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Großbritannien kreditiert die Erneuerung der ukrainischen Seestreitkräfte


Seit kurzem ist Großbritannien zum Hauptsponsor, genauer gesagt: zum Kreditgeber für das Erneuerungsprogramm der Seestreitkräfte der Ukraine geworden. Mit den Mitteln, die freundlicherweise durch die Kassenwarte Ihrer Hoheit bereitgestellt wurden, beginnt auf den königlichen Schiffswerften eine Wiedergeburt der Stärke der ukrainischen Flotte, die nach dem Zusammenbruch der UdSSR verlorengegangen war.

Im Juli vergangenen Jahres unterzeichneten die Verteidigungsministerien der Ukraine und Großbritanniens einen Vertrag über die Unterstützung der Entwicklung der Seestreitkräfte der Ukraine. Die Unterzeichnung erfolgte in einer Atmosphäre einer erhöhten informationsseitigen Abschottung an Bord des britischen Zerstörers „Defender“, der in den Hafen von Odessa eingelaufen war. Großbritanniens Staatsminister für Verteidigungseinkäufe Jeremy Quin und der ukrainische stellvertretende Verteidigungsminister Alexander Mironjuk signierten das Dokument im Beisein des Sekretärs des Rates für nationale Sicherheit und Verteidigung der Ukraine Alexej Danilow und des First Sea Lords (Erster Seelord — im Vereinigten Königreich heute die ranghöchste Dienststellung innerhalb der Royal Navy) von Großbritannien, Admiral Sir Antony David Radakin.

Früher war bekannt gewesen, dass Großbritannien den Bau des Marinestützpunktes in Otschakow finanziert und acht Raketenschnellboote nach einer Modernisierung liefern wird. Einige Monate später gelangten neue Details der Vereinbarungen in die Presse.

Raketen von Ihrer Hoheit

Jüngst meldete die britische „The Times“ unter Berufung auf ihre Quelle über Lieferungen von Raketen der Boden-Boden-Klasse aus Großbritannien an die Ukraine für Patrouillenschnellboote und von Raketen der Luft-Boden-Klasse für die Luftstreitkräfte. Verkauft werden der Ukraine unter anderem Brimstone-Raketen, eine Entwicklung und ein Produkt des internationalen Konzerns MBDA UK, der sich auf die Herstellung von Raketenwaffen spezialisiert hat. Die Liefertermine für die Raketen wurden nicht genannt. Laut Angaben von Journalisten belaufen sich die Kosten für eine Rakete auf 100.000 Pfund Sterling.

Grundlage für solch eine Entscheidung seien laut Informationen des Londoner Blattes die Befürchtungen der britischen Regierung, dass Russland im Winter eine Militäroperation gegen die Ukraine vornehmen werde, die zu eine Eskalation der Spannungen im Donbass führen könne und unvorhersehbare Konsequenzen für die Sicherheit von ganz Europa haben werde. Die Informationen der Zeitung bestätigte indirekt auch der ukrainische Botschafter in Großbritannien, Wadim Pristayko. Er informierte über die Pläne der Ukraine, in der nächsten Zeit zwei funktionierende englische Schiffe zu erwerben, die mit britischen Raketen bewaffnet seien und die sofort in den Bestand der ukrainischen Seestreitkräfte gelangen würden. Nach der Lieferung der US-amerikanischen „Javelin“-Luftabwehrraketen ist dies der zweite Fall einer Bereitstellung letaler Waffen für die Ukraine, die im Donbass-Konflikt eingesetzt werden können. Laut einer Version britischer Medien sei es um mögliche Lieferungen von Luft-Boden-Raketen sowie Boden-Boden-Raketen für die Bewaffnung von Schnellbooten auf der Basis des britischen P50U-Projekts gegangen. Zuvor hatte Pristayko mitgeteilt, dass die britischen Schnellboote für die ukrainischen Seestreitkräfte mit den ukrainischen „Neptun“-Schiffsraketen ausgestattet werden würden. Doch die Abmessungen der ukrainischen Raketen eignen sich nicht für die britischen Schnellboote. Daher wird ihr Einsatz wohl kaum möglich werden. Über die technische Inkompatibilität der „Neptun“-Raketenkomplexe und der britischen Schnellboote hatte der Militärattaché der britischen Botschaft in der Ukraine Tim Woods informiert.

