Unabhängige Zeitung

Private Tageszeitung

„Gouverneurs“-Armee sollen mit Raketen und Drohnen verstärkt werden


Nachdem kein Durchbrechen der Gefechtsordnungen der russischen Armee im Raum des Asowschen Meeres erreicht wurde, ändert der Generalstab der Streitkräfte der Ukraine die Taktik. Um die Kräfte der sich verteidigenden russischen Einheiten zu verschleißen, haben die ukrainischen Militärs die Schläge der Artillerie und Raketen mit einer großen Reichweite verstärkt. Und an der eigentlichen Frontlinie werden Attacken durch kleine Infanteriegruppen ohne eine Unterstützung durch schwere Technik durchgeführt, schreibt die „New York Times“. Dabei forciert Kiew die Frequenz der Schläge mit Drohnen in die Tiefe des Territoriums der Russischen Föderation. Nicht ausgeschlossen sind auch neue Operationen von Diversions- und Aufklärungsgruppen, die im offiziellen russischen Sprachgebrauch als terroristische bezeichnet werden.

Das Verteidigungsministerium der Russischen Föderation teilte mit, dass in der Nacht zum Donnerstag eine Attacke von sechs ukrainischen Drohnen vereitelt wurde, die über dem Territorium des Verwaltungsgebietes Kaluga neutralisiert wurden. In der Nacht zum Freitag wurden ukrainische Attacken gegen den russischen Marine-Stützpunkt in Noworossijsk vorgenommen. Verletzt wurde keiner, jedoch soll ein Landungsschiff beschädigt worden sein, was von Moskau bisher nicht kommentiert wurde.

Der Sekretär des Rates für nationale Sicherheit und Verteidigung der Ukraine, Alexej Danilow, erklärte jedoch vor diesem Hintergrund, dass die Schläge gegen das Territorium Russlands fortgesetzt werden würden. Praktisch jeden Tag werden die grenznahen Regionen in den Verwaltungsgebieten Brjansk, Belgorod und Kursk beschossen.

Um die Aufgabe der Diversanten zu erschweren, die schon mehrfach Attacken auf dem Territorium der Russischen Föderation verübten, hat man den Einheiten der Territorialverteidigung in den Regionen, die an den Norden der Ukraine grenzen, Schusswaffen, Technik zur Bekämpfung von Drohnen und UAZ-Fahrzeuge zur Verfügung gestellt. Dmitrij Peskow, der Pressesekretär des Präsidenten Russlands, kommentierte dies und erklärte, dass die Bewaffnung der Einheiten für Territorialverteidigung „in strenger Übereinstimmung mit der Gesetzgebung erfolgt und eine notwendige Maßnahme ist“ – vor dem Hintergrund der Attacken seitens der Ukraine.

Zuvor hatten die Gouverneure der grenznahen Verwaltungsgebiete erklärt, dass die Gesetzgebung der Russischen Föderation ihnen nicht erlaube, die Freiwilligen zu bewaffnen, die zusammen mit Kräften der Rechtsschutz-, Sicherheits- und bewaffneten Organe die Sicherheit in der Region gewährleisten. Andrej Turtschak, Chef der Arbeitsgruppe für Fragen der militärischen Sonderoperation und stellvertretender Vorsitzender des Föderationsrates, hatte im Mai dieses Jahres erklärt, dass der Rechtsstatus der Einheiten für territoriale Verteidigung nicht vollends geregelt und „äußerst eingeschränkt“ sei. Sie hatten unter anderem kein Recht auf das Tragen und den Einsatz von Waffen. Das Oberhaupt des Verwaltungsgebietes Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow, teilte mit, dass die Offiziellen nach einer „legitimen Grundlage“ suchen würden, um die Freiwilligen mit Waffen auszustatten. Im Juli betonte er, dass die Frage teilweise geklärt sei. Die regionalen Behörden würden sie mit der russischen Garde, dem Inlandsgeheimdienst FSB und Verteidigungsministerium diskutieren. Auf welcher Grundlage haben somit die Freiwilligen-Einheiten Waffen erhalten?

Wie der Militärexperte und Oberst im Ruhestand Nikolaj Schulgin der „NG“ erklärte, sei das Recht der Gouverneure, in den Grenzen ihres Verwaltungsgebietes eigene militärische Unternehmen zu bilden, durch Änderungen am Gesetz über die Anhebung des maximalen Einberufungsalters von 27 bis auf 30 Jahre bestimmt worden. „Diese Änderungen über eine militärische Unterstützung der Gouverneure haben viele nicht bemerkt“, sagte der Experte. „Ihnen entsprechend können in der Zeit einer Mobilmachung, eines Kriegszustands und in Kriegszeiten die höchsten Amtspersonen der Subjekte der Russischen Föderation auf Beschluss des Präsidenten spezialisierte staatliche Unitarunternehmen bilden. Laut Gesetz sind diese Unternehmen für einen Schutz der Staatsgrenze, für eine Bekämpfung von Diversions- und Aufklärungsgruppen sowie illegalen bewaffneten Formationen ausländischer Staaten bestimmt“. Diese Unternehmen (d. h. die Freiwilligen-Formationen, die dem jeweiligen Gouverneur unterstellt sind) erhalten von den Truppen der russischen Garde und unter deren Kontrolle Schusswaffen und Munition. Ihre materiell-technische Sicherstellung ist ebenfalls der Nationalgarde übertragen worden. „Die Mitarbeiter der regionalen Formationen werden eine Uniform tragen und das Recht auf das Tragen von Schusswaffen haben. Finanziert werden die Militärunternehmen vor allem aus dem Staatshaushalt. Die örtlichen Behörden können ihnen eine zusätzliche finanzielle Unterstützung gewähren“, berichtete Schulgin.

