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Ist das Schicksal von START-3 vorentschieden


Vier Monate vor Ablauf der Geltungsdauer des Vertrags über Maßnahmen zur weiteren Verringerung und Begrenzung der strategischen Offensivwaffen, der als START-3 bekannt ist, sind immer noch nicht alle Zweifel daran zerstreut worden, dass die USA und Russland eine klare Vorstellung über sein Schicksal haben. Obgleich die Rettung des Vertrags, der durch die Präsidenten beider Länder am 8. April 2010 in Prag signiert wurde und am 5. Februar 2011 in Kraft trat, für die Gewährleistung der globalen Sicherheit lebenswichtig ist. Wladimir Putin bezeichnete in seiner Videoansprache vor der 75. Tagung der UNO-Hauptversammlung die Verlängerung von START-3 als eine erstrangige Frage, die man „operativ lösen kann und muss“.

In Moskau ist man der Auffassung, dass die Vereinigten Staaten die Situation mit der Verlängerung des Vertrags praktisch zu einer Zeitnot geführt hätten und jetzt Russland vorsätzlich inakzeptable Bedingungen stellen würden. In Washington aber ist man der Annahme, dass Russland die Verhandlungen zu dieser Frage in die Länge ziehe, wobei mit einem Sieg des Kandidaten der Demokraten Joseph Biden, der sich früher für eine Bewahrung von START-3 ausgesprochen hatte, gerechnet werde. 

Wie dieser Tage das Magazin „Politico“ meldete, habe die Administration von Donald Trump die Militärs beauftragt, die Zeitdauer für eine Ausrüstung strategischer Bomber, von U-Booten und ballistischen Raketen mit nuklearen Waffen und Sprengköpfen aus den Lagern in dem Falle, dass START-3 nicht verlängert werde, abzuschätzen. Dieser Schritt solle nach Aussagen der Gesprächspartner des Magazins zeigen, dass Washington zu einer Lösung des Vertrages bereit sei, wenn Moskau nicht bis zu den Wahlen am 3. November dessen Vorbedingungen zustimme. 

Sie betreffen erstens die Lösung der Frage bezüglich der „Erhöhung der Anzahl nichtstrategischer Waffen durch Russland“, das heißt der taktischen Waffen. Zweitens – eine Verstärkung der Verifizierungsmechanismen zur Überprüfung der Erfüllung der verlängerten Variante des Vertrags. Und drittens – die Schaffung von Möglichkeiten für eine Einbeziehung Chinas in künftige Vereinbarungen zum Rüstungsabbau.

Der stellvertretende russische Außenminister Sergej Rjabkow bezeichnete diese Bedingungen als ein Ultimatum. Die Chancen für eine Prolongierung von START-3 seien seiner Meinung nach minimal, da sich Russland nicht auf einseitige Zugeständnisse einlassen werde. Überdies leide auch jede der Bedingungen an wesentlichen Mängeln.

So ist, was die Idee angeht, die taktischen Kernwaffen unter eine Kontrolle zu stellen, dies für die USA ein Instrument zur Bewahrung des Einflusses in Europa einerseits und andererseits ein Relikt des Kalten Krieges, während dies für Russland ein überaus wichtiges Mittel zur Gewährleistung der Sicherheit sowie eine Garantie für die Möglichkeit ist, das Übergewicht Amerikas und dessen Verbündeten hinsichtlich konventioneller Waffen im Falle eines Krieges zu nivellieren. Über einen Verzicht auf dieses Instrument unter den aktuellen Bedingungen kann auch keine Rede sein. Doch selbst die Bereitschaft, mögliche Beschränkungen für die Entwicklung, Tests und Entfaltung strategischer Kernwaffen zu diskutieren, verlangt einen nicht weniger gewichtigen Antwortschritt. Und soweit man anhand der vorliegenden Informationen urteilen kann, haben die USA bisher keine klaren Vorschläge von einem derartigen politischen Gewicht. 

Mehr noch, Washington beabsichtigt, die Bestimmungen von START-3 auf die perspektivreichen strategischen nuklearen Hyperschall-Waffenarten Russlands auszudehnen, obgleich es keine Bereitschaft signalisiert, seine eigenen analogen Waffen der neuen Generation in diesen aufzunehmen. Und noch ein Hindernis: der kategorische Unwille Chinas, sich den Verhandlungen über ein nächstes Abkommen anzuschließen. Wahrscheinlich wirkt sich die Nichtbereitschaft Chinas aus, Informationen über seine Nuklearstreitkräfte offenzulegen, die dessen erheblich größeres atomare Potenzial demonstrieren würden, als ursprünglich angenommen wird.  

Scheinbar ist Russland schon nicht mehr bestrebt, auf jeden Fall START-3 zu verlängern. Früher hatte es darauf bestanden, dass die Fragen der Rüstungskontrolle in juristisch verbindlichen Dokumenten verankert werden, während Washington offener für politische Vereinbarungen war. Nun gibt es Gründe zur Annahme, dass eine flexiblere Herangehensweise eine Unterstützung Moskaus finden könne. Da es aber unmöglich erscheint, einen vollwertigen Vertrag abzuschließen, erweisen sich politische Vereinbarungen als die beste der verbleibenden Varianten für eine Gewährleistung der Stabilität und Voraussagbarkeit im nuklearen Bereich. Ja, und jene Leichtigkeit, mit der die USA aus internationalen Verträgen aussteigen, kann Einfluss auf die Veränderung der Standpunkte Russlands ausüben.