Jüngste meldete das Verteidigungsministerium der Ukraine, dass die britischen Schnellboote für die Ukraine möglicherweise mit der perspektivreichen Rakete Brimstone Sea Spear ausgerüstet werden, deren Entwicklung durch den Konzern MDBA erfolgt. Über Pläne für einen Erwerb der bodengestützten Version der Rakete für die Bewaffnung der Schnellboote hat das Verteidigungsministerium der Ukraine nicht informiert. Dies kann man als stillschweigende Bestätigung der Informationen der britischen Zeitung auslegen. Man kann es aber auch anders deuten – als ein Dementi dieser Version. Somit ist die Situation um den Erwerb englischer Raketen durch die Ukraine eine ziemlich unbestimmte. Vielleicht wird es einen Erwerb geben. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass es auch nicht dazu kommen wird.

Solange es keinen „Donner“ gibt

Die Informationen über die Panzerabwehrlenkwaffe „Brimstone“ lösten ganze „Tsunami“ nicht nur in den ukrainischen, sondern auch in den russischen Medien aus. Die Meldung des englischen Blattes traf erfolgreich mit der Erklärung von Oleg Arestowitsch zusammen, des nichtfestangestellten Beraters von Präsident Wladimir Selenskij. Er hatte den Kreml öffentlich vor der bevorstehenden Stationierung ukrainischer Raketen unweit der Grenze zu Russland gewarnt.

Laut seiner Version sei die Ursache für solch einen unfreundlichen Schritt die aggressive Politik Moskaus hinsichtlich der nicht von Kiew kontrollierten Territorien. Freilich, später erläuterte Arestowitsch, dass „morgen“ die Raketen aufgrund ihres Nichtvorhandenseins nicht auftauchen würden. Damit der angenommene „Donner“ bis zur Moskauer Ringautobahn gelangt, müssen die ukrainischen Konstrukteure fünf bis sieben Jahre arbeiten (im Übrigen — bei einer ununterbrochenen Finanzierung).

Überdies zeigt auch eine flüchtige Revision der Projekte für Offensivraketen mittlerer Reichweite, dass sie sogar ohne den Bau eines Versuchsmusters abgeschlossen worden sind. Unter anderem ist die Entwicklung des operativ-taktischen Raketenkomplexes „Sapsan“ („Wanderfalke“) offiziell bereits 2013 eingestellt worden. Nach fünf Jahren Warten durch das ukrainische Verteidigungsministerium auf eine Projektdokumentation und ein Versuchsmuster der Rakete vom Entwickler, dem staatlichen Konstruktionsbüro „Juschnoje“.

Die Entwicklung des operativ-taktischen Raketenkomplexes „Grom-2“ („Donner-2“) ist offiziell im Januar 2020 beendet worden. Bis zum Versuchsstadium ist der operative Raketenkomplex ebenfalls nicht gelangt. Im Jahr 2013 erklärte Alexander Degtjarjow, Generaldirektor des Konstruktionsbüros „Juschnoje“, dass die Bezeichnung „Donner-2“ der Exportversion des operativ-taktischen Raketenkomplexes „Sapsan“ mit einer Reichweite von 280 km anstelle der für die ukrainische Version vorgesehenen 500 km gegeben worden sei.

Die Realisierung des Projekts des operativ-taktischen Raketenkomplexes „Donner“ zeichnet sich gleichfalls durch das Fehlen glaubwürdiger Informationen aus offiziellen Quellen aus. Es ergibt sich: Die neuen ukrainischen Mittelstreckenraketen existieren ausschließlich im Google-Cash. Was jedoch eine Reihe russischer Experten nicht daran hindert, den Lesern mit einer angeblichen ukrainischen Raketen-Bedrohung Angst zu machen.

