden Erfolg. Freilich waren da entweder nicht alle Informationen zu ihm gedrungen oder es hatte sich irgendein Ausfall ereignet. Denn bis zum Morgen stellte sich heraus, dass nicht alle Siege vollkommene waren. Und vereinzelt war es auch zu Niederlagen gekommen. 

Daher sah die Äußerung des Staatsduma-Vorsitzenden Wjatscheslaw Wolodin politkorrekter aus: „Zugleich haben andere Parteien, die an den Wahlen teilgenommen haben, ebenfalls eine Chance erhalten, sich zu beweisen. Und bei einer Reihe von ihnen hat dies geklappt. Unser Parteien- und politisches System ist offen, und das Wettbewerbsumfeld gewährt solche Möglichkeiten“. Eben so reagierte der Parlamentschef auf die einzelnen Misserfolge der regierenden Partei. Allerdings hat er auch gleich unterstrichen, dass „die Wahlen unter Wettbewerbsbedingungen mit Beteiligung einer großen Anzahl von Kandidaten und Parteien stattfanden“. Übrigens, Wolodin vergaß nicht, die Erfolge nicht nur von ER, sondern auch der anderen Parlamentsparteien anzuerkennen. Freilich, die hatten sich dieses Mal als spärlicher erwiesen, wobei die LDPR eindeutig weitaus besser als die KPRF aussieht. 

Wolodin bekundete auch Genugtuung darüber, dass bereits bei diesem EAT eine dreitägige Abstimmung eingeführt worden war. Beim LDPR-Chef Wladimir Schirinowskij hat dieser Mechanismus aber Kritik ausgelöst. Wie im Übrigen auch die zahlreichen Fakten einer Ausnutzung administrativer Ressourcen vor Ort. Die LDPR hat seinen Worten zufolge schon 79 Beschwerden an die Zentrale Wahlkommission gerichtet. Deren Chefin Ella Pamfilowa erklärte freilich weiter, dass es nur eine minimale Anzahl festgestellter Verstöße gegeben hätte. Diese Situation kann man augenscheinlich auch zur Kategorie der Kommunikationsausfälle rechnen.

Zu politischen Ausfällen aber wurden die Abstimmungsergebnisse in Tomsk und Tambow, die der Präsidialadministration zeigten, dass man nicht alle und jegliche Wahlen, die gleichzeitig stattfinden, kontrollieren kann. Die sibirischen Wähler ließen zwei Kandidaten Nawalnys – Xenia Fadejewa und Andrej Fatejew – in die Stadtduma. Gerade mit ihnen hatte sich Nawalny getroffen, bevor er am 20. August die Rückreise nach Moskau antrat, die mit einer vermutlichen Vergiftung in Omsk unerwartet endete. Keinerlei administrative Anstrengungen halfen den Offiziellen, dieses Paar von den Wahlen auszuschließen. Und in Tambow vertrieben die Vertreter von „Rodina“ die Anhänger von „Einiges Russland“ aus dem Stadtparlament. Diese Partei gewann in 17 der 18 Wahlbezirke sowie weitere 44 Prozent der Stimmen über die Parteilisten. Allem nach zu urteilen wird die Mehrheit in der Stadtduma der einstige Bürgermeister Maxim Kosenkow anführen. In der Mitte der Nulljahre war er aufgrund eines Strafverfahrens im Zusammenhang mit der Entführung einer Person und wegen Amtsmissbrauch abgesetzt worden und saß danach mehrere Jahre ab.