Gouverneur Gladkow informierte am 2. August über die Übergabe einer ersten Partie von Waffen an Freiwillige der Region. „Die Modalitäten für ihren Einsatz werden zusätzlich durch den jeweiligen Regimentskommandeur, durch die Bataillonskommandeure sowie durch das Zusammenwirken mit dem Verteidigungsministerium, mit der russischen Garde und dem Föderalen Sicherheitsdienst (FSB) bestimmt werden. Dies werden gesondert mitteilen“, berichtete er in seinem Telegram-Kanal. Nach Gladkow informierte Roman Starowoit, Gouverneur des Verwaltungsgebietes Kursk, über eine Übergabe von Waffen an Einheiten der Bürgerwehr. „In der nächsten Zeit werden wir die Anzahl der Waffen bis auf 300 Stück erhöhen“, schrieb er.

Auf Videoaufnahmen, die durch die regionalen Offiziellen vorgestellt wurden, ist zu sehen, dass die Freiwilligen Karabiner vom Typ „Saiga-MK“ erhalten haben. Bisher ist unklar, ob die Kämpfer der Selbstverteidigung sie überall tragen werden oder ob die Waffen separat in speziellen Waffenkammern gelagert und im Falle des Ausbruchs eines Konflikts an der Grenze ausgegeben werden. Dmitrij Peskow bemühte sich jedoch, die Befürchtungen zu zerstreuen, dass die Waffen nicht in die richtigen Hände geraten könnten. „Waffen sind nie unkontrollierte. Alle Kontrollmechanismen müssen natürlich sehr sorgfältig realisiert und vorgesehen werden. Im Grunde genommen gibt es keinen Zweifel daran, dass dem auch der Fall ist“, sagte Peskow.

Derweil ist der Staatsduma-Abgeordnete von der Kremlpartei „Einiges Russland“, Generalleutnant Andrej Guruljew (aus dem Verteidigungsausschuss), der Auffassung, dass nur Schusswaffen für die Einheiten für Territorialverteidigung unzureichend seien: „Unbedingt werden 82-Millimeter-Minenwerfer gebraucht. Und wenn es zumindest Granatwerfer geben wird, oder noch besser lenkbare Panzerabwehrraketen, so wird die Territorialverteidigung weitaus wirksamer arbeiten können“. Eine derartige Meinung vertritt auch der Kapitän 1. Ranges im Ruhestand Oleg Schwedkow, Vorsitzender des Zentralkomitees des Allrussischen Berufsverbands der Militärangehörigen. Er erklärte der „NG“, dass die Diversions- und Aufklärungsgruppen vor allem die Grenze mit leichter gepanzerter Technik durchbrechen würden. Daher müssten die Einheiten für Territorialverteidigung unbedingt Panzerabwehrwaffen haben. „Man muss die Grenze an sich mit technischen Beobachtungs- und Erfassungsmitteln, mit Minenfeldern und künstlichen Hindernissen befestigen (offensichtlich in der Art der sogenannten grünen Grenze wie seinerzeit zwischen der DDR und der BRD – Anmerkung der Redaktion). Mit Hilfe von Drohnen muss eine ständige Aufklärung an Stellen eines wahrscheinlichen Durchbruchs geführt werden. Und für eine Vernichtung von Diversions- und Aufklärungsgruppen müssen aktiv schnelle gepanzerte Gruppen und speziell bereitgestellte Hubschrauber eingesetzt werden“, meint der Experte.

„Das Auftauchen eigener Armeen bei den Gouverneuren ist natürlich eine neue Geschichte in der russischen Wirklichkeit. Dies ist eine gewisse Dezentralisierung des militärischen Blocks, den es in der Russischen Föderation gibt“, erklärte der „NG“ der Militärexperte und Generalleutnant im Ruhestand Jurij Netkatschjow. „Gemäß der Gesetzgebung ist die Aufsicht über die Tätigkeit der Unitar-Unternehmen, die die Sicherheit im grenznahen Raum und die Kontrolle der Waffen gewährleisten sollen, der russischen Garde auferlegt worden. Es muss ein Mechanismus festgeschrieben und organisiert werden, damit solch eine Kontrolle eine wirksame ist und die Waffen nicht für ungesetzliche Ziele eingesetzt werden“.