Die Vorgehensweisen hinsichtlich eines Pushens nichtbestehender Gefahren sind sowohl in der ukrainischen als auch in der russischen Experten-Community auf erstaunliche Art und Weise identisch. Die Staatshaushalte sowohl Russlands als auch der Ukraine sind eigentlich öffentliche Dokumente, und die generellen Ausgaben für die Verteidigung sind insgesamt auch kein Geheimnis. Aber weitaus interessanter erklingen die Behauptungen, die nichts mit der Wirklichkeit gemein haben.

Eine Fortsetzung der Geschichte zeichnet sich ebenfalls mit der Ausrüstung der Schnellboote der ukrainischen Seestreitkräfte mit britischen Raketen ab. Vorerst existiert die Lieferung der Raketen ausschließlich in Veröffentlichungen ausländischer Medien. Doch einzelne Vertreter der Experten-Gemeinschaft blasen bereits den Mythos von großen Leistungen der Ukraine hinsichtlich des Erhalts westlicher Technologien auf. Solch eine Fragestellung hält keiner Kritik stand, da die Ukraine im besten Falle ein Endprodukt in einem beschränkten Umfang erhalten wird.

Überdies ähnelt die Umstellung der ukrainischen Armee von sowjetischen und postsowjetischen Technikmodellen auf westliche Waffen keiner karitativen Tätigkeit. Die Politik des Verdrängens ukrainischer Waffenbauer aus den Staatsaufträgen des ukrainischen Verteidigungsministeriums ist auf eine Monopolisierung des Marktes durch eben jenes Großbritannien ausgerichtet.

Bezeichnend ist die Geschichte um die Entwicklung des Raketenkomplexes „Neptun“. Für ihn gibt es keinen Platz auf den ausländischen Schiffen, die faktisch mit den Mitteln der ukrainischen Steuerzahler gebaut werden. Die türkischen Korvetten der Ada-Klasse, die im Auftrag der Ukraine gebaut werden, werden in der Basisvariante mit dem US-amerikanischen Komplex „Harpoon“ oder dem türkischen „Atmaca“ ausgerüstet. Und die ukrainischen Raketen können auf ihnen nach Indienststellung der seegestützten „Neptun“-Version auftauchen.

Ausgehend von der den Medien bekannten Liste von Projekten und Einkäufen von Import-Waffensystemen ergibt sich, dass die Ukraine auf eigenen Willen hin oder erzwungenermaßen eine Politik des Bedienens der ausländischen Industrie zum Schaden des eigenen Potenzials verfolgt. In der Hitze des Nachjagens nach dem Image von Gestaltern einer mächtigen Flotte, die über einmalige westliche Technologien verfügt, vernichten die ukrainischen Offiziellen das Wenige, was das eigene wissenschaftlich-technische Potenzial erhalten und Gelder der Steuerzahler bewahren kann.

Außer Spesen nichts gewesen

Die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit wird früher oder später (eher früher) ihr gewichtiges Wort in der Frage nach dem Erwerb britischer Waffensysteme durch die Ukraine sprechen. Die staatliche Auslandsverschuldung der Ukraine hat seit 2014 rasant zugenommen. Und Tendenzen zu ihrer Verringerung sind nicht zu beobachten. Der Umfang der Kreditressourcen, die für die Umrüstung des Blocks der bewaffneten Organe gewonnen wurden (beispielsweise der Erwerb von Eurocoptern in Frankreich mit Mitteln eines staatlichen Kredits), verliert sich vor dem Hintergrund der astronomischen Summen der gesamten Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland. Dies bedeutet jedoch nicht, dass man solche Kredite entsprechend dem Rest-Prinzip tilgen kann.

In der jüngsten Geschichte der Ukraine hatte es bereits den Versuch gegeben, die Seestreitkräfte mit Gewinnung ausländischer Waffensysteme zu modernisieren. Heute kann erklärt werden, dass dieser Versuch ruhmlos endete.

Die ambitionierte Korvette des Projekts 58250 sollte eigentlich schon mehrere Jahre lang die Wellen des Schwarzen Meeres durchschneiden. Geplant war ihre Ausrüstung mit NATO-Waffen, darunter mit zwei Komplexen der Schiffsabwehrraketen Exocet MM40 Block 3 des Konzerns MBDA. Der Einkaufspreis wurde nicht genannt. Wahrscheinlich war er aber mit den Aufwendungen des ukrainischen Etats für den Bau des Schiffskörpers der Korvette vergleichbar – rund 150 Millionen Euro.

Die Ausgaben für den Erwerb der Schiffsbewaffnung sahen phantastisch aus. Die Finanzierung der ukrainischen Seestreitkräfte wie auch der anderen Waffenarten und -gattungen der Streitkräfte der Ukraine zeichnete sich nicht durch Großzügigkeit aus. Ungeachtet der Zunahme der Verteidigungsausgaben – beginnend ab 2014 – kann sich die ukrainische Armee keines Überflusses an neuer Technik und neuen Waffen rühmen. Und in den vorangegangenen Jahrzehnten erschienen die Pläne, rund 15 Millionen Dollar für die Ausrüstung eines Schiffes auszugeben, noch phantastischer. Zu jener Zeit wurden nicht einmal die Betriebskosten für die westlichen Systeme untersucht.

Alles wurde in der Etappe des Begreifens gestoppt, dass bei den Raketenstarts gleich ein Zehntel der Jahresausgaben für den Einkauf von Waffen oder so in diesem Umfeld „in die Luft“ fliegt. Nicht zu schießen kann man nicht, aber zu schießen ist zu teuer. Dieses „Begreifen“ der Generäle wurde dem Publikum nicht vorgeführt. Aber gerade die untragbar hohen Kosten für eine Ausrüstung mit teuren Waffen haben letztlich das Projekt zu Grabe getragen. Und sich von den westlichen Lieferanten zugunsten der russischen loszusagen, hatte schon damals das Image überzeugter Verfechter einer europäischen Integration nicht erlaubt.

Die ganze Geschichte um den Bau der neuen Korvette zeigt Ausgaben, die sich die Ukraine nicht erlauben kann. Bis zum Jahr 2021 waren der Bau und die Indienststellung von vier Korvetten der Serie „Wladimir der Große“ geplant worden. Im Jahr 2017 wurden diese Termine bis auf das Jahr 2028 verschoben. Seitdem hat aber dieses Projekt nicht eine einzige Kopeke aus dem Staatshaushalt erhalten.

In den Jahren 2013-2014 wurden Elemente des Waffensystems der Korvette erworben – Artilleriekomplexe im Gesamtwert von 13 Millionen Euro, die letztlich nirgendwo installiert worden sind, da ja auch keine Schiffe fertiggestellt worden sind. Und bis zum Jahr 2028 kann nicht nur die Korvette zu einer Fata Morgana aus der Vergangenheit werden, sondern auch die Fertigungsstätte an sich vom Erdboden verschwinden. Der „Schwarzmeer-Schiffbaubetrieb“, wo der Bau der Korvette begonnen wurde, befindet sich im Stadium einer Liquidierung. Beschlossen wurde, die Fertigung in den benachbarten Betrieb „Ozean“ zu verlegen.

Die bescheidenen Möglichkeiten des ukrainischen Etats erlauben nicht, von der Perspektive einer totalen Neubewaffnung mit modernen westlichen Modellen, die beispielsweise die russischen analogen Systeme übertreffen, zu sprechen. Möglich sind punktuelle Projekte für eine „Parade“-, eine Vorzeige-Richtung – ein oder mehrere Exemplare von Technik, die man dem Publikum demonstrieren und bis zur nächsten Veranstaltung einmotten kann. Solche Varianten können durchaus über die Kreditlinien zweckgebundener Verträge realisiert werden. Dies werden aber Einzelfälle und keine zielgerichteten Veränderungen sein.